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Fünf

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„Ist das zu fassen?“, keifte ich und schmiss die Karte auf den Küchentisch, die Lindsey direkt in die Hände nahm.

„So was Verrücktes. Wirklich Lin, ich kam mir noch nie im Leben so verarscht vor. Das ist das Dümmste, was ich jemals gehört habe!“ Gereizt marschierte ich in der Küche auf und ab und man könnte meinen, dass ich bald Spuren im Boden hinterlassen würde. „Als ob ich käuflich wäre. Was habe ich mir nur gedacht, als ich die Arbeit geschwänzt habe und in diese Kneipe gegangen bin? Ich meine, wie naiv bin ich eigentlich, wenn ich ernsthaft geglaubt habe, dass dieser Typ vielleicht Interesse an mir haben könnte?“ Ich sog tief Luft in meine Lungen. Erst nachdem ich das Harrys verlassen hatte und zurück in unserer Wohnung war, wurde mir bewusst wie dämlich das Ganze eigentlich war. Ich kam mir vor, wie in einem falschen Film.

„Das Problem ist ja, dass ich mir alleine durch die Frage, wie viel ich bekommen würde, vorkam wie eine … eine Prostituierte. Kannst du dir das vorstellen?“, fragte ich meine Freundin, die konzentriert auf die Visitenkarte von John Wickam starrte und die Lippen fest aufeinanderpresste. „Hörst du mir eigentlich zu?“

„Ja, na klar“, räusperte sie sich und legte die Karte vorsichtig vor sich auf den Tisch, ehe sie sich mir wieder zuwandte. „Du würdest also 25.000 Dollar von ihm bekommen? Wenn du so tust, als wärst du seine Freundin?“

Ich nickte.

„Hm“, machte sie stattdessen und blickte wieder auf die Karte.

„Mal im Ernst: Ich kenne diesen Mann kaum und ich dachte, er würde mich wirklich wiedersehen wollen, aber Pustekuchen. Stattdessen versucht er mich zu kaufen. Wie stellt der sich das denn eigentlich vor? Als wenn das so einfach wäre, ein Paar zu spielen. Vermutlich hat er das Geld nicht einmal“, mutmaßte ich verbittert. Bislang hatte ich nur von meinem Ex-Freund gedacht, dass er ein absoluter Idiot wäre, aber John toppte das Ganze noch …

„Oh, da liegst du glaube ich falsch. George Wickam gehört zu einen der reichsten Menschen hier in der Gegend. John wird das Geld mit Sicherheit haben. Bei denen ist das nicht so wie bei uns. Wenn meine Eltern sagen: Nein Lindsey, du bekommst keine einhundert Dollar von uns, sondern bloß fünfzig, dann ist das in deren Welt eher so, dass sie fünfzigtausend bekommen anstelle von hunderttausend.“

„Ja, vielleicht hast du Recht.“ Erschöpft vom vielen Hin- und Herlaufen in der Küche, ließ ich mich auf einen Küchenstuhl fallen.

„Ich finde, du solltest es machen“, sprach Lindsey plötzlich sehr ernst.

Erstaunt blickte ich sie an. „Was sagst du da?“

„Na ja überleg doch mal: Vielleicht ist das alles gar nicht so schlimm.“

Gespannt lehnte ich mich über den Tisch und wartete auf ihre Sicht der Dinge.

„Mal angenommen, du würdest das machen, dann wärst du innerhalb von ein paar Monaten, deinem Ziel zu Studieren um einiges näher. Du könntest dir damit zumindest das erste Semester finanzieren. Mit deinem Job als Kellner bräuchtest du mindestens zwei Jahre, bis du dir nur ansatzweise die Gebühren leisten könntest. Und da wäre noch nicht einmal eine Wohnungsmiete drin. Du liegst mir schon so lange in den Ohren, dass du nach New York willst. Aber bislang erscheint es mir ziemlich aussichtslos. Auf eine andere Stadt lässt du dich zudem ja kaum ein. Und hier zu studieren kommt für dich auch nicht infrage. Mit dem Geld von John könnten wir in spätestens einem Jahr aufbrechen.“

Ich musterte sie, als wäre sie aus einer Irrenanstalt geflohen. „Du findest das also gut?“

Einige Male musste ich blinzeln, in der Hoffnung wieder im realen Leben anzukommen.

„Gutfinden ist nicht unbedingt das richtige Wort, aber es wäre deine eine Fahrkarte in ein neues Leben. Und wenn es bedeutet, dass du nur ein bisschen Freundin vor seinem Papa spielen musst, dann erscheint mir das Opfer nicht so groß zu sein. Immerhin hilfst du ihm und er dir. Das ist eine Win-Win-Situation, bei der alle glücklich werden können. Er bekommt die Firma und du das Leben, was du dir solange schon wünscht.“

„Wer bist du und was hast du aus Lindsey gemacht?“, hauchte ich theatralisch.

„Du solltest wirklich einmal drüber nachdenken. Vielleicht ist er ein Arsch, das mag sein, aber einen einfacheren Job und dabei so viel Geld verdienen … besser kann es eigentlich nicht kommen. Und du müsstest nicht mehr in diesem ätzenden Laden arbeiten!“

Ich schnaubte laut aus und schüttelte den Kopf. Das war doch alles total absurd. Vielleicht war ich doch Kandidat bei der versteckten Kamera?

