Читать книгу Häuschen in der Grube - Jana Auerswald - Страница 15
ОглавлениеWünschen darf man
In der Zwischenzeit hatte mein Mann einen weiteren Termin in der Niehaus-Zentrale vereinbart, ohne das Thema Fertighaus noch einmal zu erwähnen. Und so fanden wir uns wenige Tage später erneut im Glaspalast ein.
Ich wuchtete einen Stapel Bauzeitschriften auf den Tisch und nahm neben meinem Mann Platz. Niehaus deutete nach dem üblichen Begrüßungsgeplänkel auf die bereitstehenden Getränke und sah uns fragend an. Beide schüttelten wir die Köpfe.
Niehaus nahm sich eine Flasche und öffnete sie zischend. »Wann wollen Sie denn überhaupt einziehen?«
»Nächstes Jahr im Sommer wäre gut«, sagte mein Mann.
Niehaus ließ das Wasser in ein Glas blubbern und nahm einen Schluck. »Das könnte passen. Zunächst brauchen wir einige Zeit für die Planung, vielleicht vier oder sechs Wochen – je nachdem. Dann reichen wir den Bauantrag ein und können einen Monat später anfangen, wenn alles gut geht. Beim Bau eines Hauses muss man mit einer Bauzeit von mindestens acht Monaten rechnen.«
»So lang?«, platzte ich heraus.
Niehaus sah mich prüfend an. »Die Sache ist die: Wir bauen Stein auf Stein, was schon mal einen Monat dauern kann. Wollen Sie einen Keller, müssen Sie dafür noch einmal zwei Monate draufschlagen – bei gutem Wetter. Der Estrich braucht seine Zeit zum Trocknen, der Putz auch. Beim Massivbau gibt es immer zeitintensive Abschnitte. Das summiert sich.«
Mein Mann nickte. »Wir können erst unterschreiben, wenn wir unser jetziges Haus verkauft haben. Und die Zusage der Bank fehlt auch noch.«
Niehaus trank sein Glas leer und stellte es auf die Seite. »Lassen Sie uns mit den Planungen schon einmal beginnen – ganz unverbindlich. Wenn Sie dann einen Käufer für Ihr Haus und die Kreditzusage haben, können wir umso schneller loslegen. Einverstanden?«
Ich blickte meinen Mann an und sein Nicken bestätigte mir, dass wir uns einig waren.
»Schön. Dann mal los.« Niehaus entnahm der Schublade einen Skizzenblock und schraubte einen goldenen Füller auf. »Haben Sie schon Vorstellungen, wie Ihr Architektenhaus aussehen soll?«
»Modern und schlicht«, sagte mein Mann. »Mit gerader Treppe und mit hohem Kniestock, damit man sich im Dachgeschoss nicht dauernd bücken muss.«
»Helle Räume mit bodentiefen Fenstern und Parkett. Und ein schöner Garten ringsherum«, sagte ich.
»Eine Doppelgarage und ein Keller mit ordentlich Stauraum«, sagte mein Mann.
»Die Zimmer der Kinder nicht zu klein.«
»… und sie sollen Dachfenster haben.«
»Jeder von uns braucht ein eigenes Arbeitszimmer«, fügte ich hinzu.
»Elektrische Rollläden brauchen wir auch. Ein Bussystem und eine Fotovoltaikanlage«, fuhr mein Mann, der gelernte Elektroniker, fort.
»… und eine Fußbodenheizung«, sagte ich, die Eisfüßlerin.
»Das Schlafzimmer im Obergeschoss mit einer Ankleide und einem eigenen Elternbad«, wünschte sich mein Mann.
Einen offenen Wohn-, Koch- und Essbereich mit Kaminofen wollten und sagten wir beide, während die Augen von Niehaus wie bei einem flotten Tischtennisspiel hin und her sprangen.
Ich schob Niehaus einige Bauzeitschriften hinüber, in denen ich die interessanten Seiten mit einem Eselsohr markiert hatte. Das waren fast alle.
»Schön. Wir haben einen ähnlichen Geschmack«, freute er sich beim Durchblättern. »Am besten ist, ich zeige Ihnen ein paar Grundrisse von Projekten, die wir schon realisiert haben. Ich denke, da wird etwas dabei sein, das Ihren Vorstellungen entspricht. Sie suchen sich einen Entwurf aus und den planen wir gemeinsam nach Ihren Wünschen um. Einverstanden?«
Ich nickte, mein Mann nickte. Niehaus kramte in einer der Schubladen seines Schreibtisches und zog Zeichnungen hervor, die er vor uns ausbreitete.
Wir blätterten und schauten.
»Hier! Das ist es!«, rief ich. Ich traute meinen Augen kaum: Vor uns lag eine Skizze, die bis auf einige Kleinigkeiten exakt unserem Traumhaus entsprach.
»Ja, das ist nett«, begeisterte sich auch mein Mann.
Schnell waren wir uns einig und stiegen in die Detailplanung ein. Wir optimierten die Wandstärke, zwängten einen Kamin zwischen Wohnzimmer und Treppenabgang und vergrößerten die meisten Fenster. Wir erhöhten den Kniestock, feilten an der Dachneigung für die Fotovoltaikanlage, verschoben Innenwände und planten Nischen für Einbauschränke ein.
