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Erotische Abenteuer eines Kindes

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Warum erzähle ich dir das, liebe Mary, dir, der weltbekannten schönen und großartigen Tennisspielerin? Denn ich schreibe diese Geschichten für dich. Ich habe keinen Gesprächspartner mehr, seitdem ich mich nach dem Tod meiner Frau, Amadea, mit achtundsiebzig Jahren in ein Hospiz zurückgezogen habe und aus besonderen Gründen mit keinem Menschen mehr spreche.

Ich bin schon seit etlichen Jahren dein Fan. Und es wäre eigentlich für jeden verständlich, wenn ich als Fan einer weltbekannten Tennisspielerin dieser verehrungsvolle Schreiben schickte. Bis vor einem Jahr, als meine Frau noch lebte, wäre das auch von mir zu erwarten gewesen, aber jetzt hat sich mein ganzes Leben geändert und zumindest in meinen Gedanken bist Du so etwas wie ein virtueller Ersatz für meine Frau geworden. Vielleicht werde ich, wenn ich alle Geschichten, die mich bewegen, aufgeschrieben habe, dir, der realen Person der Mary diese Geschichten schicken, um mir die Chance zu geben eine reale Beziehung zu dir aufzubauen.

Ich beginne mit der Darstellung meiner erotischen Biographie mit dem Jahr 1932. Damals war ich fünf Jahre alt. In dieser Zeit war mein Vater als Lehrer arbeitslos. Er hatte allerdings einen Nebenerwerb als Vertreter für Bücher gefunden. Er reiste viel, um bei Buchhändlern und Privatpersonen Abnehmer für seine Ware zu finden. Manchmal kam er wochenlang nicht nach Hause, weil er in irgendwelchen entlegenen Dörfern die Bauern für deutsche Literatur begeistern wollte. In diesen Zeiten reiste meine Mutter mit mir zu meinen Großeltern auf’s Land, um die Ausgaben für den eigenen Haushalt zu sparen; denn mein Vater konnte mit seiner Tätigkeit nur das zum Überleben Nötigste verdienen.

Dort – bei den Großeltern – hatte ich schnell Anschluss an die Kinder des Dorfes gefunden, weil ich zum Entsetzen meiner Mutter mit der großzügigen Verteilung meiner Spielsachen an die neuen Freunde nicht lange gefackelt hatte. Ich war denn auch bald wie sie in den Werkstätten und Bauernhöfen ihrer Eltern zu Hause und durchschwärmte mit ihnen die umliegenden Felder und Wälder. Meine Realitätserfahrungen wurden durch diese Aktionen und die damit verbundene selbständige Nahrungsmittelversorgung mit Kirschen, Erdbeeren und Pilzen, Krebsen und Forellen sprunghaft erweitert. Ich gewann sogar die Bewunderung meiner neuen Freunde, weil es mir bei einer Mutprobe gelang, die Rivalität zwischen ihnen und einer anderen Kinderbande zu ihren Gunsten zu entscheiden, weil ich ein Brennnesselblatt in den Mund nahm und es – wenn auch unter heftigsten Schmerzen – tapfer zerkaute.

Dort erlebte ich mein erstes Liebesabenteuer. In dieses sexuelle Abenteuer bin ich als Mitglied unserer dörflichen „Kinderbande“ hineingerutscht. Da ich eines der jüngsten „Bandenmitglieder“ war, wusste ich im Grunde nicht, was „gespielt“ wurde.

