Читать книгу Helmut Palmer - Jan Knauer - Страница 17

Bürgergesellschaft und Öschbergschnitt, 1948–1950

Оглавление

In der Schweiz ging Helmut Palmer ab 1948 für zwei Jahre bei Fachleuten der Obstbaukunde – der Pomologie – in die Lehre. Das gesellschaftliche Zusammenleben in der Schweiz beeindruckte Helmut Palmer sehr, da es sich aus seiner Sicht fundamental von jenem in seiner kriegsversehrten Heimat unterschied. Begeistert haben ihn bei der tief verwurzelten demokratischen Kultur der Eidgenossen besonders zwei Dinge: der Umgang mit den Behörden und die Diskussionskultur der Schweizer. In seinen Erinnerungen und politischen Äußerungen wird Palmer immer wieder die Schweiz als „Gelobtes Land“ preisen und als Kontrast nutzen, um das ihm verhasste deutsche Berufsbeamtentum anzuprangern. Palmer erschienen die Schweizer als freie Bürger, die ungezwungen mit ihren (gewählten) Behördenvertretern umgingen. Man habe sich mit ihnen gleichsam zivil unter Bürgern verständigt. Die Schweizer Gesellschaft lasse kein obrigkeitsstaatliches Denken zu. Die Streitkultur lernte er auf Versammlungen der eidgenössischen Bauern seines Aufenthaltsortes kennen, die oft in freier Rede und in derber Sprache ihre Positionen darlegten. In seinem Buch von 1979, also einer Zeit, in der viel über Terrorismus und dessen Entstehung in der Bundesrepublik nachgedacht wurde, schrieb Palmer:

„Und ich glaube noch heute, daß das Fehlen eigener eidgenössischer Terroristen hauptsächlich mit dieser bürgerlichen Freiheit zu tun hat, damit, daß es in der Schweiz Obrigkeit in unserem Sinne nicht gibt: Der Beamte ist abwählbar. Schon über Fahrradwege redet und bestimmt der Bürger dort völlig selbstverständlich mit, bei uns muß er beim Bau von Autobahnen sein Recht auf freie Meinungsäußerung erkämpfen, muß er, sobald er freie Rede führt, mit Behördenschikanen, Finanzamtsfahndern und ähnlichem Ungemach rechnen.“

Nach arbeitsreichen Tagen auf einem Bauernhof in Mettmenstetten bei Zürich nahm Palmer an den Wochenenden an weiteren Baumschnittkursen teil. Von seiner Schweizer Umwelt wurde er als temperamentvoll und aufbrausend, aber auch als sehr arbeitsam und kämpferisch wahrgenommen. Sein Lehrmeister, auf dessen Hof er arbeitete und lebte, meinte im Jahr 2003 zu Palmers Biograf Michael Ohnewald: „Der isch uffbrusig gsi. (…) Der isch a Kampfr gsi.“

„Bern statt Brüssel wäre die Erlösung für Europa.“

Palmer in einem Vortrag an der

Universität Tübingen 2004

In der Schweiz lernte der junge Palmer nicht nur eine andere politische Kultur kennen, sondern auch eine in Württemberg zur damaligen Zeit noch lange nicht etablierte Technik, Obstbäume zu schneiden: den Öschbergschnitt. Vier bis fünf Leitäste nur bilden vom Stamm weg einen Trichter und sorgen so dafür, dass alle Äste ausreichend Licht bekommen. Wenige, dafür aber starke Äste können so viele Früchte tragen, ohne dass eine Stütze erforderlich wäre. Der große Abstand zwischen den Ästen sorgt wiederum dafür, dass die Blätter genug Sonneneinstrahlung erhalten und die Früchte groß und süß werden. Die Ernte und Pflege wird durch den Schnitt ebenfalls erleichtert: der Baum schießt nicht in die Höhe, die Äpfel können im Idealfall direkt vom Boden geerntet werden, und eine Leiter findet im lichten Baum ausreichend Platz. Mit dem Öschbergschnitt bekommt man einen leicht bearbeitbaren Obstbaum, dessen Ertrag zunächst nicht quantitativ, später aber vor allem qualitativ sehr gut abschneidet. Der Erfolg ist freilich erst nach einigen Jahren sichtbar.

Helmut Palmer

Подняться наверх