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Sechs

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Mit entschiedenen Schritten lief ich die Straßen Redmonds entlang. Nur wurden mit jedem Schritt meine Beine etwas schwerer und meine Gedanken lauter. Die Sonne schien und ich fing jeden einzelnen der Sonnenstrahlen mit meinem Gesicht auf, in der Hoffnung, sie könnten mir ein bisschen Klarheit in meinen Geist senden. Aber die Erfüllung meines Wunsches fiel eher spärlich aus, nachdem ich das Harrys erreichte und es mit pochendem Herzen betrat. Mit vorgerecktem Kinn schaute ich mich um, denn falls ich schon in Augenschein genommen wurde, durfte meine Nervosität nicht offensichtlich nach außen dringen. Meine Augen durchforsteten die Räumlichkeiten, die bereits gut besucht waren und da erblickte ich ihn, wie er am gleichen Tisch saß, an dem er mir gestern Abend ein so verrücktes Angebot unterbreitet hatte, dass mich sehr beschäftigte.

Ich erinnerte mich an die SMS, die ich ihm geschrieben hatte, in der stand, dass er heute Abend besser hier sein solle, denn ich hätte etwas mit ihm zu besprechen. Seine Antwort hatte nicht lange auf sich warten lassen, als hätte er auf meine Nachricht gewartet.

Jetzt, als er mich erblickt hatte, erhob er sich zuvorkommend und begrüßte mich. Zögernd nahm ich seine Hand, die er mir reichte und schüttelte diese nur widerwillig. Ich wollte – nein ich sollte (!!!) – eigentlich nicht hier sein. Das war sowas von falsch. Aber ich rief mir ins Gedächtnis, dass es nur für ein Gespräch war, und setzte mich angespannt auf dem Stuhl vor ihm. Rasch bestellte er mir ein Wasser und sah mich immer wieder durchdringend an. Schüchtern versuchte ich seinen Blicken auszuweichen, was gar nicht so einfach war. Es fühlte sich an, als befände ich mich bei einem Vorstellungsgespräch, dessen Job ich eigentlich nicht machen wollte. „Immerhin bist du gekommen“, stellte er im ruhigen Ton fest und verzog den Mund zu einem leichten Grinsen.

Ich nickte nur und ließ keine Einblicke in meine Gefühlslage zu.

„Und was möchtest du mit mir besprechen?“, fragte er dann und faltete die Hände vor sich auf dem Tisch. Dabei spannten sich seine Unterarme an und zogen meine Augen magisch an. Innerlich ermahnte ich mich, ihn nicht so anzustarren.

„Eine ganze Menge, um ehrlich zu sein. Ich habe lange nachgedacht“, erklärte ich betont ruhig.

Die Kellnerin kam freundlich dreinblickend um die Ecke und stellte mir ein Glas Wasser hin, was ich dankend entgegennahm. Ihre Blicke klebten noch eine Weile, wie ein Kaugummi auf uns, als würde sie wissen wollen, was der Grund für unsere vielen Treffen in den letzten Tagen war, aber als wir ihr nicht einmal ansatzweise die Chance boten ein paar Wörter aufzuschnappen, verschwand sie sichtlich enttäuscht hinter ihre Theke.

„Es gibt einiges, was ich wissen müsste, um meine Entscheidung zu fällen“, fuhr ich fort.

„Also hast du es dir überlegt?“ Er lächelte gewinnend, doch den Wind nahm ich ihm in derselben Sekunde aus den Segeln. „Ich habe lediglich gesagt, dass ich noch was wissen müsste. Entschieden habe ich mich nicht.“

„Okay, was möchtest du wissen?“

„Eigentlich alles“, gab ich achselzuckend zu. „Woher weiß ich, dass ich das Geld auch tatsächlich bekommen werde. Wie wird das Ganze ablaufen? Was ist, wenn das alles nicht funktioniert und dein Vater dir am Ende nicht die Firma überschreibt. Bekomme ich mein Geld dann trotzdem? Immerhin gehe ich hier ein großes Risiko ein, wenn ich erst einmal meinen Job kündige oder meine ganzen Urlaubstage opfere.“

