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Vier

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Leicht außer Atem gelangte ich an die Straße, die ich überqueren musste, um das Rondas zu erreichen. Das Auto ließ ich meistens stehen, damit ich nicht unnötige Spritkosten hatte. Mittlerweile hatte ich mich ganz gut an das zu Fuß gehen gewöhnt. Aber als ich so dastand und auf dieses verdammte Gebäude, was mir so sehr zum Halse raushing, starrte, drehte sich mir der Magen um. Ich wollte in diesen Laden nicht rein. Von Leuten herumgeschubst zu werden und immer am Limit zu arbeiten, nur weil sich andere gerne ein entspanntes Leben machten, machte einfach keinen Spaß. Einer der wenigen Gründe, warum ich hier überhaupt noch auftauchte waren Richard und Paula und natürlich das liebe Geld.

Das Rondas war ein Lokal für Spießer und die konnten mir immer mehr gestohlen bleiben. Was anfangs noch spannend und aufregend war, war jetzt nur noch nerv tötend. Dieses langweilige Gebäude war direkt zwischen einem Kiosk und einem Buchladen gequetscht. Und der Pflanzenkübel am Eingang machte das Portal zur Hölle auch nicht besser. Lediglich die beiden Mitarbeiter, die inzwischen gute Freunde von mir waren, spornten mich an. Zögernd stand ich da und knabberte nachdenklich an meiner Lippe. Frust stieg in mir auf und verwandelte sich immer mehr in Verzweiflung. Es musste doch etwas anderes für mich geben. Wenn ich doch einmal den Mut hätte, einfach mal eine Krankmeldung ins Haus flattern zu lassen. Ich könnte mich krankmelden und auf ein Getränk ins Harrys gehen und vielleicht sogar erneut einen schönen Abend mit John verbringen. Hin- und hergerissen trat ich von einem Bein auf das andere. Nur einmal im Leben aus der Reihe tanzen…

Wie von der Tarantel gestochen, kramte ich mein Smartphone aus der Tasche und tippte eilig eine Nachricht:

Hallo Pete, entschuldige die späte Nachricht, aber ich bin heute leider komplett ohne Stimme. Daher schreibe ich dir auch, anstatt anzurufen. Du würdest mich nicht hören können. Ich hatte den ganzen Tag gehofft, dass es noch besser wird, aber es wird immer schlimmer. Hoffe ihr schafft das ohne mich! Melde mich, wenn es mir bessergeht. Gruß Emily

Senden.

Ich atmete laut aus und verstaute mein Handy eilig in meiner Tasche. Jetzt musste ich hier verschwinden, bevor mich noch jemand sah, denn bald begann meine Schicht. Mit einem unsicheren Grinsen und einem innerlichen Triumphgefühl über meine rebellische Art, machte ich auf dem Absatz kehrt und ging die Straße zurück, von der ich gekommen war. Mein Herz pochte und ich fühlte mich einerseits so gut, dass ich mich selbst kaum verstand, andererseits taten mir Richard und Paula sehr leid. Aber es war nur ein Abend. Einen Abend, an dem ich das tat, was ich wollte. Irgendwie wollte ich jetzt auf Johns Angebot, mich bei ihm auszuheulen, zurückkommen. Immerhin hatte mir das Gespräch gestern ziemlich gutgetan. Und mein Herz schlug bei dem Gedanken daran, ihn wiederzusehen einfach zu schnell, als dass ich das ignorieren konnte.

Nachdem sich mein Puls allmählich wieder normalisiert hatte, erreichte ich das Harrys. Ich war gespannt, ob ich John wohl dort vorfinden würde. Doch was, wenn nicht? Erst jetzt kam mir in den Sinn, dass er vielleicht gar nicht da sein würde? Wollte ich wieder alleine in einer Ecke sitzen und über mein langweiliges Leben nachdenken und dabei mitleidige Blicke auf mich ziehen? Mist! Ich hatte gar nicht ausgiebig darüber nachgedacht, sondern zu vorschnell gehandelt. Aber nun stand ich direkt vor dem Eingang und haderte mit mir, ob ich hineingehen sollte oder nicht. Meine Neugierde war zu groß und mit der Krankmeldung war ich so oder so schon zu weit gegangen. Ich machte einen festen Schritt und ging durch die Eingangstür meiner Lieblingsbar.

