Читать книгу Häuschen in der Grube - Jana Auerswald - Страница 14
ОглавлениеKrötenwanderungen
Ein Hausbau ist eine einmalige Sache, auch was das Kleingeld angeht, das man für so ein Projekt tief in der Baugrube versenkt. Leider war keiner von uns mit dem Schloss in Dubai, dem Stapeln der Goldbarren und dem Schürfen von Bitcoins derart überlastet, dass es eine Erlösung wäre, Teile des Vermögens in den Bau zu stecken.
Nach einem Kassensturz sahen wir uns gezwungen, die Bank um ihr Wohlwollen und um die Wunschkröten für unser Wunschhaus zu bitten. Und da mein vielbeschäftigter Mann sich zur Abwechslung doch einmal im Büro blicken lassen musste, übernahm ich die ersten finanziellen Sondierungsgespräche.
Als ich zum vereinbarten Termin die dörfliche Zasterhalle enterte, baute sich vor mir eine Dame älteren Baujahres auf. Eine Wolke schweren Parfüms waberte mit entgegen.
»Kann man Ihnen behilflich sein?«, fragte sie naserümpfend und mit hochgezogenen Augenbrauen.
»Ich habe einen Termin. Bei Herrn Läppert. Wegen unserer Baufinanzierung.«
Die Parfümwolke ließ ihren Blick indifferent über meine Erscheinung wandern und rang sich endlich durch, zum Telefon zu greifen. »Herr Läppert? Hier … ja … in Ordnung.«
Sie legte auf. »Sie dürfen durchgehen. Herr Läppert erwartet Sie bereits.« Dabei wies sie mit ihrem Zeigefinger in einen Gang, der in den hinteren Gebäudeteil führte.
Ich kam an winzigen Räumen vorbei, die links und rechts hinter Glastüren lagen und die nicht größer waren als Gefängniszellen. Ein Schild neben einer Tür gleich gegenüber den Toiletten war mit B. Läppert beschriftet. Ich klopfte und trat ein.
Der adrett gescheitelte Herr, altbacken wie Brot von letzter Woche, sah mich an, ignorierte die Hand, die ich ihm reichte und deutete wortlos auf den freien Stuhl gegenüber seinem Schreibtisch.
Ich beschloss, die unhöfliche Geste nicht persönlich zu nehmen, dafür das Gespräch aber schon einmal in Gang zu bringen. »Wir brauchen Geld. Viel Geld. Und das ganz schnell.«
Mein Gegenüber nickte und schwieg.
Ich wollte nicht lange herumdrucksen, sondern alle Karten sofort auf den Tisch legen. »Herr Läppert. Mein Mann und ich – wir wollen ein Haus bauen. Eigenkapital gibt es, zumal wir ein anderes Haus verkaufen. Aber das reicht nicht. Deswegen sind wir … bin ich heute hier. Um einen Kredit zu beantragen.«
Der Herr rückte sich die Krawatte zurecht, Schweißperlen standen auf seiner Stirn. »Entschuldigung, mir ist nicht …«
»Ihnen ist nicht klar, um welchen Betrag es geht? Ich habe Ihnen eine Liste mitgebracht.« Ich kramte aus meiner Tasche einen Stapel zusammengetackerter Papiere hervor. »Hier sehen Sie im Detail, was das Ganze ungefähr kosten wird, wie viel Geld wir haben, was wir an Eigenleistungen erbringen wollen und wie viele Mäuse wir von ihnen brauchen.«
»Nein, ich kann nicht …«
»Sie können sich nicht vorstellen, warum wir ausgerechnet zu Ihnen kommen? Ganz einfach: Ich habe im Internet gesehen, dass die Konditionen bei Ihrer Bank momentan hervorragend sind und hoffe, dass wir das Geschäft unseres Lebens abschließen werden. Da läppert sich schließlich einiges zusammen, nicht?«
Er fand das nicht lustig.
Ich nutzte die Gelegenheit und holte zu einem längeren Monolog aus, schwärmte von unseren Kontakten zu Bauleuten und zu Handwerkern und erläuterte unsere beruflichen Pläne, wodurch es machbar sei, die monatliche Annuität zu schultern. Mein Gegenüber saß reglos da, schwitzte und schwieg. Nur sein gelegentliches Blinzeln verriet mir, dass er noch nicht von uns gegangen war. Ich ließ mich nicht beirren, legte unsere finanziellen Rücklagen offen und erläuterte die Tabelle mit den Kosten, an der mein Mann und ich tagelang gefeilt hatten.
