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Drei

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Ich weiß nicht mehr genau, wann ich Zuhause ankam, sondern nur, dass ich einen tollen Abend mit John hatte. Unglaublich, dass ausgerechnet er mir den Rest des vergangenen Abends gegenüber gesessen hatte. Wir unterhielten uns sehr angeregt. Ich erzählte ihm von meinen Plänen, Medizin studieren zu wollen und dass ich dafür jeden Cent sparte, um endlich meinen eigenen Weg zu gehen und Ärztin zu werden. Außerdem sprach ich über meine Praktika, die ich bereits in Krankenhäusern absolviert hatte und meinen Wunsch, unbedingt selber Menschen zu helfen. Immer wieder nickte er zustimmend, als wüsste er, wovon ich sprach, als könne er mich verstehen. Dennoch fragte ich mich im Nachhinein, wieso ich ihm so viel von mir anvertraute. Irgendwie tat es aber gut einem Fremden zu erzählen, was ich mit meinem Leben vorhatte. Vielleicht, weil ich eine Bestätigung brauchte oder gerne die Meinung von jemandem hören wollte, der mich nicht so gut kannte wie beispielsweise meine Eltern.

Er wiederum sprach von seinem Vater, der manchmal ziemlich anstrengend sein konnte, aber verlor kaum ein weiteres Wort über ihn. Doch je länger wir im Gespräch vertieft waren, desto wohler fühlte ich mich. Der Abend nahm eine ganz erstaunliche Wendung.

„Sie sprechen nicht gerne über Ihren Vater, habe ich Recht?“

„Nicht, wenn es sich vermeiden lässt. In letzter Zeit treibt er mich mit seinen Ansichten und Vorstellungen fast in den Wahnsinn. Dann bin ich froh, wenn ich mich mal nicht mit dem Thema auseinandersetzen muss“, gestand er und betrachtete mich durch seine vollen Wimpern hindurch.

Als ich irgendwann einen Blick auf meine Uhr warf, verschluckte ich mich beinahe. Schon so spät! Lindsey würde sich riesige Sorgen machen.

„Es ist schon ziemlich spät. Ich muss mich langsam auf den Weg machen.“ Lächelnd erhob ich mich von meinem Platz und suchte nach einem Kellner.

„Oh, lassen Sie nur“, wandte er hastig ein, „die Biere gehen auf mich. Als Dank dafür, dass Sie ein so guter Zuhörer sind und vielleicht auch als Dank dafür, dass Sie an diesem Abend ebenso unglücklich waren, wie ich.“ Amüsiert erhob er sich ebenfalls und reichte mir seine Hand. Zögernd griff ich nach ihr und spürte dieses Kribbeln in meinem Bauch. Herrje, war dieser Mann schön!

„Ich fasse das mal als Kompliment“, entgegnete ich und lachte leise, während ich meine Tasche über meine Schulter schwang.

„Vielleicht hört sich das jetzt ein bisschen blöd an, aber ich werde auch morgen Abend noch dieselben Probleme haben und wieder hier sitzen. Eventuell sind Sie ja auch wieder hier?“ Schüchtern wartete er auf meine Antwort und unverwandt musste ich kichern. Die Röte schoss mir ins Gesicht.

„Ich muss morgen arbeiten. So ungern ich auch möchte.“

„Aber irgendwann haben Sie doch Feierabend.“

„Hm“, machte ich und presste schüchtern die Lippen aufeinander. „Irgendwann schon. Aber ich kann nichts versprechen. Wenn ich wieder so einen miesen Abend wie heute habe, dann werde ich schneller Feierabend haben, als mir lieb ist und vermutlich keinen Job mehr.“ Ich lachte traurig bei dem Gedanken, dass mein Leben einem Teufelskreis glich. „Es war aber wirklich sehr nett mit Ihnen. Sie haben den Abend um einiges erträglicher gemacht. Vielen Dank dafür“, pflichtete ich ihm bei und drehte mich auf dem Absatz um. „Bis dann!“

„Bis dann!“, antwortete er.

