Читать книгу Die Freistaaten - Jens Zielke - Страница 11

5. 23. SEPTEMBER | Bundeskanzleramt | 7 Uhr

Оглавление

Der Innenminister platzierte das süddeutsche Flugblatt, das im Innenministerium und bei ihm für ein nervöses Unverständnis gesorgt hatte, auf Schindlings Tisch. Er war das Opferlamm. Er sollte die schlechte Nachricht überbringen. Wenigstens Brandner hatte den Mut gefunden und war mitgekommen.

„Dieses Flugblatt wird seit heute Morgen im Süden der Republik verteilt“, sagte er, bevor Andreas auch nur einen Blick auf das Papier werfen konnte. Er und Brandner hatten sich vorgenommen, beschwichtigend auf Andreas einzuwirken. Die bürgerlichen Parteien hatten dem Kanzler Schindling stets vorgeworfen, dass er zu zögerlich und unsicher handelte. Er und sein Umfeld konnten aber mit gutem Gewissen behaupten, dass Andreas ein Mann der Tat war. Dieser Charakterzug und dass er keiner speziellen Wählerschaft zugeordnet werden konnte, waren für seine Erfolge verantwortlich.

Einen weiteren Beweis für sein politisches Können hatten die Fernsehduelle geliefert. Vor vier Jahren hatte Andreas seinen Vorgänger, Bundeskanzler Seidel, verbal zerschmettert. Die erste Hälfte der Fernsehdebatte war harmlos verlaufen. In der zweiten verschärfte Andreas aber den Ton.

„Herr Bundeskanzler, ich und Deutschland warten auf die Beantwortung einer dringenden Frage.“

„Ich bin ganz Ohr“, hatte Seidel sorglos geantwortet. Andreas hatte bis dahin noch nicht wirklich punkten können. Und bei einem Unentschieden gewann immer der Titelverteidiger. Seidel hatte sich daher offensichtlich für einen defensiven Kurs entschieden.

„Warum, glauben Sie, ist Deutschland in so einer fatalen Lage?“, hatte Andreas weiter gefragt.

„Ich denke nicht, dass Deutschland in einer fatalen Lage ist.“

Andreas hatte die Erheiterung über diese Antwort versteckt und die höfliche Miene beibehalten.

„Ihre ausweichende Antwort zeigt mir, dass niemand aus der Regierung bereit ist, über die Probleme des Landes nachzudenken. Stattdessen werden nur Ausreden aus der Schublade gezaubert“, hatte er aggressiv nachgesetzt.

„Sie tun sich keinen Gefallen, wenn Sie die gesamte deutsche Politik infrage stellen.“

„Ich stelle nur ihre Unfähigkeit zur Stellungnahme infrage.“ Die Kamera hatte nun eine Großaufnahme von Andreas gezeigt. In ruhigen Zeiten hätte seine Aggressivität die Wähler abgeschreckt. Da Europa aber immer mehr unter der steigenden Armut litt, waren die Bürger erfreut über sein kämpferisches Auftreten. Passive Politiker, die einzig damit beschäftigt waren die Dinge schönzureden, hatten sie zur Genüge erlebt.

„Herr Seidel, Deutschland braucht einen Kanzler, der alle Menschen anspricht. Von der Mitte aus muss Politik für jeden praktiziert werden.“ Erwartungsvoll hatte Andreas den Kanzler angesehen.

„Ihre plumpen Vorwürfe sind keiner Antwort wert. Meine Politik gilt allen Deutschen“, hatte Seidel geantwortet.

„Sie wissen gar nicht, wie recht Sie haben. Nicht umsonst war es Ihre Politik, die das Land heruntergewirtschaftet hat. Die meisten Bürger werden mir zustimmen, wenn ich sage, dass es Ihnen gelungen ist, viel Geld auf wenige Schultern zu verteilen.“

Die Medienprofis des Landes waren überzeugt, dass die Wahl in diesem Augenblick zu Andreas Gunsten kippte. Seidel, der für sein Pokerface bekannt war, hatte selten dämlich in die Kameras geschaut und ihr Wahlkampf-Team hatte noch am Abend reagiert. Zwei Tage später hing an jeder freien Wand des Landes ein Plakat, das diesen Gesichtsausdruck zeigte. „Wollen Sie, dass dieser Mann weiterhin Deutschland regiert?“ War die Überschrift des Plakats.

Kein monatelanger Wahlkampf, sondern drei Sekunden hatten dem Kandidaten Schindling also den entscheidenden Schritt ins Kanzleramt bereitet. Die Vorwürfe eines schmutzigen Wahlkampfs waren an ihm abgeprallt. Einzig er hatte seinen Unmut über die Methode geäußert. Andreas hatte ihm aber mit einem Vortrag über politische Moral geantwortet, der mit einer Frage endete. „Was soll ich machen? Die Bürger belügen oder die Gelegenheit nutzen und meinen Gegner fertigmachen? An die Macht kommst du nur mit einem von beidem. Und die Bürger sind zu oft belogen worden.“

Er hatte nichts erwidert. Sein ungewohntes Schweigen hatte Andreas damals bewogen, ihn ungläubig anzusehen. Und auf dieselbe Weise sah Andreas jetzt das Flugblatt an.

VORWÄRTS OHNE DEUTSCHLAND

IM LÄNDERFINANZAUSGLEICH GIBT ES NUR DREI NETTOZAHLER. BAYERN, HESSEN UND BADEN-WÜRTTEMBERG. WIR HABEN GEZAHLT UND UNS VERSCHULDET. DOCH BERLIN VERSCHWENDET UNSER GELD.