Da es gerade erst 18 Uhr war, erwartete ich noch nicht allzu viele Gäste. Es war relativ ruhig und nur wenige Menschen hatte es hier her verschlagen. Mit vorsichtigen Schritten schaute ich mich um und plötzlich machte mein Herz einen Satz. Da saß er. Weiter hinten in einer Ecke und starrte auf sein Smartphone. Entschieden trat ich auf seinen Tisch zu und blieb vor ihm stehen, so wie er es am Abend zuvor bei mir getan hatte.

„Bin ich hier richtig bei der Seelsorge?“, scherzte ich. Erschrocken blickte er auf. Er hatte mich gar nicht kommen sehen. Dann lockerte sich sein Gesicht und er lachte überrascht. „Allerdings, da sind Sie hier genau richtig.“ Er deutete mit einer Hand auf den Platz vor ihm und ich ließ mich langsam sacken. „Dann habe ich ja Glück.“ „Sagten Sie nicht gestern, dass Sie arbeiten müssten?“

Schulterzuckend lächelte ich. „Sagte ich nicht auch gestern, dass ich meinen Job hasse? Und was halten Sie eigentlich vom Du? Ich fühle mich so alt, wenn mich jemand siezt“, gab ich verlegen zu. Ich versuchte nicht allzu rot zu werden im Gesicht.

„Was soll ich denn erst sagen? Mit meinen 33 Jahren fühle ich mich nicht nur alt, wenn mich jemand siezt.“

Ich lachte und versuchte sein Alter zu ignorieren. 33 Jahre. Er war ganze neun Jahre älter als ich. Da musste ich ein paarmal schlucken. Neun Jahre! Lindsay würde ganz schön dumm aus der Wäsche gucken, wenn ich ihr erzählte, was ich hier tat. Aber vermutlich würde sie den Altersunterschied spannend und prickelnd finden, so wie ich sie kannte. Ich lächelte bei dem Gedanken. Instinktiv schaute ich auf seine Hände, die er gefaltet auf dem Tisch liegen hatte. Kein Ehering. Dann schaute ich ihn wieder an und lächelte noch breiter. Was nicht heißen musste, dass er keine Freundin hatte, aber immerhin war er alleine hier. Ich würde ihn im richtigen Moment danach fragen.

„Gut, dann sind wir uns ja einig“, strahlte ich dann und machte der Kellnerin ein Zeichen, dass ich ein Wasser bestellen wollte.

„Nun, wo Sie … du da bist … ich wollte dich gerne etwas fragen“, begann John vorsichtig und kam ein kleines Stückchen näher über den Tisch. Fragend schaute ich ihn an. „Und das wäre?“

„Ich weiß, dass wir uns kaum kennen und das macht es vielleicht ein bisschen einfacher, aber schon gestern, als ich dich gesehen habe, hatte ich so eine Idee.“ Er schaute auf sein Glas und wich jedem meiner skeptischen Blicke aus. Aber jetzt war ich erstrecht neugierig. Ich bedeutete ihm, weiter zu sprechen.

„Okay“, zögerte er, „das wird jetzt ziemlich verrückt klingen, aber vielleicht auch nicht. Das wirst du ganz alleine entscheiden müssen.“

„Nun los, spanne mich nicht so auf die Folter. Was kann so schlimm sein?“, fragte ich.

Nachdenklich nahm er einen tiefen Schluck aus seinem Glas. Nachdem er es etwas zu sehr mit Nachdruck auf den Tisch gestellt hatte, wischte er sich nervös über den Mund.

„Wie spontan und verrückt bist du?“

Die Frage kam mir vor wie in einem Bewerbungsgespräch und völlig unerwartet. Grübelnd zupfte ich am Kerzendocht des kleinen Teelichts vor mir. „Verrückt sicherlich ziemlich. Spontan gar nicht. Aber man kann ja über alles reden.“ Ich lachte wieder, aber dieses Mal ziemlich unsicher. Nervös strich ich mir meine welligen Haare hinter die Ohren, die immer wieder drohten ins Gesicht zu fallen.

„Ich habe dir doch gestern von meinem Vater erzählt. Über seine Ansichten von einem gesitteten Leben.“

Ich nickte, nachdem ich mir das Gespräch von gestern Abend in Erinnerung rief.

