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Die Mandantin

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„Sie wird gleich kommen“, sagte Siegfried Weber. Er war ein vornehmer Herr, seine 69 Jahre machten ihn alt und weise, aber, wie gesagt, er war schnell unduldsam, wenn jemand unpünktlich war. Deshalb wunderte sich Herbert, dass der Vater jetzt Geduld zeigte. Aber es lag wohl auch an der besonderen Mandantin, die er erwartete, nämlich Katharina Reiz, die Starregisseurin des 1000-jährigen Reiches, sie würde die neue Auftraggeberin für Rechtsanwalt Weber und seinen Sohn Herbert sein.

Frau Reiz ließ sich Zeit. Dann fuhr sie im grünen Karmann-Ghia vor, stieg aus dem fabrikneuen Volkswagen wie eine geschmeidige Katze aus, nahm den Mantel vom Beifahrersitz, zog ihn an, schritt dann damenhaft durch den kleinen Vorgarten und klingelte an der Hausnummer 241 der Kaiserswerther Straße.

„Wollen Sie nicht öffnen?“, sprang Herbert von seinem Platz auf.

„Sie gehen jetzt erstmal auf Position!“, sagte Siegfried, ließ Frau Reiz ein zweites Mal klingeln und öffnete dann die Tür.

„Ah, verehrteste Frau Reiz, kommen Sie, immer hereinspaziert. Schön, dass Sie mich nach unserem Telefonat jetzt persönlich aufsuchen. Legen Sie doch ab!“

Siegfried half ihr aus dem Hänger, einem unten ausschweifenden Mantel, sehr schick, aus Wolle. Das gute Stück hängte er an die Garderobe.

Mit den Worten „klein aber mein“, zeigte er ihr den Kanzleiraum, der sich hinten im Hausflur befand und rechts, durch einen Vorhang abgetrennt, einen Nebenraum versteckte, wo Herbert „auf Position“ war.

„Mein Sohn ist auch schon da, er wird ja eine wichtige Rolle bei der Lösung Ihres Problems spielen. Ich rufe ihn.“

Herbert hatte alles gehört, es gab keinen Grund ihn zu rufen, aber Siegfried hatte einen Hang zum Theatralischen, das wusste Herbert nur zu gut. Und so tat er seinem Vater den Gefallen und wartete auf sein Stichwort. Der Rechtsanwalt zog den Vorhang zum Nebenraum zurück und rief: „Herbert, können Sie bitte kommen!“

Dann drehte Siegfried sich um und sagte zu Frau Reiz: „Er wird gleich da sein.“

Herbert hörte seinen Vater zu der Mandantin sagen: „So setzen Sie sich doch! Wollen Sie etwas trinken?“

Frau Reiz lehnte ab, nahm aber den angebotenen Platz vor dem aufgeräumten Schreibtisch aus massiver Eiche ein. Herbert zählte langsam bis sieben, bis zu seinem Auftritt und verließ dann die „Position“. Weder hatte er bis dahin Frau Reiz gesehen, noch sie ihn.

Der Raum war so geschnitten, dass er im Nebenraum, in der Teeküche der Kanzlei, ganz unentdeckt hätte bleiben können. So sah Frau Reiz auch nicht, wo er herkam und wie klein dieser Raum eigentlich war. Und als Herbert Weber hinaustrat in den Kanzleiraum, da sah er sie, Frau Reiz, das erste Mal und es war wie Blitz und Donner.

Sie saß da, engelgleich und gleichzeitig verwegen wie ein Vamp. Bezaubernd schön und voller Kraft und dennoch wirkte sie zerbrechlich. Sie trug eine Hose, die unten etwas weiter ausgestellt war, wie eine Marlene-Dietrich-Hose. Ihr Haar war toupiert und daher etwas aufgebauscht.

Herbert neigte sich zu einem Handkuss, den er andeutete, und da atmete er diesen Duft. Ein ganz besonderer feiner Hauch, nur eine Nuance. Ein Duft, den er immer wiedererkennen würde, da war er sich sicher.

Siegfried merkte davon nichts. Er war mit seiner Erklärung beschäftigt.

„Frau Reiz, wir hatten abgesprochen, dass Sie Personenschutz brauchen. Mein Sohn Herbert Weber ist dafür der ideale Mann. Er war Soldat und hat eine Lizenz der Briten, um als Privatermittler tätig sein zu dürfen. Er ist geeignet und legalisiert.“

„Herr Weber junior, sehr erfreut, dass Sie den Personenschutz übernehmen. Aber müssen wir dafür Händchen halten?“ Herbert hielt Frau Reiz noch immer an der ausgestreckten Hand.

„Oh, entschuldigen Sie gnädige Frau!“ Herbert ließ sofort die Hand los.

„Bald bin ich wieder ein Fräulein, wenn die Scheidung erst durch ist. Aber mein Mann dreht durch, er bedroht mich. Sicher hat Ihr Herr Vater Ihnen das schon erzählt.“

„Gewiss, Frau Reiz, äh, Fräulein Reiz.“

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