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a) Der Grundsatz der Relativität und seine Durchbrechungen

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Durchbrochen wird der Grundsatz der Relativität des Schuldverhältnisses dort, wo das relative Recht infolge ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung ausnahmsweise Drittwirkung entfaltet[23]. Für das systematische Verständnis besonders wichtig ist in diesem Zusammenhang die Verdinglichung obligatorischer Rechte[24]. Im Besonderen Schuldrecht ist hierfür der Sozial- und Sukzessionsschutz nach § 566 und § 613a repräsentativ[25]. Aus dem Sachenrecht verdient § 986 II Hervorhebung[26], weil auch hier ausnahmsweise das Schuldverhältnis, auf dem das Recht zum Besitz einer beweglichen Sache beruht, gegen den Dritterwerber wirkt[27]. Greifen diese Sonderregeln über den Sukzessionsschutz nicht ein, so bleibt es beim Grundsatz der Relativität.

Dies veranschaulicht unser Fall 2: V hat seinem Sohn S ein Grundstück geliehen. S macht darauf notwendige Verwendungen und stellt einen Schuppen auf. Nach einem heftigen Streit mit S veräußert V das Grundstück an K und lässt es diesem auf. K wird ins Grundbuch eingetragen. S hält dem Herausgabe- und Räumungsverlangen des K den Leihvertrag mit V, seine Verwendungen auf das Grundstück sowie ein Wegnahmerecht wegen des Schuppens entgegen. Von V verlangt S Schadensersatz wegen seiner Investitionen auf das Grundstück im Vertrauen auf das Fortbestehen des Leihverhältnisses. K ist zur Rückübertragung des Grundstücks keinesfalls bereit.

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I. Ein möglicher Herausgabeanspruch aus § 604 I scheitert bereits daran, dass kein Leihvertrag zwischen S und K besteht. Zudem besteht kein Anspruch aus § 604 IV, da der S als Entleiher nicht Dritter i. S. v. § 604 IV war. K kann jedoch von S aus § 985 Herausgabe und Räumung des Grundstücks verlangen, wenn er Eigentümer des Grundstücks ist und S kein Recht zum Besitz (vgl. § 986 I 1) hat. K ist Eigentümer geworden, vgl. §§ 873 I, 925 I. Fraglich ist, ob S ein Recht zum Besitz im Sinne des § 986 I 1 hat. Als solches kommt der Leihvertrag nach § 598 in Betracht. Die Leihe stellt ungeachtet der jederzeitigen Rückforderbarkeit des geliehenen Gegenstandes unter den Voraussetzungen des § 604 III ein taugliches relatives Besitzrecht i. S. d. § 986 I 1 dar[28]. Den Leihvertrag hat S jedoch mit V abgeschlossen. Folglich kann er nach dem Grundsatz der Relativität des Schuldverhältnisses nur im Verhältnis zu seinem Vertragspartner V, nicht jedoch zu dessen Rechtsnachfolger K ein Recht zum Besitz begründen. Ein Fall des § 566 I liegt nicht vor, weil S das Grundstück nicht von V gemietet, sondern nur geliehen hatte. Eine analoge Anwendung des § 566 I auf den Leihvertrag scheitert mangels planwidriger Unvollständigkeit[29]. Auch § 986 II hilft nicht weiter: Dieser gilt nur für bewegliche Sachen, wie sich aus der Bezugnahme auf § 931 ergibt, und entfaltet daher bei unbeweglichen Sachen keinen Sukzessionsschutz.

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Möglicherweise kann S jedoch die Herausgabe nach § 1000 S. 1 wegen ihm zu ersetzender notwendiger Verwendungen (§ 994 I 1) verweigern. Dieses Recht stünde ihm nach § 999 II, einem Sondertatbestand des Sukzessionsschutzes, grundsätzlich auch gegen K zu, wenn die Verwendungen getätigt wurden, bevor dieser das Eigentum erworben hat. Allerdings setzt § 999 II voraus, dass im Zeitpunkt des Eigentumsübergangs bereits Ansprüche aus den §§ 994 ff. gegen den Veräußerer bestanden haben[30]. Mangels Vindikationslage im Zeitpunkt der Verwendungen[31] – der Leihvertrag gab dem S nur gegenüber V ein Recht zum Besitz – liegen derartige Ansprüche im Verhältnis zwischen S und V jedoch nicht vor.