„Nun ja, das Ding ist, dass er mit meiner Art zu leben nicht wirklich zurechtkommt. Er ist oft der Meinung, dass ich nicht das Leben führe, was er sich für mich wünschen würde. Mit Frau, mit Kind, in einem eigenen Haus und mit besten Absichten ein ruhiges Leben zu führen. Allerdings kann ich ihm das nicht immer so ganz erfüllen. Höchstens die Sache mit dem Haus. Aber selbst an dem findet er etwas auszusetzen.“ Er kratzte sich verlegen am Hinterkopf und ich legte die Stirn in Falten. Warum erzählte er mir das jetzt und vor allem, was hatte das mit mir zu tun? Na, immerhin beantwortete er mir so meine unausgesprochene Frage nach einer Freundin.

„Um es kurz zu machen, er möchte, dass ich weniger Party mache, weniger trinke und mich mehr auf eine Freundin konzentriere und mir ein Familienleben aufbaue. Sonst wird er mich nämlich nicht zum Nachfolger seiner Firma machen.“

Ich schluckte überrascht. „Verstehe ich das richtig? Wenn du nicht angemessener lebst, oder vielmehr so lebst, wie dein Vater es sich wünscht, überschreibt er dir die Firma nicht?“

Er nickte mutlos und starrte auf sein Glas. Ich überlegte, was ich darauf erwidern sollte. Natürlich war das eine schwierige Situation, in der er sich befand, aber unangenehm war es dennoch, dass er es mir so offen erzählte. Daher schaute ich betroffen und hoffte, dass wir das Thema bald wechselten. „Sagen wir mal so: Ich lebe eher von einem Tag in den nächsten und genieße mein Leben in vollen Zügen. Manchmal vielleicht auch ein bisschen zu exzessiv. Das gefällt meinem Dad gar nicht. Und wenn das so weitergeht, dann wird er Douglas die Firma überschreiben.“

„Und Douglas hat das Unternehmen nicht verdient“, beendete ich seinen Satz. Zustimmend hob und senkte er seinen Kopf wieder und wirkte mit einem Mal nicht mehr so strahlend und heiter wie gestern Abend. Es gefiel mir gar nicht.

„Das tut mir wirklich sehr leid für dich“, gestand ich und rutschte nervös auf meinem Stuhl hin und her, „aber, warum genau erzählst du mir das?“

John schnaubte kurz und schien sich seine Worte im Kopf zurechtzulegen. Langsam wurde mir etwas unwohl. Von der lockeren Atmosphäre zwischen uns war mittlerweile nichts mehr zu spüren.

„Du sagtest, du hasst deinen Job, richtig?“

Zögernd nickte ich. „Hassen ist ein schlimmes Wort. Ich mag ihn nicht, sagen wir es mal lieber so.“

„Vielleicht hätte ich einen besseren für dich“, sagte er dann ein wenig euphorischer.

„Ach ja?“

„Was würdest du sagen, wenn ich dir eine Menge Geld bezahlen würde, damit du … sozusagen… also … wenn du vor meinem Vater meine Freundin spielen würdest?“

Ungläubig schaute ich ihn an. „Das ist ja wohl ein Witz.“

Im selben Augenblick musste ich so laut lachen, dass sich die Menschen in der Bar zu mir umdrehten. Tränen rannten mir über die Wangen und mein Bauch zog sich schmerzhaft zusammen. Mein Lachen war beinahe hysterisch. Ungläubig. Ich wusste kaum anders darauf zu reagieren. Als ich fertig gelacht hatte, griff ich hastig nach dem Glas das mir die Kellnerin stirnrunzelnd vor die Nase stellte und trank einen tiefen Schluck.

Ich blickte direkt in Johns ernste Augen und da war mir klar, dass es sich hier nicht um einen Scherz handelte. „Du meinst das ernst.“

„Sehr sogar.“

„Das ist das Dümmste, was ich jemals gehört habe. Entschuldige aber, nein … Nein wirklich nicht.“ Ich schaute von links nach rechts, um sicher zu gehen, dass niemand diese merkwürdige Unterhaltung mitbekam. Ich konnte sie ja selbst kaum verstehen.

„So dumm ist es gar nicht. Ich bezahle dich und du spielst einfach ein bisschen meine Freundin“, verteidigte er sich , als wäre es das Normalste der Welt.

„Du hast sie nicht alle. Ich glaube, du hast ein bisschen zu oft Pretty Woman geguckt“, stellte ich lachend fest, „so viel könntest du mir gar nicht bezahlen. Außerdem bin ich doch keine …“

„Ich habe noch eine ganze Menge Gespartes. Und wenn Dad mir die Firma überschreibt, dann habe ich mehr als genug“, unterbrach er mich. Sein Gesicht war ernst, was mir schlagartig ein ganz anderes Bild von ihm vermittelte. Alles, was ich gestern Abend noch über ihn gedacht hatte, war mit einem Mal wie weggeblasen. Die Fahrtrichtung hatte sich geändert und ich fühlte mich nicht mehr so wohl in seiner Gegenwart.

