Читать книгу Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe) - Jean-Jacques Rousseau - Страница 63

Sechsundfünfzigster Brief.
Clara an Julie.

Оглавление

Inhaltsverzeichnis

Ich habe dir eine Nachricht zu geben, liebe Julie, die von Wichtigkeit für dich ist. Gestern Abend hatte dein Freund mit Milord Eduard einen Streit, der ernsthaft werden kann. Höre, was ich darüber von Herrn von Orbe weiß, der zugegen war, und der, in Unruhe wegen der Folgen dieses Handels, heute Morgen zu mir kam, um mit mir darüber zu sprechen.

Sie hatten beide bei Milord zu Abend gegessen; nachdem eine oder ein Paar Stunden musicirt worden war, setzten sie sich, um zu plaudern und Punsch zu trinken. Dein Freund trank nur ein einziges Glas mit Wasser gemischt; die beiden Anderen waren nicht so mäßig, und obgleich Herr von Orbe nicht zugesteht, daß er berauscht gewesen, behalte ich mir doch vor, ihm zu einer anderen Zeit meine Meinung darüber zu sagen. Die Unterhaltung fiel natürlich auf dich, denn dir ist nicht unbekannt, daß Milord von nichts zu sprechen liebt als von dir. Dein Freund, dem vertrauliche Aeußerungen dieser Art nicht behagen, nahm sie mit so wenig Freundlichkeit auf, daß zuletzt Eduard, vom Punsch erhitzt und durch die Trockenheit des Anderen gereizt, sich zu sagen unterstand, indem er über deine Kälte klagte, sie wäre nicht so allgemein, als man glauben möchte, und daß ein Gewisser, der sich kein Wort merken ließe, keineswegs so übel behandelt würde wie er. Im Augenblick verwies ihm dein Freund, dessen Lebhaftigkeit du kennst, diese Rede mit einer so beleidigenden Heftigkeit, daß ihm der Andere Lüge an den Hals warf, und sie sprangen nach ihren Degen. Bomston, halb berauscht, verrenkte sich im Aufspringen den Fuß dergestalt, daß er sich niedersetzen mußte. Sein Bein schwoll im Augenblick, und dies stillte den Zwist besser als alle Mühe, die sich Herr von Orbe deswegen gegeben hatte. Aber da er auf Alles achtete, was vorging, sah er, daß sich dein Freund im Hinausgehen dem Ohre Milord Eduard's näherte, und hörte ihn halblaut sagen: „Sobald Sie im Stande sein werden, auszugehen, lassen Sie es mich wissen, oder ich werde nicht unterlassen, mich danach zu erkundigen." „Sparen Sie die Mühe," sagte Eduard mit einem spöttischen Lächeln; „Sie sollen bald genug von mir hören," „Wir werden sehen," antwortete dein Freund kalt und ging hinaus, Herr von Orbe, der dir diesen Brief bringt, wird dir Alles noch ausführlicher erzählen. Ich vertraue deiner Klugheit, die dir Mittel eingeben wird, diese leidige Affaire zu ersticken oder mir anzugeben, was ich meinerseits dazu thun kann. Inzwischen ist der Ueberbringer zu deinem Befehle, er wird Alles thun, was du von ihm forderst, und du kannst auf seine Verschwiegenheit rechnen.

Du richtest dich zu Grunde, meine Theure; meine Freundschaft muß es dir sagen; das Verhältniß, in welchem du lebst, kann in einer kleinen Stadt, wie diese ist, nicht lange verborgen bleiben, und es ist ein Wunder von Glück, daß du seit zwei Jahren, daß es dauert, noch nicht ins öffentliche Gerede gekommen bist. Es wird aber geschehen, wenn du dich nicht vorsiehst; es wäre schon geschehen, wenn du nicht so beliebt wärest; aber es widerstrebt aller Welt so sehr, schlecht von dir zu sprechen, daß es ein schlechtes Mittel wäre, sich schönen Dank zu verdienen, und das beste, sich verhaßt zu machen. Jedoch Alles hat seine Grenze: mir bangt davor, daß die des Geheimnisses für deine Liebe gekommen ist, und es ist sehr wahrscheinlich, daß Milord Eduard's Argwohn schon von irgend einer übeln Nachrede herrührt, die er gehört haben mag. Bedenke das wohl, liebes Kind! Der Wächter sagte vor einiger Zeit, er habe deinen Freund um fünf Uhr Morgens von dir herauskommen sehen. Zum Glück war dieser selbst einer der Ersten, der davon hörte; er lief zu dem Manne und es gelang ihm, ihn zum Schweigen zu bringen; aber was ist ein solches Schweigen anders als das Mittel, dumpf umlaufenden Gerüchten noch mehr Glaubwürdigkeit zu geben? Das Mißtrauen deiner Mutter nimmt ebenfalls von Tage zu Tage zu; du weißt, wie oft sie es dir hat zu verstehen gegeben; sie hat auch mit mir in ziemlich harten Ausdrücken darüber gesprochen, und wenn sie nicht die Gewaltthätigkeit deines Vaters fürchtete, ist nicht zu zweifeln, daß sie auch Dem schon davon gesagt hätte; aber sie wagt es um so weniger, weil er immer ihr die meiste Schuld an einer Bekanntschaft beimessen wird, die dir von ihr kommt.

Ich kann es dir nicht oft genug wiederholen, denke an dich, so lange es noch Zeit ist; entferne deinen Freund, ehe über euch geredet wird, komm dem aufkeimenden Verdachte zuvor, den seine Abwesenheit zuverlässig ersticken wird; denn was soll man endlich glauben, daß er hier macht? In sechs Wochen, in einem Monate ist es vielleicht zu spät. Wenn deinem Vater das kleinste Wort zu Ohren käme, zittre vor dem, was aus dem Zorn eines alten Soldaten, dem die Ehre seines Hauses im Kopfe steckt, und dem Ungestüm eines hitzigen jungen Mannes, der nichts erträgt, alles werden kann; aber fürs Erste müssen wir auf eine oder die andere Art den Handel mit Milord Eduard erledigen; denn du würdest deinen Freund nur aufbringen und dir eine gerechte Weigerung zuziehen, wenn du ihm von Entfernung sprächest, ehe derselbe abgemacht ist.

Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe)

Подняться наверх