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Herrenbesuch

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„Wie oft habe ich Ihnen schon gesagt, ich dulde keinen Herrenbesuch, Frau Gebhardt?“, fragte laut die Vermieterin. Anne Gebhardt schrak aus dem Schlaf. Anne Gebhardt war eine unabhängige Frau. Sie verdiente ihr eigenes Geld und wohnte allein in einem möblierten Zimmer in Bilk. Aber nun war Ihre Vermieterin Frau Kazmarek einfach in das Zimmer gekommen, um ihr Vorhaltungen zu machen. Und Anne konnte sie schlecht aus dem Zimmer verweisen. Wohnungen waren knapp in Bilk und sie war froh über das möblierte Zimmer für acht Deutsche Mark die Woche.

„Tut mir leid, Frau Kazmarek“, sagte Anne.

Die Vermieterin keifte: „Der muss verschwinden, sonst kriegen die mich dran wegen Kuppelei!“ Sie deutete auf das Bett von Anne. Neben Anne lag unter der Zudecke ein weiterer Körper. Er schien einen gesegneten Schlaf zu haben. „Nu mach schon, Fräulein!“, drohte die Kazmarek. „Sonst wecke ich ihn.“

Anne zögerte. Da riss die Kazmarek die Zudecke vom Bett.

Anne protestierte: „Das geht jetzt wirklich zu weit!“

„Tschuldigung!“, sagte die Kazmarek und verschwand so lautlos, wie sie gekommen war, aber mit hochrotem Kopf. Der Körper neben Anne war aus getragener Kleidung wohl geformt. Anne sah in Gedanken, wie Herbert sich ins Fäustchen lachte. Der Scherz war ihm gelungen.

Herbert Weber war ihre große Liebe. Sie hatte ihn an ihrem ersten Tag in Düsseldorf kennengelernt, als sie bei den Briten als Sekretärin anfing. Die britischen Besatzer hatten ihr Quartier am Nordpark und in der Golzheimer Heide aufgeschlagen. Sie brauchten für die Verwaltung ihrer Besatzungszone viele Schreibkräfte. Eine davon war Anne Gebhardt. Sie hoffte, sich bald zu verbessern, es stünden Veränderungen an, hatte sie erfahren, die Briten hätten etwas vor, das Land sollte eine neue Verwaltung bekommen und dorthin wollte sie wechseln, sie spürte, dass da etwas für sie drin war. Aber erstmal war es gut so. Herbert hatte damals an ihrem ersten Tag irgendeine Ausnahmegenehmigung beantragt. Aber darüber sprach er bis heute nicht. Er konnte ein echter Geheimniskrämer sein.

Jetzt musste er am frühen Morgen das Bett, ihr Liebesnest verlassen haben, ohne dass sie etwas davon mitbekommen hatte. Was hatte er vor so früh am Tag? Er hätte doch ausschlafen können, denn er konnte sich als Fotokünstler den Tag selbst einteilen. Oder hatte er wieder einen dieser Jobs, die ihm sein Vater zuschanzte? Ihr war damit nie ganz wohl, denn er hatte dann immer seine Militärpistole dabei. Wenn sie ihn fragte, beruhigte er sie, aber es schien ihr, als würde Herbert diese Aufgaben bagatellisieren.

Die Türklingel riss Anne aus ihren Gedanken. Frau Kazmarek öffnete. Anne hörte Stimmen im Flur. Dann klopfte es an ihrer Zimmertür. Frau Kazmarek blieb diesmal artig draußen und sagte: „Frau Gebhardt, der Herr Weber wartet auf Sie in meiner Küche.

„Komme gleich“, flötete Anne. Schnell zog sie sich die Wollhose und den Wollpullover vom gestrigen Fototermin mit Herbert über. Dann bürstete sie sich die Haare und kniff sich in die Wangen. „Ersetzt das Rouge“, sagte sie zu sich selbst.

Als sie in die Küche kam, duftete es nach frischem Kaffee. Die Kazmarek brühte ihn gerade auf und sagte ohne aufzublicken: „Herr Weber hat Bohnenkaffee mitgebracht.“

So kannte Anne ihren Herbert, immer zu einem, manchmal auch üblen, Scherz bereit, aber dann folgte eine versöhnliche Geste. So konnte ihm keiner lange böse sein.

Sie grüßte ihn artig aus der Distanz und Herbert erhob sich höflich von dem Küchenhocker. Es war undenkbar, sich vor Frau Kazmarek einen Kuss zu geben oder sich zu umarmen oder überhaupt in der Öffentlichkeit Zärtlichkeiten auszutauschen. Die 50er Jahre waren da sehr prüde.

Anne setzte sich auf die Holzbank zu der dritten Tasse, die auf dem Küchentisch stand, und auch Herbert nahm wieder seinen Platz ein. Die Kazmarek filterte inzwischen den Kaffee.

„Was machst du so früh am Tag?“, fragte Anne.

„Ich habe den Kapitän verkauft bei Auto Deckert“, antwortete Herbert.

Anne erschrak: „Was? Das schöne Auto?“

„Hat noch gutes Geld gebracht“, sagte Herbert.

„So kann ich jetzt die Miete zahlen.“

„Und mit was fährst du dann?“

„Das wird ein Triumph“, grinste Herbert. „Ein Moped der Marke Triumph. Fährt echt super.“

Mordbrücke

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