John trank einen Schluck aus seinem Glas und stellte es mit Nachdruck vor sich, als hätte er die Fragen kommen sehen. „Als erstes möchte ich dir sagen, dass ich ein ehrlicher Mann bin und wenn du deine Aufgabe gewissenhaft erledigst und mir nicht auf der Nase herumtanzt, dann bekommst du dein Geld. Die 10.000 bekommst du in jedem Fall. Den anderen Teil kann ich dir erst geben, wenn ich die Firma überschrieben bekomme, das hatte ich ja schon deutlich gemacht.“ Ich nickte wissend und korrigierte ihn. „Die restlichen 15.000 Dollar. Allerdings solltest du das mit der Ehrlichkeit besser etwas zurückfahren, denn niemand, der jemanden etwas vorspielt, ist ehrlich. Nur so nebenbei. Also wir waren bei den 15.000 Dollar …“

„Genau“, bestätigte er und zuckte nicht einmal mit einer Wimper. „Es wird einen Vertrag geben“, fuhr er dann fort, als wäre er der Geschäftsmann und ich seine Klientin oder eine Kundin. Die Atmosphäre war gruselig.

„In diesem Vertrag werden ein paar Regeln stehen, die du einhalten solltest und die ich einhalten muss. Ohne wird es kaum möglich sein, damit die Sache auch gut läuft. Deinen Job kannst du kündigen, du kannst es aber auch lassen. Vielleicht wäre es klug, wenn du ihn nicht kündigst, sondern noch ein bisschen wartest. Es würde merkwürdig aussehen, wenn du einfach alles hinschmeißt, schließlich wollen wir es so echt wie möglich aussehen lassen. Du müsstest noch ein bisschen in dem Job durchhalten. Wie gesagt: Die zehn Riesen bekommst du nach Unterschreiben des Vertrags. Der Rest ist abhängig vom Erfolg.“

Mir schwirrte der Kopf. Was den Job anbelangte hatte er wirklich recht. Es war sicher sinnvoll, nicht gleich alles auf eine Karte zu setzen. Ein paar Monate würde ich es schon noch aushalten bevor Lindsey und ich endlich verschwinden konnten.

„Was deinen Alltag betrifft, da wird sich eine Menge ändern, da es so authentisch werden muss, wie nur möglich. Immerhin spielen wir nicht nur meinem Vater was vor, sondern eigentlich unseren Freunden und Verwandten, quasi der ganzen Welt. Wenn nur einer weiß, was hier vor sich geht, erhöht sich die Gefahr, dass es rauskommt. Du verstehst, was ich meine?“

Ich nickte.

„Wir würden uns ausdenken, wo und wie wir uns kennengelernt haben und spielen ein sich liebendes Pärchen. Mehr ist es im Prinzip gar nicht.“ Stutzig nahm ich einen Schluck von meinem Wasser.

„Mehr ist es im Prinzip nicht“, wiederholte ich sarkastisch, während ich das Wasser auf den Tisch stellte. „Immerhin verarschen wir nur jeden, den wir kennen und spielen ihnen eine nicht echte Beziehung vor. Wenn dein Gewissen das abkann, dann ist das schön für dich, nur mit meinem komme ich nicht ins Reine.“

„Ich verstehe das und würde dich auch nicht fragen, wenn es nicht so wichtig wäre. In gewisser Hinsicht für uns beide. Wir haben nun einmal beide was davon und ich könnte mir Schlimmeres vorstellen“, lachte er jetzt und in seinen Augen blitzte etwas auf. Ich bemerkte seine kleinen Fältchen unter den Augen, was sein Alter noch einmal untermauerte.

