Читать книгу Geburtstage sind noch lange kein Grund, älter zu werden - Janna Hagedorn - Страница 16

Ballast abwerfen: warum die Wechseljahre eine Chance sind, sich von Unwesentlichem zu befreien

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Kein Witz über forty-something-Frauen und das Thema Wechseljahre: Auch wenn es die meisten Frauen erst in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts spürbar betrifft, in unserem Hormonhaushalt ist schon vorher einiges im Umbruch. Und das macht einiges mit uns – nicht nur, dass wir uns endlich das Geld für Tampons sparen können. Brigitte Hieronimus, Biografie- und Wechseljahre-Beraterin aus Borken (Westfalen) hat in ihrer Praxis fast täglich mit forty-something-Frauen zu tun: In den Gesprächen geht es um die körperlichen, vor allem aber um die seelischen Herausforderungen rund um die Menopause.

Jetzt mal ehrlich, Frau Hieronimus: Was kommt da auf uns zu – und wie kommen wir da heil wieder raus?

Ihre Tätigkeitsbezeichnung ist nicht alltäglich: Sie arbeiten als Wechseljahre-Beraterin. Wie kommt man denn zu diesem Beruf?

Das hat mit meiner persönlichen Geschichte zu tun. Ich kam schon mit 46 in die Menopause …

… also in die Wechseljahre …

Sehen Sie, da fängt das Missverständnis schon an. Als Menopause bezeichnet man den Zeitpunkt, zu dem eine Frau ein Jahr lang durchgehend keine Regelblutung mehr gehabt hat. Die Wechseljahre dauern viel länger, denn die hormonelle Umstellung beginnt etwa fünf bis sieben Jahre zuvor und dauert auch nach Ausbleiben der Blutung noch mal genauso lange an. Aber Ihre Frage überrascht mich nicht, wir wissen tatsächlich zu wenig über die Vorgänge in unserem Körper und ihre Auswirkungen auf seelische und physische Gesundheit.

Wer sind Ihre Klientinnen, wer sucht Ihre Beratung?

Häufig sind das Frauen, die einen Vortrag von mir gehört haben und besser verstehen wollen, was in dieser Zeit mit ihnen passiert, auf allen Ebenen. Oft sind sie überrascht, wenn sie verstehen, dass die Wechseljahre gar nicht die einzige große hormonelle Umstellung im Leben einer Frau sind: Zum ersten Mal passiert das in der Pubertät, später im Leben vieler Frauen, wenn sie schwanger werden.

Ähnlich wie in der Pubertät sind körperliche Veränderungen in den Wechseljahren oft sichtbar: Frauen haben Gewichtsprobleme, klagen über trockene Haut, Pickel oder Haarausfall.

Ja, das sind typische äußere Anzeichen. Vor allem die Gewichtszunahme beschäftigt viele Frauen sehr – meiner Ansicht nach zu sehr. Denn man kann davon ausgehen, dass es sich dabei um einen natürlichen Schutzmechanismus handelt: Frauen in dem Alter brauchen ein paar Kilo mehr, um gesund zu bleiben! Erst mit siebzig ändert sich der Stoffwechsel wieder, dann beginnt biologisch eine neue Phase.

Wahrscheinlich ist der große Unterschied zur Pubertät der: Während bei jungen Mädchen die Zeichen auf Zukunft, auf Erwachsenwerden stehen und mit dem Versprechen von kommender Lust und Liebe einhergehen, empfinden Frauen die Wechseljahre eher als Abstieg: Jetzt wirst du alt, unfruchtbar, unattraktiv …

Ja, dieses Gefühl: Jetzt bin ich nicht mehr schön, jetzt werde ich nicht mehr gesehen, das ist sehr verbreitet. Viele Frauen arbeiten sich deshalb so sehr an den paar Kilos mehr an Po und Hüften ab, weil sie es schwer ertragen, auf sich selbst zurückgeworfen zu sein, sich Fragen stellen zu müssen: Wer bin ich eigentlich? Was macht mich aus, jenseits von Attraktivität und meiner Rolle als Partnerin, als Mutter?

Für manche Frauen ist das Eintreten der Wechseljahre auch ein endgültiger Abschied von einem Kinderwunsch – anders als bei Männern im vergleichbaren Alter ist damit biologisch einfach Schluss.

