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2.2.3.1. Genus

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Bereits im 19. Jh. vermuteten Sprachhistoriker, dass Flexionsverlust insbesondere im Norden zur Verwirrung über Genuszuweisung geführt hatte. Im gesprochenen Holländischen kamen het (‚das‘) und de (‚die‘, ‚der‘) als bestimmte Artikel zu den entsprechenden Substantiven zur Anwendung. Durch n-Apokope war eine im Mnl. noch öfters vorkommende Markierung des maskulinen Genus sowohl im Akkusativ als manchmal auch im Nominativ mit dem flektierten den weggefallen. In der Folge waren Unterschiede zwischen Maskulinum und Femininum namentlich im Norden gelegentlich höchstens noch im Genitiv hörbar, soweit er nicht mit dem Pronomen van (‚von‘) umschrieben wurde. So hatte sich in der gesprochenen Sprache neben dem Neutrum ein Genus commune für einen Grossteil der Substantive der de-Klasse herausgebildet. Trotzdem versuchten Sprachkundler seit der frühen Neuzeit, Regeln für drei Genera, nämlich Neutrum, Maskulinum und Femininum festzulegen.

Angaben zum Wortgeschlecht waren nicht nur gefragt, um in der Schriftsprache den erwünschten Kasus zu markieren, sondern auch um die Pronominalbezeichnung zu wählen: musste man sich beispielsweise mit hij (‚er‘) oder mit zij (‚sie‘) auf ein Substanstiv wie wereld (‚Welt‘) beziehen, wenn die Genuszuweisung von ‚de‘ wereld umstritten war? Ebenso war unklar, ob das Possessiv zijn (‚sein‘) oder haar (‚ihr‘) in Bezug auf wereld zu wählen war: zijn schepper (‚sein Schöpfer‘) oder haar schepper (‚ihr Schöpfer‘)? Da die in der frühen Neuzeit aufgestellten Vorschriften nicht ausreichten, um für jedes Substantiv der de-Klasse den Genus zu bestimmen, veröffentlichten Grammatiker, so Christiaan van Heule bereits 1625, immer wieder Wörterlisten mit Angaben zum Genus. Wie sehr das als Problem empfundene Wortgeschlecht die Benützer der Schriftsprache beschäftigte, zeigt die Nachfrage nach David van Hoogstratens Aenmerkingen over de geslachten der zelfstandige naemwoorden (‚Bemerkungen zum Geschlecht der Hauptwörter‘, 1700). Diese 200 Wörter zählende Liste von Substantiven mit Angaben zum Wortgeschlecht wurde im 18. Jh. sechs Mal neu aufgelegt.

In seiner immerhin verbindlichen Grammatik basiert Weiland 1805 die Hauptregel zum Wortgeschlecht auf der problematischen Annahme, dass Begriffe, die Grösse, Kraft, Wirksamkeit und Schrecken einschliessen, männlich seien; weiblich wäre alles, was schwach, sanft, fruchtbar, schön beziehungsweise angenehm ist oder Leid erduldet; alles was die erwähnten Eigenschaften entbehrt oder sich nicht eindeutig bestimmen lässt, wäre Neutrum. Für Muttersprachler war die letzte Regel übrigens überflüssig: es war nie problematisch gewesen, die Klasse der Neutra mit dem dazu passenden Artikel het zu erkennen. Zur Einteilung der Kategorien Maskulinum und Femininum räumt der Verfasser ein, dass es trotz der Hauptregel bei vielen einzelnen Wörtern sehr schwierig, wenn nicht unmöglich sei zu erklären, welches Wortgeschlecht sie besitzen. In der Folge stellt er sage und schreibe weitere vierzig Regeln auf, die es dem Sprachbenutzer ermöglichen sollen, das Genus eines Substantivs festzustellen.

Inzwischen hatte Bilderdijk eine Verhandeling over de geslachten der naemwoorden in de Nederduitsche taal (‚Abhandlung zu den Geschlechtern der Nomina in der niederländischen Sprache‘, 1804) veröffentlicht. Er lehnt die Arbeitsweise Van Hoogstratens ab, der sich an der Verwendung des Genus durch bedeutende Schriftsteller wie Pieter Cornelisz. Hooft und Joost van den Vondel orientiert hatte. Nicht zu Unrecht stellt Bilderdijk fest, dass diese Autoren in der Handhabung des Wortgeschlechtes unzuverlässig waren. Dafür geht er bei der Bestimmung des Genus von der Wortform aus. So wären Substantive, ‚die sich aus einem Adjektiv oder einem Partizip‘ entwickelt hätten, feminin, denn sie seien als Eigenschaftswörter von einer Selbstständigkeit abhängig und in der Folge weiblich. Aus einem Verb entstandene Wörter seien maskulin, während aus einem Infinitiv hervorgegangene Substantive sächlich wären. Weiter berücksichtigte Bilderdijk Suffixe wie -heid (‚-heit‘), um das Genus zu bestimmen. Öfters lässt er beim Genus commune offen, ob das betreffende Wort maskulin oder feminin ist, da er auch den Sprachgebrauch beachtet, der oft widersprüchlich ist. Bilderdijks auf diesen Ausgangspunkten beruhende zweibändige Geslachtslijst der Nederduitsche Naamwoorden (‚Geschlechtsliste der niederländischen Nomina‘ 1822) trug, wie u.a. Van der Wal und Van Bree mit Recht bemerken, nur zur Verwirrung des Wortgeschlechtes in der Schriftsprache bei, statt sie zu lösen. Mancher Zeitgenosse kritisierte Bilderdijks Genuszuweisung denn auch. So bezeichnete der in Düsseldorf geborene Jurist Laurens Philippe Charles van den Bergh, Bibliothekar der Maatschappij der Nederlandse Letterkunde, Bilderdijks Lehre des Wortgeschlechtes als ein Luftschloss, das sich nachteilig auf weitere Forschung auswirke. Trotzdem sollten später erschienene Listen bezüglich Wortgeschlecht, so die 1866 veröffentlichte Woordenlijst (‚Wörterliste‘) von De Vries und Te Winkel (vgl. 3.2.1.), nicht stark von Bilderdijks Geslachtslijst abweichen.

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