„Aber darüber würden wir noch genauer sprechen, wenn es soweit ist. Die Anfangsphase wäre vorerst ruhiger. Ich würde meinem Dad sagen, dass ich ein Mädchen kennengelernt habe und ich mir mehr mit ihr vorstellen kann. Irgendwann würde ich ein Treffen mit meinem Dad und meiner Familie arrangieren und dich allen vorstellen. Du wirst natürlich umwerfend sein“, sagte er breit grinsend, „und sie alle umhauen. Sobald wir meinen Dad überzeugt haben, dass ich es wirklich ernst meine, wird er mir die Firma übertragen.“

„Und wie genau willst du ihn überzeugen? Ich meine, was wirst du tun, bis auf eine reizende Freundin an deiner Seite präsentieren?“

„Es könnte eine Schwangerschaft ins Spiel kommen. Wir könnten sagen, dass wir ein Kind erwarten, das könnte der Knackpunkt sein. Wenn ein Kind im Spiel ist, wird er mich nicht auf die Straße setzen wollen. Und wenn es dann soweit ist, können wir immer noch sagen, dass du es verloren hast und damit nicht klarkämst. Wir trennen uns und du ziehst nach New York, oder wo du auch immer hinwillst.“

Ich schluckte schwer. „Hinterfragst du manchmal deine Gedanken in deinem Kopf?“, hakte ich mit ernstem Gesicht nach.

„Nö, ich ignoriere die eher“, amüsierte er sich.

Kopfschüttelnd nahm ich einen weiteren Schluck. „Wie kannst du deinem eigenen Vater so etwas vormachen?“

„Sagen wir mal so, er war nicht immer der beste Daddy“, antwortete er knapp. „Ich nehme mir nur, was mir zusteht und niemand wird dabei verletzt. Es ist unser kleines Geheimnis.“

„Und was genau hat dein Daddy angestellt, dass du so bist wie du bist?“

„Das lass mal meine Angelegenheit sein.“ Sein Gesicht war ernst und das Thema schien ihm sehr nahe zu gehen.

Ich kaute nachdenklich an meiner Lippe und starrte verloren auf meine Finger. Manchmal muss man auch verrückten Dingen eine Chance geben … Lindseys Worte geisterten in meinem Kopf und trieben ihr Unwesen. So sehr ich mich gegen sie wehrte, sie drangen immer wieder durch mich hindurch.

„Sobald du irgendetwas tust, was nicht in Ordnung ist, und damit meine ich, mich anzufassen oder mir auf irgendeine Art und Weise wehzutun, bin ich raus. Und sobald ich merke, dass andere Menschen dadurch verletzt werden oder zu Schaden kommen, bin ich ebenfalls raus. Und wenn die Sache droht zu eskalieren und alles aus dem Ruder läuft, bin ich auch weg.“

Ich bemerkte Johns gewinnendes Grinsen auf den Lippen und hätte es ihm am liebsten weggewischt. „Du brauchst gar nicht so zu grinsen. Nimm meine Überlegungen in deinem Vertrag auf, dann unterschreibe ich. Sobald ich irgendein Risiko eingehe, was mir schadet, nehme ich das Geld und bin aus deinem Leben verschwunden“, fügte ich gereizt hinzu. „Hast du das verstanden?“

Nun lächelte er breiter. „Ich mag dein feuriges Temperament.“

„Und hier brennt gleich die Hütte, wenn du mir nicht antwortest“, drohte ich mit finsterer Miene.

„Schon gut.“ Er hob abwehrend die Hände und wurde wieder ernster. „Ich mache den Vertrag fertig. Er sollte bis spätestens morgen Mittag fertig sein. Wie wäre es, wenn wir morgen gemeinsam zu Mittag essen und die Punkte noch einmal in Ruhe durchgehen?“

Ich seufzte. Je akuter das Thema wurde, desto schlechter fühlte ich mich. Das Einzige, was mich antrieb, war der Gedanke an New York und an das Geld, was ich in wenigen Stunden in meinen Händen halten würde. „Okay, und vergiss das Geld nicht“, rief ich ihm in Erinnerung.

„Wie gesagt, ich bin ein ehrlicher Mann“, sagte er verteidigend und wirkte mit einem Mal weniger angespannt, als vor ein paar Minuten.