Die sexuelle Aufklärung war in unserer Bande ein wichtiges Thema. Und einige Bauernjungen, die Ziegen oder Kühe zum „Decken“ begleiten durften, waren auf diesem Gebiet die anerkannten Autoritäten. Sie berichteten uns, wie es zwischen Bock und Hippe oder zwischen Bulle und Kuh zuging, und da Kinder gerne nachspielen, was sie in der Welt um sich beobachten, beschlossen wir, auch das „Decken“ nachzuspielen. Die Gelegenheit dazu sollte sich bald ergeben. In dem Dorf wohnte eine kinderreiche evangelische Pastorenfamilie, deren Haus den Dorfkindern zum Spielen offen stand. Eines Tages, als wir Jungen mit dem jüngsten Sohn des Pfarrers im Pfarrhaus spielten, wurde uns plötzlich bewusst, dass wir Jungen mit dem jüngsten Kind des Pfarrers, einem Mädchen von 3 bis 4 Jahren, allein in dem Haus und im Zimmer waren. Im Nu war der Kleinen die Hose ausgezogen, war sie mit dem Gesicht nach unten über einen Stuhl gelegt worden und hatten die Jungen eine Schlange gebildet, an deren Ende ich stand. Die Jungen holten darauf streng der Reihe nach ihr Glied, bei dem sich allerdings nichts regte, aus der Hose und versuchten damit mit dem Po der Kleinen in Berührung zu kommen, weil sie es so bei den Tieren gesehen hatten. Die Kleine, deren Bruder ja anwesend war, begriff das Geschehen zunächst als Spiel, begann dann aber leise zu weinen, wobei ich nun die größte Sorge hatte, bei dem Spiel nicht mehr an die Reihe zu kommen. Ich kam noch kurz an die Reihe, spürte überhaupt nichts bis auf die Angst vor dem Erscheinen eines Erwachsenen und verließ mit den anderen fluchtartig das Haus.

Der Pfarrer erfuhr, was vorgefallen war, und unterrichtete alle Eltern der an dem Vorfall beteiligten Kinder. Die meisten Eltern sprachen auch mit ihren Kindern darüber, einige Kinder bekamen Hiebe. Meine Mutter ließ es allerdings bei der Drohung bewenden, dass ich mit der dekorativ an der Wand hängenden Reitpeitsche verdroschen würde, wenn ich so etwas noch mal tun würde, wozu ich ohnehin keine Lust hatte. Im Übrigen blieb mir völlig schleierhaft, was an der Sache schlimm gewesen sein sollte. Es war meiner Meinung nach überhaupt nichts passiert. Meine Mutter vertröstete mich damit, mir die Sache später zu erklären, was sie allerdings nie tat.

Danach wurde ich im Alter von 8 oder 9 Jahren – nunmehr in meiner Heimatstadt – in meine nächste erotische Beziehung verstrickt. Das etwa gleichaltrige Mädchen war die Tochter einer Freundin meiner Mutter. Diese Freundin war Witwe und lebte mit ihren Eltern und ihrer Tochter über dem Möbelgeschäft, das ihr verstorbener Mann betrieben hatte und das sie nun weiterführte. Da mein Vater noch immer keine feste Anstellung als Lehrer gefunden hatte und seine Reisen durch Deutschland ihn immer wieder für Tage oder Wochen von zu Hause entfernten, freute sich meine Mutter, wenn sie in diesen Zeiten außer den Großeltern noch jemand anderen besuchen konnte, der uns gut bewirtete. So besuchte meine Mutter ihre Freundin öfter an den Wochenenden und blieb auch schon mal über Nacht dort.

Meine Mutter nahm mich jedes Mal zu den Besuchen mit. Ich konnte dann mit der Tochter ihrer Freundin spielen. Manchmal war auch noch eine Freundin der Tochter da, aber ich konnte mit beiden Mädchen wenig anfangen und auch ihre Spiele ließen mich kalt. Das änderte sich aber schlagartig, als die Tochter der Freundin meiner Mutter das Bedürfnis empfand, mich enger an sich zu binden. Ich wäre zu diesem Zeitpunkt selber nie auf den Gedanken gekommen, eine amouröse Beziehung zu einem Mädchen einzugehen, aber nachdem die kleine Evastochter mir bei einem Spiel klar gemacht hatte, dass sie keinen Mann habe und dass ich für diese Position sehr geeignet sei, akzeptierte ich diese familiäre Aufgabe und ließ mich auch zur baldigen Verlobung und Hochzeit überreden.

