Читать книгу Häuschen in der Grube - Jana Auerswald - Страница 16

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Von Maklern und Mäklern

Schon bald war uns klar geworden, dass es mit einer Handvoll Planungstreffen in der Niehaus-Zentrale nicht getan war. Das überarbeitete Angebot war deutlich besser, aber noch lange nicht perfekt, und so reihte sich wochenlang ein Termin an den nächsten. Ich hoffte nur, dass das nicht zu einer dauerhaften Gruppensitzung ausarten würde.

Mein baubeschäftigter Mann erschien immer seltener im Büro. Sein Chef spielte allmählich verrückt, Kollegen murrten, die, die noch nie gebaut hatten, waren neidisch. Schade nur, dass es keinen Sonderurlaub für Bauherren gab, wie die Mutterschutzfrist für Mütter: sechs Wochen vor und acht Wochen nach Fertigstellung des Hauses Beschäftigungsverbot gegen vollen Lohnausgleich, mit der Verlängerung auf zwölf Wochen für die, die ein Doppelhaus bauen. Und danach ein Jahr lang Einzugsgeld anstatt Elterngeld.

Wir wollten, dass es zügig voranging, also reizte mein Mann die Urlaubstage und die Geduld seines Chefs aus.

Inzwischen war es Juni geworden und wir hatten zunächst ein anderes Projekt zu stemmen: Wir mussten dringend unser altes Haus verkaufen, denn fände sich kein Käufer, würden wir uns die Idee mit dem Neubau aus dem Kopf schlagen und der Baufirma Niehaus absagen müssen. Freunde schwärmten von einem Makler, mit dessen Hilfe sie ihr Haus innerhalb weniger Tage zu einem sensationellen Preis verkauft hatten. Damals war es üblich, dass Käufer und Verkäufer jeweils die Hälfte des Honorars – also der Provision oder auch Courtage – hinzublättern hatten. Wir hofften, dass wir um die Zahlung herumkämen, denn einige Makler waren flexibler, was den Anteil für den Verkäufer anging und verzichteten teilweise darauf.

Unsere erste Anlaufstelle war die Dorfbank. Ich rief die Parfümwolke an. Schon einen Tag später tappte ein begrenzt sympathischer Herr stirnrunzelnd durch unser Haus, durch die Garage und den Garten, knipste hier und da Fotos, nickte und legte die Stirn erneut in Falten.

»Ich stelle Ihnen bis Ende der Woche ein Exposé zusammen«, war der erste Satz, den er von sich gab.

»Sehr schön, machen Sie das«, sagte ich. »Aber denken Sie daran, dass wir als Verkäufer keine Provision zahlen wollen.«

»Darüber werden wir uns schon einig. Passt ihnen ein Termin am kommenden Freitag?«, entgegnete der Herr betrübt und reichte mir und meinem Mann eine schlaffe Hand.

Ich wusste nicht, warum er kurz vor Abschluss eines Geschäftes so traurig war.

Den Termin am Freitag hätten wir uns sparen können. Wir erfuhren, dass uns dieser qualifizierte Alleinauftrag ein Jahr lang an den deprimierten Makler binden würde und wir während dieser Zeit selbst nichts unternehmen durften. Außerdem hätten wir die volle Provision zu zahlen.

»Ausnahmen sind nicht möglich. Das handhaben wir immer so«, bekamen wir zu hören.

»Hätten Sie das nicht gleich sagen können?«, bekam der Herr zu hören. »Wir hätten auf den Termin heute verzichten können.«

»Na ja«, er hüstelte. »Die meisten unterschreiben dann doch. Und wir haben als Makler schließlich eine Menge Aufwand – das müssen Sie verstehen.«

Mussten wir? Nein, definitiv nicht.

Unsere Herzensmaklerin fanden wir bei einer anderen Bank. Eine Kollegin sei zuständig und obendrein kurzfristig verfügbar, erfuhr ich von einem freundlichen Herrn mit Vollbart. Und man wäre gern bereit, bei einem Verkauf des Hauses auf die Verkäuferprovision zu verzichten. Das sei verhandelbar und in unserem Fall kein Thema. Und so vereinbarte ich zügig einen Termin.

»Ja, das ist doch mal eine herrliche Immobilie.« Freudestrahlend stöckelte die empfohlene Dame, eine attraktive Mittvierzigerin, die breite Waschbetontreppe zu unserer Terrasse empor, die der Eingangstür vorgelagert war.