„Ich sollte gehen“, sagte ich lediglich und wollte mich gerade vom Stuhl erheben, als er mich schnell am Arm packte. „Emily, bitte. Höre es dir nur einmal an. Dann kannst du immer noch gehen.“ Seine nussbraunen Augen, die mir gestern noch so positiv aufgefallen waren, wirkten jetzt beinahe flehentlich.

„Ich habe genug gehört“, antwortete ich und blickte zornig auf seine Hand an meinem Arm, die er eilig wieder wegzog.

„Bitte“, wiederholte er mit Nachdruck. Das Ganze war so lächerlich. Ich stöhnte genervt und blickte mich noch einmal um, dann ließ ich mich langsam auf den Stuhl zurückfallen. Vor meiner Brust verschränkte ich die Arme. „Na los, rede! Aber schnell. Das ist ja die reinste Freakshow. Wäre ich bloß arbeiten gegangen …“

„Mein Vater wird in ein paar Monaten die Firma abgeben und sich zurückziehen. Er ist jetzt 65 und möchte die Firma in vertrauensvollen Händen wissen. Ich bin sein einziges Kind, sodass ich dachte, dass er mir die Firma eines Tages so oder so überschreiben würde. Ich habe mich wirklich bemüht, aber er ist niemals zufrieden mit mir. Und Douglas, dieser verdammte Schleimer, hat sich beim meinem Vater so tief in den Arsch …“

„Überspring das bitte!“

„Also, er hat … mein Dad möchte lieber ihm die Firma geben, als mir, wenn ich mich nicht langsam mal ändere, eine Freundin finde und so weiter.“

„Und deswegen willst du dir eine kaufen?“, schnitt ich ihm das Wort ab.

„Nicht unbedingt kaufen, eher meinem Glück auf die Sprünge helfen“, stammelte er und versuchte ein aufmunterndes Gesicht zu machen.

„Du willst, dass ich mich verkaufe?“, hakte ich ungläubig nach. „Das kannst du echt nicht ernst meinen. Was glaubst du denn, was ich bin? Ein Escort-Girl?“ Kopfschüttelnd erhob ich mich wieder. „Tut mir leid, da musst du dir jemand anderes suchen. Die Straße runter zum Beispiel, da stehen samstags Nacht immer mehr als genug, wenn du verstehst, was ich meine. Die freuen sich vermutlich über jeden Hunderter mehr in der Tasche. Aber ich verdiene mir mein Geld lieber ehrlich. Und wegen dir verdiene ich heute Abend gar nichts, denn ich bin einfach nicht zur Arbeit gegangen. Wie konnte ich nur so naiv sein und glauben, dass wir hier einen schönen Abend erleben.“

Ich wollte gerade vom Tisch verschwinden, da rief er leise hinter mir her. „Du wolltest doch Medizin studieren, oder?“

Mit dem Rücken zu ihm gewandt, blieb ich stehen und starrte auf den Ausgang, den ich in wenigen Schritten erreichen würde. Mein Herz pochte wie wild.

„Ich könnte dir helfen das Geld dafür schneller zusammenzukriegen, als du das in dem Restaurant schaffen würdest“, fuhr er fort. Langsam drehte ich mich zu ihm um und trat einen Schritt näher an ihn heran. Ich beugte mich über den Tisch und stützte die Hände darauf ab. „Über wie viel sprechen wir hier? Nur, dass ich das mal verstehe.“

„Etwa zehn Riesen könnte ich von meinen Ersparnissen lockermachen. Weitere zehn Riesen bekommst du, wenn ich die Firma überschrieben bekomme.“

Ich blinzelte mehrmals. Vermutlich viel zu oft. Ich musste diese Summe in meinem Kopf, der ohnehin schon schwirrte, erst einmal verarbeiten. 20.000 Dollar!

John deutete mit seinem Blick auf den Stuhl und vorsichtig setzte ich mich. „Das ist eine ganze Menge Geld. Wieso sollte ich dir glauben?“, sprach ich betont leise, da das Gespräch mittlerweile für keine fremden Ohren mehr bestimmt war.