Zunächst war aber die Phase der ersten Verliebtheit zu bewältigen. Man machte also Pfänderspiele und konnte die eingesetzten Pfänder nur gegen einen Kuss oder eine Umarmung wieder zurückbekommen. Man hatte Lieder zu singen wie „Du, du liegst mir am Herzen, du, du liegst mir im Sinn. Du, du machst mir viel Schmerzen! Weißt nicht, wie gut ich dir bin“. Man musste lernen, Mädchenzöpfe zu flechten oder einen Apfel Stirn an Stirn oder Mund an Mund festzuhalten und dabei fünf Schritte gemeinsam zurückzulegen, ohne dass der Apfel zu Boden fiel. Ich musste aus Liebe lernen zu hinkeln und schwierige Ballspiele mit der Wand auszutragen. Auch das Jonglieren mit wenigstens zwei, aber auch mehr Bällen gehörte zur fortgeschrittenen Liebeskunst.

Man hatte auch mit der Geliebten ins Kino zu gehen und dort im Dunkeln zu kuscheln und zu schmusen. Man musste sich sogar jeden Morgen waschen und die Zähne putzen, sich gut frisieren und geschmackvoll kleiden. Auf dem Lande spiele das zwar keine große Rolle, belehrte mich meine Geliebte, dort lasse sie selber auch schon mal Fünfe gerade sein, aber in der Stadt gehöre das zum guten Ton. Eine Frau, die auf sich halte, könne nicht wie eine Bauersfrau herumlaufen und ein zukünftiger Ehemann schließlich auch nicht wie der letzte Dorftrottel. Da ich mehr auf dem Lande gelebt hatte und die städtischen Umgangsformen nicht so gut kannte wie meine zukünftige Gattin, war ich ihr für ihre Aufklärung sehr dankbar und schaute ehrfurchtsvoll und mit dem geschmackvollsten Ausdruck von „Weißt nicht, wie gut ich dir bin“ zu ihr auf. Es war tatsächlich so, dass mein von Hasenscharte und Einzelkinddasein ziemlich verdunkeltes Leben sich plötzlich aufzuhellen begann und mich neue ungeahnte Freudengefühle und Jubelgesänge erfüllten. Mein ramponiertes Selbstbewusstsein begann aufzublühen, ich begann mich zu strecken und großsprecherisch daherzureden und konnte meine Rolle wirklich mit Einfallsreichtum, Anpassungsfähigkeit und Vergnügen ziemlich perfekt spielen.

Unsere Mütter bekamen von diesen Entwicklungen ihrer Kinder zu „Erwachsenen“ wenig mit. Sie fanden unsere Spiele amüsant und fantasievoll, sahen in ihnen vielleicht auch notwendige Vorbereitungen auf unsere späteren Geschlechterrollen und ließen uns gewähren. Wir jungen „Liebesleute“ machten unsere gemeinsamen Unternehmungen bald unabhängig von den Treffen unserer Mütter. Wir besuchten uns gegenseitig, machten gemeinsame Spaziergänge, genossen „Schweineöhrchen“ und „Berliner“ in einem Café, das dem Vater einer anderen Freundin meiner Mutter gehörte, und landeten immer wieder im Kino. Dabei hatten wir gar kein Geld. Unsere Vergnügungen liefen alle über „gute Beziehungen“ unserer Eltern oder unsere eigenen Kontakte zu guten Freunden.

Unsere wachsende Vertrautheit bewog uns schließlich dazu, uns zu verloben. Wir wollten unsere Verlobung allerdings nur im „kleinsten Kreis“ feiern, nur in Anwesenheit der engsten Freunde. Das waren mein bester Freund mit seiner Freundin und Annes Freundin mit ihrem Freund. Zu der besagten Feier, die wir nach Geschäftsschluss im schönsten Wohnzimmer der Möbelausstellung im Geschäft von Annes Mutter feierten, wollte Anne unbedingt im weißen Kleid erscheinen. Da sie aber keines hatte, zog sie ein weißes Nachthemd ihrer Mutter an und staffierte mich mit einem schwarzen Anzug ihres verstorbenen Vaters aus, der, obwohl ihr Vater sehr kleinwüchsig gewesen sein musste, dennoch abenteuerlich um meine mageren Hüften schlotterte und nur mit Hilfe von durch Knoten verkürzten Hosenträgern und mit vielen Sicherheitsnadeln einigermaßen kleidsam an mir befestigt werden konnte. Zur Krönung meines Putzes verpasste mir meine Verlobte noch den Zylinder ihres Vaters, der, das konnte man an dem ausgedehnten Durchmesser des Zylinders sehen, ein gewaltiger Dickkopf gewesen sein musste. Der Zylinder rutschte mir jedenfalls zur Gaudi unserer kleinen Gesellschaft dauernd über die Augen und hätte mir die ganze Würde als männliche Hauptperson unserer bescheidenen Veranstaltung genommen, wenn meine findige Braut nicht auf die kluge Idee gekommen wäre, den Umfang meines Kopfes mit einem ihrer vielen Kunstblumenkränze entscheidend zu erweitern, so dass der Zylinder nun wie der Hut von Robin Hood zwar etwas rutschig, aber hoch aufragend auf meinem Haupt thronte und mir meine soeben noch auf der Verlustliste stehende Würde in vollem Ausmaß zurückgab.

