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Sieben

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Meine Schritte waren sehr langsam und überhaupt nicht zielstrebig auf ein neues Leben ausgerichtet. Das, was ich mir von Herzen wünschte, wollten meine Beine und mein Verstand einfach nicht in die Tat umsetzen. Deswegen brauchte ich ewig für den Weg zum Italiener, in dem ich nun diesen Vertrag unterschreiben sollte. Was dachte ich mir bloß dabei?

Mit wildpochendem Herzen betrat ich das noch kaum besuchte Restaurant. John war noch nicht da. Logisch, immerhin war ich eine halbe Stunde zu früh dran. Also genehmigte ich mir noch einen Wein, um mich wenigstens ein bisschen lockerer zu machen. Nicht, dass John noch dachte, ich sei irgendein Schluckspecht! Aber mit einem Glas würde ich vielleicht meine Fassung wiederfinden, die ich irgendwo auf dem Weg hierher verloren hatte.

„Einen lieblichen Rotwein, bitte“, bestellte ich selbstsicher. Die Kellnerin – etwa Mitte vierzig und sichtlich unzufrieden mit ihrem Job – schürzte die Lippen, als wolle sie mich zurechtweisen und mir deutlich machen, wie ungesund das doch wäre. „Und was zu essen?“

„Erst einmal nichts, danke“, wiegelte ich sie ab und scheuchte sie in Gedanken hinter den Tresen, damit sie mir den Wein brachte, bevor John hier auftauchte. Sie verschwand gerade hinter der Bar und klimperte mit Flaschen und Gläsern. Sehr gut, dachte ich und sah mich noch einmal um. Niemand außer mir war da. Scheinbar gab es bessere Restaurants, in dem man seine Mittagspause verbringen konnte. Alleine schon der Gedanke daran, rief in mir den Wunsch herbei, meinen Wein noch schneller herunter zu spülen. Ich war so aufgeregt, dass meine Adern vibrierten. Und je länger ich hier saß, desto mehr haderte ich mit dem Gedanken, dass ich scheinbar nicht ganz bei Trost sein konnte, wenn ich mich auf ein solches Geschäft einließ. Aber ich rief mir immer wieder Lindseys aufbauende Worte ins Gedächtnis, um meine Nerven zu beruhigen.

Ich tippte wild mit dem Finger auf dem Tisch herum, als ich plötzlich sah, wie John zur Tür hereinkam. Verdammt nochmal! Warum war er denn schon so früh dran?

Er schaute sich suchend um und erblickte mich schließlich.

„Hey“, begrüßte er mich freundlich, aber ich spürte seine Nervosität, die in seiner Stimme mitschwang.

„Hi“, versuchte ich gelassen von mir zu geben, was allerdings in einen schrillen Tonfall überging. Reiß dich zusammen!

John setzte sich auf den Stuhl vor mir und schaute sich fragend um. „Ist hier immer so wenig los?“

Ich zuckte mit den Schultern. „Ich bin nicht oft hier und schon gar nicht mittags. Hätte ich das gewusst, dann hätte ich mit Sicherheit einen anderen Ort vorgeschlagen.“

„Na, macht ja nichts, so haben wir jedenfalls unsere Ruhe.“

Im Augenwinkel sah ich, wie die Kellnerin mit meinem Glas Wein auf mich zukam. So ein Mist! Den sollte John doch gar nicht sehen. Wieso musste er auch so früh da sein?

„Hier bitte, Ihr Wein“, sagte sie im nasalen Ton und stellte das Glas vor mich auf den Tisch. Mit roten Wangen kniff ich meine Lippen fest aufeinander und hoffte, dass John das aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen nicht mitbekommen hatte. Stattdessen schaute er mich mit hochgezogenen Brauen an und lächelte.

„Was darf es für Sie sein?“, fragte die Kellnerin an ihn gewandt und setzte ihr liebstes Lächeln auf, was sie bei mir scheinbar nicht so schnell wiedergefunden hatte.

„Ich nehme ein …“, er blickte nachdenklich auf mein Glas, „ich nehme auch so einen.“ Mein verkrampfter Magen ließ ein Stückchen lockerer.

„Sehr gerne. Gute Wahl“, versprach sie ihm mit einem verschwörerischen Augenzwinkern.

Ach, auf einmal ist Wein am Mittag eine gute Wahl?

