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3. Juden und Jüdinnen beten

Das jüdische Gebet ist im Kanon der Bibel in den Psalmen überliefert und zusammengefasst. Die Psalmen bilden das Gebetsbuch der Juden. Die Grundmelodie ist Israels Lob des Herrn, auch aus der Not und Bedrängnis, und im Jubel der Freude. Selbst ein von allen Mit-Juden abgeschnittener (oder mit fast allen anderen Juden verkrachter) Jude kann immer noch Jude sein und bleiben in der Verbundenheit mit Gott und dem Volk Gottes und den Gebeten der Psalmen. Wer die Psalmen liest, betet mit allen Jüdinnen und Juden der Welt mit. Ergriffenes und verstehendes Lesen der Psalmen ist Mit-Beten. Das Gebet stiftet diese Gemeinsamkeit der Juden und öffnet eine Türe der Gastfreundschaft für alle Gottespilger der Welt. Es schließt als Fürbitte auch die »Gottlosen« mit ein, die nicht beten wollen oder nicht können. Selbst wenn sie »verflucht« werden, werden sie nicht eigenmächtig eliminiert, sondern dem gerechten Urteil Gottes überlassen. Gott liebt seine Geschöpfe wie Kinder. Er liebt auch die garstigen Distelkinder, die »bösen Jungs und Mädels«. Diese sind nicht »verstoßen«; sie machen es sich selbst schwer. Sie bauen sich und anderen Mauern; doch das Lesen und Singen der Psalmen hilft, Mauern zu überspringen.

Mit meinem Gott kann ich über Mauern springen.

(Ps. 18, 30)29

Nicht Gott, sondern die Menschen selbst vertreiben sich aus dem Paradies, errichten Grenzen, bauen Mauern, meiden die Nähe Gottes, wollen ohne Gott (»autonom« und »autark«) sein. Der EWIGE dagegen will nicht ohne die Menschen sein. Auch darüber wundert sich der Psalmist. (Vgl. Ps. 8, 5)

Das Gebet vor Gott und zu Gott lässt sich nicht durch eine Beschreibung der rituellen Umstände und Verrichtungen, Tänze und Gesänge erfassen. Diese dienen dem Geist des Gebets und sind ihm unterzuordnen. Verstöße gegen den Ritus können demnach von Gott verziehen werden; ein »zweideutiges«, liebloses oder »unaufrichtiges« Gebet dagegen nicht.

Es gibt in der hebräischen Bibel nur vereinzelte Hinweise für die kultische Beteiligung der Frauen. Die Psalmen scheinen ausschließlich von Männern redigiert zu sein. Dagegen sind Frauen häufig ins kriegerische Geschehen einbezogen und haben da eine andere Rolle als die typischen Rollen von Braut, Gebärerin, Mutter und Hausfrau. In allen Gebeten können Frauen mitbeten. Als »Frauenpsalm« könnte allenfalls Ps. 131 gelten: Hier könnte ausnahmsweise eine Vorsprecherin mit der Erfahrung einer Mutter vorgesehen sein. Eine spezialisierte Spurensuche kann die Rolle der Frauen im Bereich der Psalmentexte rekonstruieren. Die Geschlechterdifferenzierung fällt in manchen hebräischen Ausdrücken ganz weg oder wird durch die männliche bestimmt. Die Gender-Forschung kann sich zwar vom Patriarchat in der Sprache und Lebenswelt der Bibel distanzieren, doch sie muss sich auch davor hüten, typisch moderne Unterscheidungen wie jene von Einzelperson und Volk oder feministisches Autonomiestreben auf die historischen Epochen zurückzuprojizieren.30

Wichtig ist für dieses Kapitel, dass Jesus zumindest aus jüdischer Sicht anerkannt wird, nicht so sehr als Messias, sondern zunächst als Joschua, (Psalmen-)Beter und Lebemeister, der auch das Leben eines Juden seiner Zeit führte.31 Bei aller Kritik an den »Pharisäern« ging er doch aus ihrer Mitte hervor; hingerichtet wurde er schließlich nach dem römischen Gesetz und unter dem Verdacht, ein weltlicher Aufrührer und Königsprätendent zu sein. Jesus konnte kein getaufter Christ sein oder werden. Vielleicht hätte er das auch in einem verlängerten Leben nicht gewollt. Er hatte sich ja bereits demütig der Taufe des Täufers unterzogen und die Verkündigung vom Reich Gottes fortgesetzt. Zum Hohepriester und Lamm Gottes wird er nachträglich ernannt.

Anmerkungen

29 Vgl. Erich Zenger: Die Psalmen. Auslegungen, Freiburg/Basel/ Wien: 2011, Bd. I, 7.

30 Vgl. Erhard S. Gerstenberger: Arbeitsbuch Psalmen, Stuttgart: Verlag Walter Kohlhammer 2015. Zum Überblick vgl. Hans Joachim Schoeps: Jüdische Geisteswelt. Zeugnisse aus zwei Jahrtausenden, Hanau: Verlag Werner Dausien, 1986. Zum jüdischen Gebet aus orthodoxer Sicht vgl. Gabriel Strenger: Die Kunst des Betens. Spiritueller Leitfaden zum jüdischen Gebetbuch, hebräisch-deutsch, Basel: Verlag Morascha 2019.

31 Zur Vertiefung und Verbreitung der jüdischen Jesus-Forschung beigetragen haben u. a. Joseph Klausner, Schalom Ben-Chorin, Pinkas Lapide und David Flusser. Vgl. auch die Titel von Abécassis, Baltes, Homolka, Liss und Weiland. Aus evangelikaler Sicht Arnold G. Fruchtenbaum. Vgl. Bibliographie.

Poesie und Denken in den Psalmen

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