Jetzt lag ich im Bett und spürte noch immer die Blicke in meinem Rücken, wie Laserstrahlen, die sich in meine Haut bohrten. Ich war mir sicher, dass ich so einem schönen Mann bisher noch nicht begegnet war. Dagegen konnte Christopher echt einpacken!

„Es tut mir so leid wegen gestern“, sagte meine Freundin unentwegt den ganzen Morgen. „Dieser verdammte Marvin … am liebsten wäre ich mit dir ins Harrys gegangen, aber das holen wir auf jeden Fall nach.“ Sie stellte uns zwei Becher Kaffee auf den Tisch und setzte sich vor mich. Mit zusammengekniffenen Augen schaute sie mich an, und musterte mich. „Hm…, irgendwie siehst du aber ganz und gar nicht traurig aus. Was ist passiert? Wie heißt er?“

„Wie heißt wer?“, fragte ich erschrocken über ihre Scharfsinnigkeit.

„Na der Typ! Du hast jemanden kennengelernt.“ Es war weniger eine Frage als eine Feststellung. Lindsey entging einfach gar nichts!

„John Wickam“, antwortete ich knapp, und biss genussvoll in mein Brötchen. Jetzt war es nur noch eine Frage der Zeit, bis sie aufschrie und mich ungläubig fragte, ob ich den John Wickam meinte.

Innerlich zählte ich von drei herunter. Als ich bei eins angelangt war, kreischte sie wie erwartet auf, nachdem sie die Stirn kurz zuvor gekräuselt hatte. Bei eins konnte man beinahe ein lautes Klingeln hören, denn da war bei ihr der Groschen gefallen. „Der John Wickam?“

Ich lachte. „Er hat mich auf ein Bier eingeladen und nach ein wenig Gesellschaft gesucht.“ Ich tat, als wäre das keine große Sache. Lindsey würde eh noch eine draus machen.

„Und? Habt ihr die Nummern ausgetauscht? Oder Körperflüssigkeiten?“

Angeekelt ließ ich von meinem Brötchen ab und legte es auf den Teller vor mir. „Nein, soweit ist es nicht gekommen. Wir haben uns nur nett unterhalten und dann bin ich gegangen. Mehr nicht.“

Lindsey stutzte. „Mehr nicht?“

Ich schüttelte den Kopf und nahm meinen Kaffeebecher zur Hand.

„Gott, Ems. Du bist so schlecht im Flirten, hat dir das schon mal jemand gesagt?“

„Also, John hat nichts dergleichen erwähnt“, sagte ich und erinnerte mich daran, wie er mir durch die Blume mitgeteilt hat, dass er auch heute da sein würde. Wenn ich bloß nicht arbeiten müsste …

„Ich glaub es nicht“, Lindsey schüttelte den Kopf, „werdet ihr euch wenigstens wiedersehen? Immerhin ist er der Sohn von …“

„Ja, ich weiß wessen Sohn er ist. Na und? Er ist ein ganz normaler Mensch. Und reich ist er auch nicht, jedenfalls hat er mir erzählt, dass sein Vater ihm den Geldhahn zudreht und sich im Moment querstellt. Er ist bloß ein Angestellter in der Firma und verdient wie jeder andere Mensch ein normales Gehalt.“ Irgendwie hatte ich das Gefühl ihn verteidigen zu müssen. Aber nachdem ich ihr einen kleinen Einblick in seine finanzielle Welt gewährte, sackten ihre Schultern enttäuscht hinab. „Hm … es hätte auch zu schön sein können.“

„Was bitte hättest du davon?“, fragte ich amüsiert und griff erneut nach meinem Brötchen.

„Eine reiche beste Freundin, was denkst du denn? Aber das erklärt wenigstens, warum du so spät nach Hause gekommen bist. Hatte mich schon gewundert.“

„Ich hätte schreiben sollen, du hast recht“, pflichtete ich ihr schuldbewusst bei und kaute nachdenklich weiter.