„Und was möchten Sie essen?“, fragte sie wieder und schien mich als Gast inzwischen gar nicht mehr wahrzunehmen. Fragend schaute John mich an, als wolle er wissen, ob ich schon ausgewählt hätte. Ich schüttelte mit dem Kopf. „Ich habe noch nichts ausgesucht. Vielleicht machen wir das danach?“ Ich deutete mit dem Kopf auf seine Aktentasche, die er neben sich auf den Fußboden gestellt hatte.

„Klar!“, stimmte er mir zu und machte der Kellnerin deutlich, dass sie später wiederkommen sollte.

„Im Moment bin ich noch nicht so hungrig“, gestand ich angespannt und rang mir ein Lächeln ab.

„Kann ich verstehen. Ich bin selbst ein bisschen nervös“, pflichtete er mir bei und fummelte an seiner Tasche herum, ehe er eine Mappe mit ein paar Zetteln auf den Tisch legte.

„Ach echt?“

„Natürlich. Immerhin geht es hier auch um meine Zukunft und ich schließe solche Verträge nicht jeden Tag ab.“

„Das wundert mich beinahe“, scherzte ich. „Dachte du bist Geschäftsmann.“

„Ich arbeite als Angestellter in der Firma meines Vaters und bin kein Klinkenputzer, der anderen Menschen irgendwelche Verträge andreht“, redete er sich raus, während er geschäftig nach einem Stift suchte.

„Dennoch drehst du mir den wohl dubiosesten Vertrag an, was nicht einmal ein Staubsaugervertreter im Gepäck hätte“, ergänzte ich seinen Satz.

Wir verstummten, als die neugierige Kellnerin den Wein brachte und ich versuchte einen Blick auf den Vertrag zu erhaschen. Doch John legte unauffällig einen Arm darüber und lächelte. „Vielen Dank.“ Die Kellnerin schien noch auf eine Bestellung oder irgendetwas in der Art zu warten und war enttäuscht, als John jegliche Aufmerksamkeit auf mich richtete. Traurig fuhr sie herum und verschwand außer Sichtweite.

„Eigentlich ist das gar nicht so viel. Es geht im Wesentlichen um die Vereinbarung mit dem Geld. Dass du die erste Summe bekommst, sobald du unterschrieben hast und den Rest, sobald ich das Unternehmen meines Vaters überschrieben bekommen habe“, erklärte er, während meine Augen über den ersten Paragraphen flogen.

„Hier steht was mit Risiko“, murmelte ich und versuchte seinen Erläuterungen zu folgen.

„Das heißt nur, dass du das restliche Geld nicht bekommen würdest, wenn das mit der Übergabe scheitert“, wandte er schnell ein und beugte sich etwas über den Tisch.

„Ich verpflichte mich dazu, das Bild einer perfekten, dich liebenden Freundin nach außen in die Gesellschaft zu tragen?“, wiederholte ich skeptisch und schaute mit gefurchter Stirn auf. „Was genau steckt da alles dahinter?“

„Na ja, eben alles, was eine Beziehung ausmacht“, erklärte er, als wäre die Antwort so offensichtlich.

„Das heißt, ich muss dich auch in der Öffentlichkeit küssen?“

„Das könnte durchaus mal der Fall sein, ja.“

„Das wird ja immer besser“, nuschelte ich und trank das Glas Wein leer. „Verlangen es die Umstände, so ist ein Einzug in das Haus des Vertragsstellers nicht ausgeschlossen?“, las ich weiter.

Schlichtend hob er beide Hände, ehe ich weiterfragen konnte. „Das ist nur für den Fall der Fälle. Wenn es sein muss, dann bekommst du für eine Weile dein eigenes Zimmer in meinem Haus. Es ist groß genug. Das wird wie Urlaub für dich sein.“

Mit offenem Mund saß ich da und starrte ihn ungläubig an. „Ich ziehe doch nicht bei dir ein! Und wenn ich schon Urlaub mache, dann bestimmt nicht …“ Ich bemühte mich meine Stimme ruhig zu halten, aus Angst die Kellnerin könnte mit gespitzten Ohren hinter dem Tresen hocken und versuchen jedes Wort mitzubekommen.

John wirkte bestürzt, als könne er nicht verstehen, wie jemand nicht bei ihm wohnen wollen würde. Er kniff die Augen etwas verärgert zusammen, was weitere kleine Fältchen sichtbar werden ließ. „Du musst ja nicht mit mir in einem Bett schlafen, aber um es so echt wie möglich wirken zu lassen, kann es sein, dass du unter Umständen für eine Weile bei mir einziehen musst. Das steht zwar noch in den Sternen, aber erwähnen muss ich es ja schließlich.“

„Hm“, machte ich nur und schaute wieder auf das Papier. „Komisch ist das trotzdem.“

„Du musst echt immer das letzte Wort haben, oder?“ Er lachte ungläubig.