Die modistische Betätigung hatte meine Geliebte und die anderen weiblichen Mitglieder der Gesellschaft so animiert, dass nun alle Teilnehmer mit anderen noch vorhandenen feiertäglichen Gewandungen von Annes Mutter und Vater ausgestattet wurden. Die zwei außer mir noch anwesenden „Herren“ wurden mit der ebenfalls feierlichen „Melone“ des Vaters und seinem Feuerwehrhelm bedacht, während sich die Damen die weit ausladenden Sommerhüte von Annes Mutter teilten. Desgleichen wurden der bereits eingemottete „Stresemann“ und der in Cellophan gewickelte schwalbenschwänzige Frack des toten Vaters reaktiviert und ebenfalls mit Hosenträgern und Sicherheitsnadeln tragbar gemacht. Die zwei noch nicht feiertäglich gekleideten „Damen“ behalfen sich mit Kordeln und ebenfalls mit Sicherheitsnadeln, um die knöchellangen und weit ausgeschnittenen Abendkleider von Annes Mutter passend zu drapieren und vergaßen auch nicht, die ausgelösten Schulterpolster in Höhe ihrer zukünftigen Brüste von innen an den Kleidern festzustecken, so dass sogar die Ausschnitte auf zwar dezente, aber doch sichtbare Wölbungen zuliefen, was die „Damen“ zu heftigem Gekicher und die „Herren der Schöpfung“ zu Ausrufen höchster Bewunderung veranlasste.

Nachdem also die Gesellschaft sich in solch eine ansehnliche Versammlung verwandelt hatte, konnten nun die Limonade und die festliche Buttercremetorte, die die Freundin von Anne, deren Vater Bäcker war, gestiftet hatte, unbeschwert genossen werden. Infolge der vornehmen Umgebung und dank unserer festlichen Garderobe benahmen wir uns vorbildlich, kleckerten nicht und beschädigten auch die vornehmen Möbel nicht. Allerdings hatte Georg, der Freund von Annes Freundin, während unserer sehr amüsanten und kultivierten Unterhaltung die unfassbare Behauptung aufgestellt, dass man ein rohes Ei nicht in der geschlossenen Hand zerdrücken könne. Ich erbot mich sofort, den Gegenbeweis anzutreten. Und da Georg felsenfest bei seiner Meinung blieb und sogar meine Braut ihm mehr glaubte als mir, fand man es nicht nötig, zur Durchführung des unvermeidlich gewordenen Experiments nach draußen zu gehen, sondern wollte es an Ort und Stelle machen. Anne holte denn auch ein rohes Ei. Und ich machte mich zu dem Experiment bereit, indem ich Anzugjacke und Zylinder glücklicherweise auszog. Georg hatte mir aus Unwissenheit oder aus Boshaftigkeit verschwiegen, dass man bei diesem Experiment die Spitze des Eies gegen die untere Seite des Eies drücken müsse. So nahm ich das Ei in meine rechte Hand und drückte seitlich dagegen, was das sofortige explosionsartige Zerplatzen des Eies zur Folge hatte. Dotter und Eiweiß spritzten blitzartig wie eine Ladung Schrotkugeln durch den Raum und verschmutzten im Umkreis von vier bis fünf Metern Menschen, Möbel, Vorhänge, Teppiche, Wände und die Decke des Raumes. Die vornehme Gesellschaft kollerte vor Gelächter am Boden, aber der unglückliche Verlobte brach in Tränen aus.