Wir waren uns gleich sympathisch.

»Ach, na das ist ja mal schön«, konnte sie vor Begeisterung kaum an sich halten. »Sehr geschmackvoll.«

Sie tippelte hinter uns her durch alle Räume im Haus, an den Schnittlauchreihen im Garten entlang, in die Garage hinein und wieder hinaus und kriegte sich dabei gar nicht mehr ein vor lauter Entzücken.

»Total schick – Sie haben alles so hübsch renoviert!«, strahlte sie uns an.

Wir strahlten zurück. Ihre unbändige Freude ließ mich zweifeln, ob wir nicht komplett wahnsinnig waren, dieses Haus überhaupt abgeben zu wollen.

»Einfach herrlich. In diesem Zustand wird sich die Immobilie rasch verkaufen lassen, da bin ich sicher.«

Das hörte sich doch vielversprechend an.

Als der Rundgang beendet war, ließen wir uns im Schatten des Schlafbaumes auf der Sitzgruppe nieder. Wind strich um unsere Nasen, die Rosen im Garten dufteten.

»Was ist mit den Nachbarn?«, erkundigte sich die Dame. »Verstehen Sie sich gut?«

Da war sie, die Krisenfrage.

»Nachbarn?« Mein Mann zögerte. »Die sind friedlich. Etwas älter, aber …«, er rang nach Worten, »vor allem sehr nett.«

Ich spähte zur Maklerin hinüber, ob sie Verdacht geschöpft hatte. Hatte sie anscheinend nicht, denn sie nickte zufrieden und nippte an ihrem Glas.

»Ach – lassen Sie uns Du sagen, oder? Ich bin die Edeltraud. Trudi reicht.« Sie strahlte uns immer noch an.

Man konnte der Frau einfach keinen Wunsch abschlagen. Wir verrieten uns gegenseitig unsere Vornamen und stießen mit Eistee auf unsere neue Freundschaft an.

Die Trudi war perfekt als Maklerin. Ich sah sie deutlich vor mir, wie sie mit ihrer herzerfrischenden Art heimlose Seelen auf der Suche nach einem Dach über dem Kopf durch das Haus geleiten und mit ihrer Begeisterung umgarnen würde, bis diese nicht anders konnten, als augenblicklich ihre Unterschrift unter den Kaufvertrag zu setzen. Wir überlegten nicht lang und entschieden uns für diese Frau. Sie würde nicht mäkeln, sondern makeln. Und das ordentlich.

Bei einem Termin wenige Tage später unterschrieben wir den Vertrag, der nur den Käufer finanziell belasten würde. Dann harrten wir der zahllosen Interessenten, die nun kämen. Es waren nicht viele, die anriefen. Genau genommen meldete sich niemand.

In immer kürzeren Abständen rief ich Trudi an. »Ist der Verkaufspreis zu hoch?«, fragte ich sie.

»Nein, der ist absolut angemessen. Vertrau mir.«

Oder: »Hätte ich vielleicht aufräumen sollen, als du die Fotos für das Exposé geknipst hast?«, äußerte ich meine Bedenken.

»Nein, wirklich nicht. Das wird immer so gemacht.«

Oder: »Ist das Haus doch zu alt? Und zu renovierungsbedürftig?«, gingen mir langsam die Nerven durch.

»Beruhige dich. Ihr habt das perfekte Haus«, entgegnete Trudi mit ihrem ewig sonnigen Gemüt.

Auch mein Mann blieb entspannt. »Das dauert manchmal.«

Ich bekam trotzdem ernste Zweifel, ob wir das Richtige taten. Was, wenn kein einziger Mensch auf der ganzen Welt Interesse an unserem Haus hätte? Sollten wir aufgeben und alles so lassen, wie es war? Meine anfängliche Euphorie wandelte sich in Verzweiflung und kippte schließlich in Resignation. Nachts quälten mich Albträume, in denen unser Haus ein elendes Dasein fristete, verlassen, mit Moos bedeckt und von wuchernden Kletterranken überzogen, die in der bröckelnden Fassade ihre Wurzeln in die Ritzen des Mauerwerks bohrten, in dem längst seltene Reptilien hausten.

Zum Glück stand der Sommerurlaub auf dem Plan, der uns auf Abstand und auf andere Gedanken bringen würde.

Häuschen in der Grube

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