Ich sah ihn direkt an. „Ja, muss ich!“

Still las ich weiter und ließ mich nicht von seinem Räuspern ablenken. Ehrlich, der Typ ging mir jetzt schon auf die Nerven.

„Wie ist das hier mit der Verschwiegenheit gemeint?“, fragte ich dann und legte meinen Finger auf den entsprechenden Paragraphen.

„Na, was Verschwiegenheit eben bedeutet: Dass du keinem davon erzählen darfst. Wenn irgendjemand Wind davon bekommt, landet das schneller bei meinem Vater, als sich Zecken im Bein festsaugen.“

„Dafür ist es bereits zu spät. Ich habe dir ja erklärt, dass ich mit meiner Mitbewohnerin sprechen musste.“

John seufzte.

„Nun sei mal nicht so“, wetterte ich los. „Immerhin ist sie der Grund, dass ich hier sitze. Ohne sie würde ich den Vertrag niemals unterschreiben.“

Sein Gesicht klarte etwas auf. „Scheint eine sympathische Frau zu sein.“

„Vielleicht sollte sie auch hier sitzen“, murmelte ich und schaute verärgert über seine Feststellung auf den Vertrag.

„Aber jetzt nochmal ernsthaft: Sie darf niemanden etwas sagen!“

„Keine Sorge, das wird sie nicht. Sie will immerhin genauso schnell von hier fortgehen, wie ich. Sie kommt uns sicher nicht in die Quere.“

„Dann ist ja gut.“

„Erzählst du deinen Freunden etwa nichts davon?“

„Nur meinem besten Freund Dominic. Von ihm kam im Übrigen auch die Idee. Aber sonst niemanden. Wir spielen also der ganzen Welt was vor, wenn es sein muss, nur damit mein Vater das glaubt. Alles andere wäre einfach zu riskant.“

„Hast du eigentlich ein Gewissen oder sowas in der Art?“, hakte ich nach und betrachtete ihn eingehend, als hätte ich einen Hinweis darauf vielleicht übersehen.

John antwortete nicht, sondern verzog genervt das Gesicht.

„Das sagt schon alles“, fügte ich hinzu und lehnte mich auf der Bank etwas zurück. Ich hatte den Vertrag nun schon das zweite Mal gelesen und es klang alles sehr verständlich. Außer die Sache mit dem Einzug, die ließ mich noch sehr stutzen. Aber vielleicht würde das ja gar nicht nötig sein. Allerdings war mir etwas mulmig, dass wir nicht nur seinem Vater, sondern auch seinen Freunden etwas vorspielen mussten. Wie sollte ich denn Liebe vorgaukeln, wo keine war? Und dann auch noch einen fremden Mann küssen? Alleine bei dem Gedanken schauderte es mir. John legte kaum merklich seinen Stift vor mich, in stiller Aufforderung endlich zu unterschreiben.

„Du hast immer noch Bedenken, oder?“, fragte er vorsichtig.

Schulterzuckend schaute ich ihn an. „Was würdest du denn davon halten, wenn du an meiner Stelle wärst? Immerhin bist du ein wildfremder Mann für mich.“

„Ich kann dich gut verstehen, aber ich verspreche dir auch, dass ich nichts tun werde, was dich in irgendeiner Art und Weise verletzen könnte. Wir versuchen das alles so ruhig wie möglich zu halten und keinen großen Aufwand draus zu machen. Du wirst mich gelegentlich begleiten und nette Dinge über mich sagen“, sagte John amüsiert.

Immerhin konnte der Typ noch lachen. Mir war das mittlerweile komplett vergangen. „Das wird mir nicht leicht fallen“, murmelte ich. Doch als ich auf den Paragraphen mit dem Geld schielte, war ich fest entschlossen. Vor mir lag mein Ticket nach draußen, direkt in die Freiheit. Und in ein paar Monaten war ich diesen Typen wieder los.

Zögernd griff ich nach dem Stift und legte die Spitze auf die Linie, auf dem der Vertragspartner einwilligte, bis zur Überschreibung des Unternehmens an John Wickam, seine Freundin zu spielen.

Liebe kann man (nicht) kaufen

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