„Und er ist absolut heiß!“, sagte Lindsey kichernd und erhob sich voller Energie strotzend vom Stuhl.

„Na, Hauptsache das“, antwortete ich mit einem leicht zynischen Unterton.

„Wirklich Ems, denk mal in Ruhe drüber nach. So schlimm ist es doch gar nicht.“ Sie schob den Stuhl unter den Tisch und wandte sich zum Gehen. „Eventuell ist das dein Ticket nach draußen. Ich würde es dir nicht vorschlagen, wenn ich nicht wüsste, wie sehr du hier wegwillst“, sagte sie und blieb lächelnd im Türrahmen stehen. Sie legte den Kopf schief und ihre rote Mähne fiel ihr ins Gesicht. „Manchmal muss man auch verrückten Dingen eine Chance geben. Und wenn wir beide nicht verrückt sind, dann weiß ich es auch nicht“, lachte sie und ließ mich mit meinem schwirrenden Kopf in der Küche zurück. Gedankenverloren griff ich nach der Visitenkarte und wischte mit meinem Daumen fahrig über den in Kalligraphie geschriebenen Namen John Wickam.

Ich fühlte mich schlecht, als ich spät in der Nacht noch immer wach lag und an die Decke starrte. Wie sollte ich so einem Abkommen zustimmen, wenn ich dabei einen Menschen hinterging und ihm etwas vorspielte? Ich kannte Georg Wickam nicht persönlich, sondern nur aus den Medien und dennoch erschien es mir nicht richtig, wenn ich ihm die liebende Freundin vorspielte, nur um ihm das Geld aus der Tasche zu ziehen. Das war einfach nicht richtig. Oder? Andererseits hatte mich die Argumentation meiner Freundin mehr gepackt, als ich gedacht hatte. Ich wäre meinem Ziel ein ganzes Stück näher, endlich meinen Job los und könnte ein neues Leben beginnen. Gemeinsam mit meiner Freundin. Wir wollten schon immer hinaus in die große Welt und unseren Träumen hinterherjagen. Nun hatte ich tatsächlich die Chance dazu und das auch noch schneller als erwartet. Von meinen Eltern erwartete ich keinen Zuschuss oder Unterstützung, deshalb musste ich es auf eigene Faust schaffen. Immerhin hatten wir es geschafft, eine ganze Stunde Fahrzeit von unserer Heimatstadt entfernt zu wohnen.

Manchmal muss man auch verrückten Dingen eine Chance geben … Ich kaute auf diesen Worten schon den ganzen Abend rum und mittlerweile schienen sie mir etwas Wahres zu enthalten. Lindsey hatte recht, man musste auch mal verrückt sein, aber gleich so verrückt? Ich meine, der Typ konnte mir viel erzählen und mich schlussendlich übers Ohr hauen. Ich kannte ihn ja nicht wirklich. Und das, was ich bisher von ihm kennengelernt hatte, war schlichtweg unaufrichtig gewesen. Nicht gerade der ideale Start in eine gemeinsame Zukunft. Wie sollte man so einem Menschen vertrauen, wenn es einem sowieso schwerfiel, jemandem Vertrauen zu schenken. Und jetzt sollte ich mit diesem verlogenen John auch noch ein unmoralisches Geschäft eingehen? Das war doch bizarr! Vor allem fragte ich mich, welchen Rattenschwanz das nach sich ziehen würde. Was müsste ich alles tun, um dem Vater die glückliche Freundin vorzuspielen und er uns auch glaubte? Ich würde mein Leben umstellen müssen und schauspielern, was nicht gerade zu meinen Stärken gehörte. Schon in der Schulzeit hatte ich schauspielerisch nichts auf der Bühne verloren. Auch wenn ich freiwillig den Nachmittagskurs auf meiner alten Schule besucht hatte, reichte es noch nicht einmal für die Rolle eines Baumes. Ungelogen! Mein damaliger Lehrer empfahl mir sogar, mich lieber um organisatorische Dinge zu kümmern, als es weiter mit dem Schauspielern zu versuchen. Ich traute John nicht, aber ich vertraute Lindsey – und genau das war das Problem. Hätte sie mir von Anfang an abgeraten, bei diesem bescheuerten Plan mitzumachen, dann hätte ich kaum noch einen Gedanken daran verschwendet. Aber es kam ganz anders und sie fand es irgendwie in Ordnung. Was Schlimmeres konnte mir nicht passieren, denn jetzt dachte ich ernsthaft darüber nach. Das ich auch immer so viel auf ihre Meinung setzen musste! Innerlich trat ich mir dafür in den Hintern. Natürlich war der Gedanke, so schnell wie möglich hier zu verschwinden mehr als verlockend, aber dennoch konnte ich diesen Schritt unmöglich gehen! Oder?

Manchmal muss man auch verrückten Dingen eine Chance geben …

Völlig erschöpft und überrollt von meinen eigenen Gedanken, drehte ich mich schließlich auf die Seite und zog mir die Decke bis über die Nase, bis ich endlich in einen traumlosen Schlaf fiel.

Liebe kann man (nicht) kaufen

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