„Macht nichts, dann sind wir wenigstens quitt“, erklärte sie gewinnend und lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück. Die Sonne fiel durch das kleine Küchenfenster und strahlte direkt meine Freundin an. Dadurch glänzten ihre roten Haare beinahe wie eine Diskokugel. „Was sind deine Pläne für heute? Vielleicht ein heißes Date mit Johnny-Boy?“, fragte sie dann mit geneigtem Kopf und grinste dabei breit.

„Da muss ich dich enttäuschen.“ Ich blickte mich in unserem Chaos von Wohnung um. Überall lagen Sachen verstreut und die Küche, in der wir gerade saßen, glich einem Saustall. „Ich schätze mal das Chaos beseitigen, dass auf komische Art und Weise von selbst entstanden ist.“ Mit Argusaugen beobachtete ich meine Freundin, die rot anlief. Mit der Ordnung hatte sie es noch nie wirklich gehabt.

„Eine gute Entscheidung“, sagte sie strahlend, als hätte ich in einer Gameshow das richtige Türchen erwischt. Voller Elan erhob sie sich vom Stuhl. „Ich muss leider zur Arbeit. Der Laden macht in einer halben Stunde auf.“

„Viel Spaß!“

„Musst du heute Abend arbeiten?“, fragte sie, während sie sich ihre rote Löwenmähne zu einem Pferdeschwanz band.

Schwerfällig nickte ich. „Sieht ganz danach aus.“

„Schade, sonst hätte ich mit dir den Abend von gestern nachgeholt. Aber eigentlich gibt es ja nichts nachzuholen“, stellte sie fest und grinste verschwörerisch. „Immerhin hast du den Mann deiner Träume kennengelernt.“

„Er ist weder der Mann meiner Träume noch meiner schlaflosen Nächte. Ich habe mit ihm ein Bier getrunken und mehr auch nicht. Wir haben nicht einmal die Nummern ausgetauscht“, rechtfertigte ich mich lauthals. Von seiner indirekten Einladung erzählte ich besser nichts, sonst würde Lindsey noch vorschlagen, mich zu vertreten. Darauf hatte ich irgendwie auch keine Lust.

„Wie dem auch sei, wenn ich mich nicht beeile, komme ich noch zu spät. Also wir sehen uns mein kleiner, wilder Tiger.“ Sie lachte laut, während sie unsere Wohnung verließ.

Ich verbrachte den Tag damit, eine Grundreinigung in unsere Wohnung hinzubekommen. Um Lindseys Zimmer machte ich allerdings einen riesigen Bogen. In den Schweinestall wäre nicht einmal ein Schwein freiwillig eingezogen. Ich wischte, schrubbte und fluchte über all das Zeug, was hier herumlag. Die Wohnung war ohnehin nicht wirklich groß, ganz zu schweigen von der Küche und dem Badezimmer. Die Zimmer spärlich eingerichtet mit den billigsten Möbeln, die wir mühevoll aus den verschiedensten Ausverkäufen zusammengekratzt hatten. Immerhin konnten wir einen Tisch mit zwei Stühlen in der Küche unterbringen, aber das war es auch schon. Das Wohnzimmer bestand aus einer grauen Couch, einem Fernsehtisch mit Fernseher und einem Bücherregal mit integriertem Schrank, in dem wir noch die eine oder andere Sache verstauen konnten.

Ich schleppte gerade einen Berg voller Wäsche in mein Zimmer, die ich noch zusammenlegen wollte, doch als ich einen Blick auf die Uhr warf, stellte ich mit Entsetzen fest, dass ich mich langsam auf den Weg zur Arbeit machen musste. Alleine bei dem Gedanken sank meine Laune wieder gen Nullpunkt.

Liebe kann man (nicht) kaufen

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