„Das glaube ich kaum“, antwortete ich knapp und erhob mich. „Morgen um 12 Uhr beim Italiener um die Ecke. Wir sollten langsam nach einem anderen Ort suchen, wenn wir uns treffen, sonst ahnt noch jemand was“, schlug ich vor.

„Vorausgesetzt du magst Italienisch. Aber das werde ich dann ja über meinen Zukünftigen erfahren.“ Schnippisch warf ich meine Tasche über die Schulter und wartete kaum auf seine Antwort, sondern nahm das amüsierte Grinsen in seinem Gesicht wahr, als würde er mich einfach nicht ernstnehmen wollen. Innerhalb weniger Stunden hatte er es von dem Status Ich-schwärme-für-ihn zum Status Ich-finde-ihn-total-ätzend geschafft. Wie konnte ein Mensch nur so gut schauspielern?

Ich bekam auch die nächste Nacht kein Auge zu, denn mit jeder Sekunde rückte der Moment näher, in dem ich einen Vertrag unterschreiben würde, der alles andere als in Ordnung war. Lindsey und ich hatten es uns auf dem Sofa gemütlich gemacht. Mit Jogginghosen und einer Menge Schokolade. Den Abend über hatten Lindsey und ich wild diskutiert, spekuliert und gemutmaßt, wie das Ganze ablaufen würde. Ich war nach wie vor der Meinung, dass das alles nicht richtig war, aber je mehr ich mich dagegen aussprach, umso mehr schlug sich Lindsey auf Johns Seite. „Siehe es als eine einmalige Chance hier wegzukommen.“

„Du hast leicht reden“, sagte ich und ließ den Kopf nach hinten auf die Sofalehne fallen, „immerhin musst du nicht einen auf verliebt spielen.“

„Da magst du Recht haben, aber mich hat er ja nicht gefragt. Außerdem bin ich ja auch bei dir. Wir stehen das zusammen durch.“ Lindsey griff nach meiner Hand und drückte sie fest.

„Er ist ein wildfremder Mann“, betonte ich ängstlich. „Wie naiv sind wir eigentlich? Haben unsere Eltern uns nichts beigebracht?“, fluchte ich laut los. Lindsey kicherte. „Nein, also mir haben sie ohnehin nichts beigebracht.“ Ich betrachtete mitfühlend meine Freundin, die familienmäßig nicht viel Gutes erlebt hatte. Sie hatte ihre Mähne locker zu einem Knoten gebunden und wirkte auch in Jogginghosen unbeschwert und fröhlich. Irgendwie brachte sie nicht einmal die Tatsache, dass sie eine miese Mutter-Tochter-Beziehung hatte, aus der Fassung.

„Komm schon“, holte sie mich aus meinen Gedanken und setzte sich aufrecht hin, sodass sie mich direkt anblickte. „Vielleicht wird das Ganze ja auch ziemlich lustig. Ich meine einfacher kann man so viel Geld nicht verdienen. Und so ein Geheimnis zu haben, ist doch auch irgendwie spannend oder findest du nicht?“

„Geht so.“

„Hm, du bist auch für nichts zu begeistern“, seufzte sie.

„Nicht, wenn es sich so anfühlt, als würde ich mich prostituieren. Immerhin verkaufe ich mich“, maulte ich.

„So darfst du das aber nicht sehen“, beruhigte sie mich und strich mir wieder über die Hand.

„Und wie dann?“

Sie setzte ihr liebstes Lächeln auf. „Sieh es vielmehr als einmalige Chance, deinen Traum zu erfüllen.“ Fragend schaute ich sie an. „Was weißt du schon davon?“

„Oh, eine ganze Menge“, verteidigte sie sich. „Unterschreib einfach diesen Vertrag, spiel bei dem ganzen Kram so gut es geht mit und kassiere die Kohle. Mehr ist das nicht.“

Jetzt, wo ich im Bett lag, wünschte ich mir, dass ich einfach mal genauso locker auf die Sachen blicken konnte, wie meine Freundin es immer tat.

Liebe kann man (nicht) kaufen

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