Doch meine beherzte Verlobte wusste auch in dieser Situation Abhilfe. Sie tröstete mich in meiner Verzweiflung mit den Worten, der Schaden sei nicht schlimm und könne rasch wieder bereinigt werden. Dann holte sie Sprudelwasser, Messer, Kreide und Waschlappen und funktionierte die ganze elegante Gesellschaft in eine Reinigungskolonne um, die die Ei-Reste von den Wänden und der Decke schabte, die Möbel, Vorhänge und Teppiche sauber wischte und mit weißer Kreide die beharrlichen Flecken an den gekälkten Wänden und der Decke übermalte. So endete unsere Verlobungsfeier in einer kameradschaftlichen Zusammenarbeit. Und Georg, der doch wohl mehr aus Unwissenheit als aus Boshaftigkeit seine Behauptung aufgestellt hatte, konnte es nicht fassen, dass dieses „bombensichere“ Experiment schief gegangen war.

Durch alle diese Vorgänge war die Vertrautheit mit Anne sehr eng geworden und ich war zum ersten Mal in meinem Leben von Herzen glücklich und froh. Bei Anne war ich gut aufgehoben. Sie stand zu mir und hatte mich gern. Es begann tatsächlich so etwas wie ein ganz zartes Pflänzchen echter Liebe zwischen uns zu keimen. Wir hatten uns im Auge, fanden Gefallen aneinander, waren neugierig aufeinander, reagierten aufeinander, meinten es gut miteinander und machten gemeinsame Zukunftspläne. Natürlich spürte ich in meinem Innersten, dass ich meiner Rolle nicht gewachsen war und nur mit allerhand Schauspielerei und Großsprecherei die Qualitäten vorzeigen konnte, die die Welt von einem feurigen Liebhaber, starken Beschützer und verantwortungsvollen Bräutigam erwartet.

Meine Zuneigung zu Anne, mein Interesse an ihr waren echt, aber es fehlten alle Fertigkeiten der Alltagsbewältigung und der Einsicht in die krude Beschaffenheit der sozialen und wirtschaftlichen Wirklichkeit, die uns umgab – und der ich daher in keiner Weise gewachsen war. Für eine gutmütige und wohlwollende Umgebung wie Anne, unsere Freunde und auch einige verständnisvolle Erwachsene und auch schließlich für mich reichte mein nicht unerhebliches Schauspielertalent, um meine Rolle gut zu spielen. Aber für die lebenstüchtigen und desillusionierten Realisten, mit denen wir es in der Hauptsache zu tun hatten, musste das groteske Missverhältnis zwischen unserem Alter und unserer „Liebesbeziehung“ schließlich zu einem Ärgernis werden, das sie nicht länger dulden konnten und dessen Scheinhaftigkeit sie entlarven mussten. Ich spürte die Gefährdung unseres „Glücks“ und hatte Angst vor dem Verlust.

Aber wir hatten noch eine Frist. Meine Großeltern hatten Anne und mich in den Herbstferien eingeladen. Und auf diese gemeinsame Ferienzeit freuten wir uns beide riesig und machten allerlei Pläne, diese Zeit mit Radtouren und Geländespielen auszufüllen. Anne versprach sich auch eine Erleichterung ihres Daseins davon, dass sie auf dem Lande auf Frisur und Garderobe nicht mehr so achten müsse und sich mit einfachen Klamotten und festgesteckten Haaren einfach einmal gehen lassen könne. Ich pflichtete ihr volltönend bei und nahm mir im Stillen vor, in dieser Zeit auf Zähneputzen und Waschen vollständig zu verzichten.

Die Aussicht auf die gemeinsame Reise brachte uns noch mehr zusammen und selbst unsere Mütter wurden dadurch unbewusst beeinflusst, sich öfter zu treffen. So übernachteten wir in dieser Zeit öfter in der Wohnung von Annes Mutter, und es wurde auch nichts dabei gefunden, Anne und mich in demselben Bett schlafen zu lassen. Die ersten Male passierte auch nichts, aber junge Liebesleute haben schließlich doch das Bedürfnis, sich miteinander zu beschäftigen, selbst im Dunkeln und in der Nacht. Wir machten davon auch keine Ausnahme. Und wenn zunächst auch nicht mehr als liebevolle Neckereien und herzhafte Knüffe sich dabei ereigneten, so probierten wir doch beim zehnten oder elften Mal, ob auch wir das konnten, was die brünstigen Tiere machten. Es gelang natürlich nicht, weil mein Glied plötzlich schrecklich krank und steif und lang wurde und nicht in die von mir irrtümlich gewählte hintere Öffnung von Anne passte und dann auch nicht in die von ihr als zutreffend ausgewiesene vordere Öffnung.