Ohne Kündigung des Leihvertrags bestimmt sich der Ersatz von Verwendungen allein nach der Sonderregelung, die das Gesetz gerade für den Fall der Leihe geschaffen hat: Nach § 601 II 1 richtet sich die Verpflichtung des Verleihers zum Ersatz derartiger Verwendungen nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag. Diese müssen hier jedoch nicht geprüft werden, weil es sich eben nur um eine Verpflichtung des Verleihers, hier also des V, handelt, nicht dagegen um eine solche seines Rechtsnachfolgers K. § 601 II ist somit ebenfalls Ausdruck des Grundsatzes der Relativität des Schuldverhältnisses.

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Ein Recht zum Besitz kann sich auch nicht aus einem etwaigen Zurückbehaltungsrecht wegen Verwendungen nach § 273 II ergeben. Denn ein bestehendes Zurückbehaltungsrecht führt nur zur Verurteilung Zug um Zug (§ 274 I) und somit nicht zur Klageabweisung, wie es für ein Recht zum Besitz i. S. d. § 986 I erforderlich wäre[32]. Abgesehen davon ist die den Gegenanspruch allenfalls begründende Verwendungskondiktion infolge des grundsätzlichen Vorrangs der §§ 994 ff. im Verhältnis S zu K ohnehin ausgeschlossen.

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Soweit S dem K gegenüber wegen des gebauten Schuppens das Bestehen eines Wegnahmerechts (§ 258) geltend macht, ist dem entgegenzuhalten, dass ein Wegnahmerecht gleichfalls kein Recht zum Besitz verschafft. Auf die Frage, ob der Schuppen wesentlicher Bestandteil (§ 93) des Grundstücks geworden ist i. S. v. § 94 I (dann: § 997 I 2 i. V. m. § 258) oder nicht (dann: nur § 258) kommt es nicht an, da das Wegnahmerecht eben nur zur Wegnahme berechtigt, aber kein Besitzrecht begründet (arg. § 258 S. 2). K kann somit von S Herausgabe des Grundstücks verlangen.

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II. 1. S könnte gegen V einen Anspruch auf Ersatz der von ihm getätigten Investitionen aus §§ 284, 280 I 1, III, 283 S. 1, haben. Da das zum Wegfall der Leistungspflicht führende Hindernis nach Abschluss des Leihvertrags, d. h. nach Begründung des Schuldverhältnisses, entstanden ist, sind §§ 284, 280 I 1, III, 283 S. 1 und nicht § 311a II 1 die einschlägige Anspruchsgrundlage[33]. Voraussetzung des Anspruchs ist, dass der Schuldner nach § 275 nicht zu leisten braucht. V müsste als Schuldner des Leihvertrags also wegen Unmöglichkeit nicht zu leisten brauchen. Das ist dann der Fall, wenn die Leistung, die nach § 598 in der Bereitstellung des verliehenen Gegenstandes besteht, dem Schuldner V unmöglich geworden ist. Da K keinesfalls zur Rückübereignung bereit ist, ist dem V durch die Übereignung des Grundstücks die Leistung i. S. d. § 275 I subjektiv unmöglich geworden[34]. Infolgedessen kann S nach §§ 280 I 1, III, 283 S. 1 Schadensersatz und somit gemäß § 284 grundsätzlich auch Ersatz seiner vergeblichen Aufwendungen verlangen, zumal V als Schuldner des Leihvertrags das Leistungshindernis auch kannte und die Unmöglichkeit durch die bewusste Weiterveräußerung der verliehenen Sache auch zu vertreten hat, vgl. § 280 I 2.

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2. Daneben hat S gegen V einen Anspruch auf Ersatz seiner Investitionen aus § 601 II 1 i. V. m. §§ 683 S. 1, 670, 677, weil diese Verwendungen i. S. d. § 601 II 1 darstellen.

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