Nach einer dreistündigen Sitzung waren wir erschöpft, aber glücklich. Es sah verdammt nach Traumhaus aus. Niehaus versprach, unsere Wünsche umzusetzen und sich baldmöglichst wieder zu melden.
Auf dem Weg zum Auto schlenderte ich vergnügt neben meinem Mann her. »Noch einen Termin, höchstens, dann sind wir mit der Planung durch.«
Der nickte. »Wir verkaufen zügig unser Haus, Niehaus macht den Bauantrag fertig und los gehtʼs.«
Als wir eine Woche später in die Niehaus-Zentrale zurückkehrten, war ich gespannt. Der Chef breitete die Pläne vor uns aus. Alle unsere Wünsche waren berücksichtigt worden: ein Baukörper mit dem vorgeschriebenen Satteldach, mit offenen Räumen und großen Fenstern. Es gab Dachfenster und eine Ankleide. Die Arbeitszimmer hatte Niehaus in den Keller geplant und außerdem noch Platz für eine Sauna geschaffen. Je mehr ich mich in die Pläne vertiefte, umso mehr verbiss ich mich in diesen Entwurf und meine anfängliche Hausbaulust wandelte sich zunehmend in Hausbaugier.
»Und? Gefällt Ihnen der Plan?«, fragte Niehaus.
»Wahnsinn! Der ist genial«, rief ich begeistert.
»Nicht schlecht«, sagte mein Mann.
Niehaus lehnte sich zufrieden zurück und spielte mit seinem Füllfederhalter. »Es gibt also nichts, das Sie ändern möchten?«
Ich ließ meinen Blick erneut über die Zeichnungen schweifen und schüttelte den Kopf.
»Es scheint alles in Ordnung zu sein. Ich denke, das können wir so lassen«, sprach mein Mann.
»Gut, das freut mich. Dann habe ich hier für Sie das Angebot.« Niehaus schob uns eine Mappe über den Tisch herüber.
Als ich sie öffnete und die Summe unter der Aufstellung sah, klappte meine Kinnlade herunter. Wünschen darf man, träumen sowieso. Aber diese Zahl katapultierte uns schneller in die Realität zurück als gedacht.
»Unmöglich. Das geht nicht«, sagte mein Mann, der seine Kinnlade noch im Griff hatte. »Das ist zu teuer. Das können wir uns nicht leisten.«
Niehaus seufzte. »Sie wissen, dass Qualität ihren Preis hat?«
»Ja schon, aber das hier«, mein Mann zeigte auf die Mappe, »das ist utopisch. Das kriegen wir finanziell nicht hin.«
Niehaus legte sich einen Block bereit »Es hilft nichts, wir müssen die Kosten verringern … damit aber auch den Leistungsumfang. Lassen Sie uns sehen, was möglich ist.« Er schob sich die Krawatte zurecht und schraubte den goldenen Füller auf. »Wir könnten ein Arbeitszimmer weglassen und Sie beide teilen sich ein Zimmer, sozusagen als Bürogemeinschaft.«
»Das geht nicht«, protestierte ich. »Ich brauche ein eigenes Zimmer und meine Ruhe.«
»Dann lassen wir die Garage weg, ein Carport reicht auch«, schlug Niehaus vor.
»Auf keinen Fall«, rief mein Mann entrüstet. »Ein Auto braucht eine Garage, die man zumachen kann. Ich will im Winter außerdem kein Eis kratzen.«
»Oder wir verzichten auf den Keller.«
»Um Gottes willen – nein!«, schrie mein Mann entsetzt. »Wo soll dann mein ganzes Zeug hin?«
Unter uns gesagt: Ich wüsste dafür eine Lösung. Aber lassen wir das an dieser Stelle.
In den folgenden Stunden loteten wir alle Optionen zur Kosteneinsparung aus, feilten an Details, reduzierten die Wohnfläche, verringerten die Wandstärke, änderten Fenster. Wir diskutierten, wir strichen und minimierten.
»Ich werde die Pläne ändern lassen und mich bei Ihnen melden«, versprach Niehaus.
»In Ordnung«, sagte mein Mann, packte seinen Laptop in die Tasche und zog den Reißverschluss zu. »Übrigens … was ist eigentlich mit einem Bodengutachten vor dem Bau? Sollen wir damit jemanden beauftragen, oder machen Sie das mit?«
»Gut, dass Sie das fragen. Nun, wir sind Generalunternehmer. Und bei einem Generalunternehmer ist ein Bodengutachten immer im Leistungsumfang enthalten. Machen Sie sich darum keine Sorgen.« Niehaus lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. »Außerdem haben wir in dem Baugebiet in Seelbruch schon ein Haus gebaut, bei dem es überhaupt keine Probleme gab. Wir arbeiten seit Jahren mit einem erstklassigen Statiker zusammen, der sich um die Sache kümmert. Sie brauchen sich da keine Sorgen machen.«
Der Mann war vom Fach, der sollte es wissen. Dass er allerdings zweimal sagte, wir sollten uns keine Sorgen machen, hätte uns Sorgen bereiten müssen.