Читать книгу Geburtstage sind noch lange kein Grund, älter zu werden - Janna Hagedorn - Страница 11

Mehr Po wagen: warum mich Umkleidekabinen nicht mehr zum Weinen bringen

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Diese große Freiheit begegnet mir nicht nur vor dem Badezimmerspiegel, auch in Umkleidekabinen. Dabei war dieser Moment früher mein ganz persönlicher Horrorfilm. Mittlerweile fühle ich mich dort eher wie ein Kind im Spielzeugladen. Das liegt nicht an meinem Körper, sondern an meinem Kopf: Ich frage einfach nicht mehr, was ich für eine Hose tun kann – sondern, frei nach Guido Maria Kretschmer, was die Hose für mich tun kann.

So wie kürzlich in einer Boutique im Hamburger Schanzenviertel. »Nimm die Jeans lieber in Größe S«, sprach die blonde Verkäuferin und reichte mir eine apricotfarbene Röhre über die Schwingtür. »Aber normalerweise …«, wagte ich Widerspruch. »Glaub mir«, unterbrach sie mich im freundlich-autoritären Ton einer Erzieherin, die den Obstteller herumreicht, »ich weiß, was du brauchst.«

Auf dem Etikett der Hose stand »Please!«, und während ich halb amüsiert und halb irritiert in das Wunderteil mit den schrägen Nähten schlüpfte, dachte ich an früher. An die Zeit, in der ich zwölf, 13, 15 Jahre alt war und die Umkleidekabine der »Young Fashion«-Abteilung im Kaufhaus meiner Heimatstadt am liebsten nur mit Harry-Potter-Unsichtbarkeitsumhang verlassen hätte, hätte es den damals schon gegeben. Nicht dass ich jemals wirklich übergewichtig war – aber das zählte nicht. Es war schlimm genug, nicht ganz so fohlenhaft dünn zu sein wie die Mehrheit meiner Klassenkameradinnen. Vor allem in meinen Augen.

Was man nämlich häufig vergisst: Jahrzehnte ehe sich besorgte Mütter fragten, ob ihre Töchter durch GNTM-Dauerberieselung Essstörungen entwickeln könnten, waren schon wir eine Generation mit handfesten Wahrnehmungsproblemen. Es war nur noch kein Medienthema. Eher ein Schulhofthema. »Entenpopo«, das war noch einer der freundlicheren Spitznamen, die mir nachgerufen wurden. Anderen wären meine frühzeitigen Kurven vielleicht gar nicht aufgefallen, hätte ich nicht ungefragt alle in der großen Pause mit meinen chronischen Diätplänen unterhalten.

Geburtstage sind noch lange kein Grund, älter zu werden

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