Ja, und viele merken erst jetzt, dass eine tiefe Enttäuschung in ihnen sitzt. Dass sie sich der Trauer und dem Abschiedsprozess stellen müssen. Unerfüllte Wünsche gehören zum menschlichen Leben, man kann sie akzeptieren und integrieren lernen – schwierig wird es eher, wenn Frauen sie sich nicht eingestehen und abwehren. Das setzt Seele und Körper unter Stress, das kann krank machen. Es hilft stattdessen, sich zu fragen: Wo kann ich auf geistiger Ebene fruchtbar sein, was kann ich schaffen und geben? Übrigens gilt das nicht nur für Frauen ohne Kinder, auch für Mütter. Wenn die Fürsorge für andere nicht mehr so gefragt ist, beginnt im besten Fall die Zeit der Selbstfürsorge: Ich habe mich lang genug um andere gekümmert, jetzt bin ich dran!

Wechseljahre sind also nicht nur körperlich, sondern auch psychisch herausfordernd?

Nicht allen Frauen bereitet diese Phase Probleme, manche fühlen sich aufgehoben in einem stabilen, liebevollen Umfeld. Aber viele neigen auch zu Stimmungsschwankungen, zu anscheinend grundloser Melancholie. Fragt man sie: »Was stimmt denn nicht in deinem Leben?«, dann finden sie jedoch meistens sofort eine Antwort. Das kann die Partnerschaft sein, die lieblos vor sich hindümpelt, das kann ein inneres Vakuum sein nach der Familienphase, wenn Kinder eigener Wege gehen und Aufgaben fehlen, die einen begeistern. Oder Überforderung, wenn zum Beispiel eigene Kinder noch klein sind und die eigenen Eltern schon Hilfe im Alltag brauchen. Es geht in diesem Moment noch gar nicht darum, die perfekte Lösung für sich zu finden, sondern Bilanz zu ziehen: Was ist es, das mich gerade herunterzieht und hemmt? Die Jahre zwischen Anfang und Ende vierzig sind die Zeit, in der alles auf dem Prüfstand steht. Man wird gleichzeitig reizbarer und offener für Neues.

Woran liegt das?

Das hat unter anderem ganz handfeste hormonelle Gründe: Der Östrogenspiegel sinkt, dadurch wird das körpereigene Testosteron stärker spürbar. Das heißt: Das Hormon, das uns weich, harmonisch, anlehnungsbedürftig macht, wird weniger, das Hormon, das uns durchsetzungsstärker, kampfeslustiger, sozusagen männlicher macht, übernimmt eher das Ruder. Das kann eine große Chance sein, eine Steilvorlage für das Leben: Nimm Dinge in Angriff, befreie dich von Ballast, erfinde dich neu! Auch die typischen Hitzewallungen sind ja ein Zeichen dafür: Da ist eine neue Energie in dir, mach was draus. Stattdessen wird dieser Wandel in der Persönlichkeit Frauen häufig zum Vorwurf gemacht: Jetzt sei doch nicht so zickig und anstrengend.

Ist es heute vielleicht sogar schwieriger und kränkender, in die Wechseljahre zu kommen, weil wir insgesamt gesünder und körperbewusster sind als die Generation unserer Mütter? Und plötzlich damit konfrontiert werden, dass unser Körper Zeichen von Alter zeigt, auch wenn wir noch sehr dagegen angehen?

Ja, da ist was dran. Daran hat die Psyche auf jeden Fall zu knacken, auch an der Vorstellung, dass jetzt Jüngere dran sind, das Ruder zu übernehmen. Es kann sich in der Tat kränkend anfühlen, wenn man selbst am Ende der reproduktiven Phase angekommen ist, während eigene Töchter gerade hineinkommen.

Was hilft Ihrer Erfahrung nach ganz pragmatisch gegen Wechseljahrbeschwerden, körperliche wie seelische? Haben Sie einen Tipp?

Ich bin keine Ärztin, deshalb halte ich mich mit Tipps zurück. Aber meine Erfahrung ist: Die meisten Frauen haben ihre Entscheidung schon getroffen, sie wollen nur abklopfen, ob ich ihnen zustimme. Ob eine Frau sich eher für Hormonpräparate oder für Homöopathie entscheidet, für Lauftraining oder Yoga, ist eine Frage der Lebenseinstellung, der inneren Präferenzen. Ich möchte in der Beratung lieber das eigene Denken anregen, die Frage stellen: Was glauben Sie denn, was Ihnen guttut? Allheilmittel gibt es ohnehin nicht.

Geburtstage sind noch lange kein Grund, älter zu werden

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