„Meinem Vater gehört Wickam Pharmacy. Das alleine spricht doch schon für sich, oder? Wenn der Laden erst einmal mir gehört, gehört mir auch das Geld was dahintersteckt.“ Er verschränkte die Arme vor der Brust und beobachtete mich eingehend. Ich kaute auf meiner Lippe und rief mir immer wieder diese beachtliche Summe vor Augen. Damit könnte ich schon die ersten Studiengebühren wuppen und anschließend auf ein Stipendium hinarbeiten. Es würde aber noch nicht für einen Umzug reichen. Immerhin wollte ich aus dieser Stadt raus, um zu studieren. Mein Ziel war New York. Schön weit weg von hier. Von meinem alten Leben. Ich atmete betont laut aus, während ich seine fordernden Blicke auf mir spürte. „Wie konnte ich auch nur einen Moment glauben, dass das hier ein normales Date werden könnte?“, sagte ich murrend.

„Es tut mir leid, ich hätte es nicht angefangen, wenn ich nicht so verzweifelt wäre. Aber für uns beide springt doch letzten Endes was dabei raus. Du könntest studieren gehen und deinen Job hinschmeißen, denn du ohnehin nicht machen möchtest und ich könnte meinen Vater dazu bringen, mir die Firma zu übertragen. Allen wäre damit geholfen.“

Sein lockerer Ton machte die Lage nicht gerade besser.

„Schlagartig bist du mir wirklich weniger sympathisch“, knurrte ich ihn an und schüttelte unbeholfen den Kopf. Die Situation war so verworren, dass sie fast schon unecht schien. Die Spannung zwischen uns konnte man beinahe greifen.

„Du hast ein ganz schön loses Mundwerk“, pflichtete John mir prostend bei.

„Das kannst du mir wohl kaum verübeln. So ein Treffen hatte ich mein Lebtag noch nicht. Und schon gar nicht so ein unmoralisches Angebot. Sowas Bescheuertes habe ich wirklich noch nie gehört.“

„Du kannst ja einfach mal drüber nachdenken“, schlug er nun im sanften Ton vor und versuchte mich mit seinen durchdringenden Augen zu lesen. Wenn er nicht so verdammt heiß wäre …

„Mal angenommen …“, ich starrte konzentriert auf das Glas vor mir, als wäre dies mittlerweile mein Gesprächspartner, „nur einmal angenommen, ich würde mich auf diese total bescheuerte Idee einlassen, was ich ohnehin nicht tue, dann müsstest du noch 5.000 oben draufpacken. Immerhin müsste ich umziehen und mir eine neue Unterkunft leisten.“

Er verzog seinen Mund zu einem schiefen Lächeln, als hätte er gewonnen. „Darüber lässt sich reden.“

„Und ich müsste mit meiner Freundin darüber sprechen“, fügte ich hinzu.

John schüttelte entschieden den Kopf. „Nein, das geht nicht. Wenn das irgendeiner erfährt, dann …“

„Wenn ich nicht mit Lindsey darüber sprechen darf, dann kommt das schon mal gar nicht in die Tüte. Alleine die ganzen Fragen, die sie stellen würde. Sie ist meine beste Freundin, und wenn ich mit irgendeinem ihr völlig unbekannten Typen auftauche und einen auf heile Welt spiele, dann glaubt sie mir das niemals. Lindsey muss eingeweiht sein, sonst kommt es nicht in Frage!“

Herausfordernd reckte ich mein Kinn nach vorne. Annehmen würde ich sein Angebot sowieso nicht. Ich war nur neugierig, wie verhandlungsbereit er war.

Er seufzte. „Na gut. Aber nur, wenn sie es keinem erzählt.“

„Wie gesagt: Ich denke drüber nach. Aber mache dir nicht allzu große Hoffnungen“, betonte ich, während ich mich schon wieder vom Stuhl erhob.

„Warte!“, wandte John ein und zückte aus seiner Jacke eine Karte, die er mir zwischen zwei Fingern reichte. „Hier ist meine Nummer. Wenn du dich meldest, würde ich mich sehr freuen. Ich wünschte, wir hätten uns unter anderen Umständen kennengelernt.“

Ich schnaubte verächtlich und entriss ihm die Karte. „Dass du mir jetzt Honig ums Maul schmierst, wird dir auch nicht helfen. Ich komme mir so dämlich vor.“ Demonstrativ warf ich die Karte achtlos in meine Handtasche und wandte mich von ihm ab.

„Das war das verrückteste Gespräch, was ich jemals geführt habe“, brummelte ich vor mich hin, während ich ihn am Tisch zurückließ.

Liebe kann man (nicht) kaufen

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