Mir war die Sache mit meinem Glied schrecklich peinlich und ich fürchtete mich davor, auch in Zukunft durch dieses eigenartige Verhalten meines Körperteils daran gehindert zu werden, in die – wie ich jetzt wenigstens wusste – zutreffende vordere Körperöffnung der Anne einzudringen. Ich war wirklich so geschockt, dass ich es in der uns noch verbleibenden Zeit bei Anne nicht mehr versuchte und lange Zeit auch ihre Nachfolgerinnen damit verschonte. Ich schämte mich auch so, dass ich nicht mit Anne darüber sprechen konnte, sonst hätte sie mir wahrscheinlich sofort die Auskunft gegeben, dass das völlig normal sei, und mir die jahrelange Angst vor der Erektion meines Gliedes bei zärtlichen Berührungen mit meinen Freundinnen erspart und das unangenehme Gefühl, diese Versteifung als überaus peinlich und unpassend zu empfinden.

Für Kinder in unserem damaligen Alter sind die Erlebnisse, die sie haben, alle gleich wichtig und gleich unwichtig. Die sexuelle Erlebnisweise hat noch nicht die Dominanz, die sie in späteren Jahren bekommt. Und so war für uns am nächsten Morgen das nächtliche Erlebnis weitgehend vergessen und wir interessierten uns wieder mehr für die Größe der Löcher im Käse und in den Brötchen, die wir zum Frühstück aßen, als für unser nächtliches Abenteuer. Im Hinterkopf behielten wir die Geschichte aber doch und wir planten eine Wiederholung des Experiments in den Herbstferien bei meinen Großeltern.

Hier aber beherrschte – womit wir nicht gerechnet hatten – mein Opa die Szene und hielt sein Haus und dessen Bewohner in Ordnung. Er teilte uns zwar ein gemeinsames Schlafzimmer zu, stellte aber unsere Betten weit auseinander an die gegenüberliegenden Wände. Er verbot uns, das Zimmer abzuschließen und nachts unsere Betten zu verlassen, und drohte auch damit, unsere Folgsamkeit zu kontrollieren, was er dann allerdings nicht tat.

Es war auch nicht nötig. Denn seine mit großer Autorität ausgesprochenen Anweisungen wurden von uns brav befolgt, so dass über den vielen anderen Ferienaktivitäten, die Opa und Oma für uns organisierten, für die Entwicklung der vorehelichen Beziehungen keine Zeit mehr blieb. Trotzdem waren diese Ferien für uns ein paradiesisches Erlebnis und der Glückshöhepunkt unserer kurz befristeten Freundschaft.

Denn nach unserer Rückkehr in die Stadt sprach Annes Opa das vernichtende Urteil über mich aus, ich sei ein Angeber und Anne solle lieber die Finger von mir lassen. Anne erzählte mir, was ihr Opa gesagt hatte, und zeigte sich selber von diesem Spruch ziemlich unbeeindruckt. Aber für mich war dieses Urteil, da ich es innerlich richtig fand, vernichtend. Der feindliche Opa wohnte zudem noch in dem Haushalt von Annes Mutter und verleidete mir daher weitere Besuche bei Anne. Wir trafen uns zwar noch gelegentlich im Kino, aber da mein Vater in dieser Zeit eine Anstellung als Lehrer fand und jetzt wieder zu Hause wohnte, stellte meine Mutter ihre häufigen Besuche bei ihrer Freundin ein und somit versickerte unsere Liebe, und wir verloren uns bald fast völlig aus den Augen. Für mich war dies ein herber Verlust und der Beginn einer frühen Vereinsamung, einer von Hospitalismus und Neurosen befallenen Kindheit.

Aus dem Leben eines Liebhabers

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