Als ich fertig war, wirkte Herr Läppert noch blasser. Was war los mit dem Mann? Hatte er einen miesen Tag? Oder eine Zahnwurzelentzündung?
»Geht es Ihnen nicht gut?«, fragte ich.
Anstatt zu antworten, schoss der plötzlich zum Leben Erwachte aus seinem Stuhl empor, riss die Glastür auf, die dabei fast zu Bruch ging, stürzte hinaus in den gegenüberliegenden Toilettenbereich und übergab sich geräuschvoll.
Ich hatte mit allen möglichen Reaktionen auf die Kreditanfrage gerechnet, nur nicht mit dieser. Beklommen saß ich auf dem Stuhl und bekam erste Zweifel, ob das der richtige Ort wäre, den Geldkoffer mit den nötigen Scheinchen zu ergattern. Vielleicht sollten mein Mann und ich doch auf einen Online-Anbieter zurückgreifen. Zumindest würden uns solche Dramen dann erspart bleiben.
Nach wenigen Minuten tauchte Herr Läppert wieder auf. Er sah etwas besser aus. Erleichtert ließ er sich auf seinen Bürostuhl fallen, der ächzend in die Knie ging. Dann strich sich der Herr über seinen nicht mehr ganz adretten Scheitel und rückte die Krawatte zurecht, auf der seit der letzten Aktion ein unschöner Fleck prangte.
»Bitte entschuldigen Sie. Mir war nicht wohl.« Er nahm einen Schluck Wasser aus einem Glas. »Also fangen wir mal an. Was kann ich für Sie tun?«
Jetzt war ich diejenige, der es die Sprache verschlug. Hatte ich doch lang und breit erklärt, was wir vorhatten.
»Aber, bevor Sie anfangen: Uns bleiben nur fünfzehn Minuten. Der nächste Termin …« Er trank sein Glas in einem Zug leer.
Jetzt galt es, das Vorhaben auf die Kernthesen zusammenzuschmelzen. Ich wiederholte in der Kurzfassung das, was ich vorher schon einmal erzählt hatte.
Herr Läppert klickte auf seinem Kugelschreiber herum, notierte etwas auf einem Block, addierte, subtrahierte, multiplizierte und runzelte seine Stirn. »Das ist alles schön und gut, jedoch sehe ich keine ausreichenden Sicherheiten. Das mit der Finanzierung wird schwierig werden.«
Ich erschrak. »Aber wir haben das Haus, das wir verkaufen.«
»Ja schon, aber das ist eine in die Jahre gekommene Immobilie, die nicht halb so viel wert ist, wie Sie sich wünschen. Bank und Verkäufer haben da immer ganz unterschiedliche Wertvorstellungen.«
Aus das Haus. Bauherrengraus. Ich sah alle Hoffnung dahinschwinden.
Herr Läppert strich sich erneut über den Scheitel und sah auf seine Armbanduhr. »Ich werde das alles durchkalkulieren und mit meinem Vorgesetzten erörtern. Ich kann Ihnen nichts versprechen.«
Was war hier los? Solle man nicht glauben, eine Bank würde Immobilienkunden, bei denen es wahrlich nicht um Kleckerbeträge ging, den roten Teppich ausrollen? Womöglich gab es das, nur nicht hier in dieser Dorfbank.
»Ich melde mich, sobald wir Ihren Antrag geprüft haben«, sagte Herr Läppert nach exakt vierzehn Minuten und fünfzig Sekunden Gesprächsdauer, erhob sich und reichte mir zum Abschied die Hand. Diesmal war ich diejenige, die nicht darauf reagierte. Man konnte ja nie wissen, welch übles Virus hier zugeschlagen hatte.
Er zog die Hand zurück. »Also gut. Sie hören von mir.«
Draußen war weit und breit kein nächster Termin zu sehen. Herrn Läppert mochte das recht sein: Gelegenheit für ihn, sich frisch zu machen.