DAMIT MUSS SCHLUSS SEIN! WIR STEHEN IN DER PFLICHT UNSERER BÜRGERINNEN UND BÜRGER. IN IHREM INTERESSE GEHEN WIR.

VORWÄRTS OHNE DEUTSCHLAND!

ES WAR DER PREUSSISCHE KAISER, DESSEN IMPERIALISMUS UNS IN DEN ERSTEN WELTKRIEG GETRIEBEN HAT. DIESER KRIEG FÜHRTE IN DIE DUNKELSTE ZEIT UNSERER GESCHICHTE. IM ZWEITEN WELTKRIEG FAND DIESE ZEIT IHREN TRAURIGEN HÖHEPUNKT.

AMERIKA VERDANKEN WIR DAS WIRTSCHAFTSWUNDER, DAS UNSEREM LAND DEN AUFSCHWUNG BRACHTE.

DOCH DIE ZEITEN SIND ERNEUT DUNKEL. BERLIN HAT VERSAGT. STEUERERÖHUNGEN, ARBEITSLOSIGKEIT UND SOZIALE KÄLTE DOMINIEREN DAS LAND.

DIE BÜRGERINNEN UND BÜRGER MÜSSEN FÜR EINE VERFEHLTE POLITIK ZAHLEN.

LASST UNS GEMEINSAM AM 26. OKTOBER IN EINE BESSERE ZUKUNFT AUFBRECHEN!

KOMMT ZUR VOLKSABSTIMMUNG UND SAGT: JA!

SAGT JA ZUM AUSTRITT AUS DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND.

SAGT JA ZUR UNABHÄNGIGKEIT VON BAYERN, HESSEN UND BADEN-WÜRTTEMBERG.

MEHR ZU UNSEREM PROGRAMM FINDEN SIE IM INTERNET ODER IN DEN GESCHÄFTSSTELLEN UNSERER VEREINE.

UNTERZEICHNET

MEIN HESSEN e. V., SCHÖNES BAYERN e. V., DEIN BADEN-WÜRTTEMBERG e. V.

„Zumindest brauchen wir kein Rätselraten mehr zu veranstalten, um herauszufinden, was für eine Volksabstimmung von Carstheim durchführen will.“ Schindling nahm die Lesebrille vom Kopf. „Der Freiherr macht also Ernst.“

Brandner hängte sein Jackett über eine Stuhllehne. In seinen Achselhöhlen hatten sich Schweißflecke, so groß wie Untertassen, gebildet.

„Ob wir wollen oder nicht. Wir müssen auf diese separatistische Propaganda reagieren.“

Brandner war unfähig Schindling zu antworten. Er beschäftigte sich mit dem, was geschehen konnte, sollten sich diese Entwicklungen verschärfen. Das kann nicht sein. Das muss eine groß angelegte Werbekampagne für ein Scheißprodukt sein. Kein Mensch ist so verrückt und greift die Deutsche Einheit an.

„Die Ministerpräsidenten und die wichtigsten Politiker des Südens müssen kontaktiert werden“, sagte der Innenminister. „Und in einer halben Stunde solltest du eine Rede ans Volk halten. Der Aufruf darf nicht unterschätzt werden. Deutschland und Europa befinden sich in dermaßen schlechter Verfassung, dass die Süddeutschen durchaus auf die Volksabstimmung anspringen könnten.“

„In einer Stunde möchte ich meinen Krisenstab sprechen und ihr müsst mir die Ministerpräsidenten der sogenannten Freistaaten ans Telefon holen“, sagte Schindling entschlossen. „Jede Sekunde zählt. Besorgt mir jegliche Informationen, die es über die Vereine gibt. Und sorgt dafür, dass die Medien die Hetzschriften nicht auf ihren Anzeigenseiten bringen.“

„Wir werden tun, was in unserer Macht liegt.“ Brandner griff nach seinem Jackett und vom Innenminister wurde er aus dem Büro gezogen.

Allein gelassen, studierte Schindling das Flugblatt ein zweites Mal. Seiner Einschätzung nach handelte es sich um populistisches Geschwätz.

„Deutschland ist getrennt, die UdSSR wird die DDR nicht zurückgeben. Das ist so und das wird so bleiben. Der Ruf nach einer Wiedervereinigung ist Blödsinn.“ Eine tief in seinem Gedächtnis verborgene Sozialkundestunde war in Schindling aufgekeimt. Er sah das Klassenzimmer und seinen Freund und Tischnachbarn, der den Satz von sich gegeben hatte, vor sich.

„Deutschland ist getrennt und basta“, hörte er sich selbst sagen.

Seine damalige Klassenlehrerin war eine junge Pädagogin Jahrgang '61. Wegen der späten Geburt war es ihr schwergefallen, den deutschen Wunsch nach einer Wiedervereinigung zu erklären.

„Für die älteren Bürger ist die Wiedervereinigung ein zentrales Thema“, erklärte sie wenig überzeugend.

„Was soll das. Ohne die Pershing II wären die Sowjetpanzer schon unterwegs“, quatschte sein Freund dazwischen.

„Wiedervereinigung auf Russisch“, fügte er unter dem Gelächter der Mitschüler hinzu.

„Lieber rot als tot“, tönte es aus der hintersten Reihe.

„Andi ist doch bei den Jusos. Hängt den Genossen neben die Grünen, solange es noch Bäume gibt.“ Seine bei der Klassensprecherwahl unterlegene Gegenkandidatin hatte für einen weiteren Lacher gesorgt.

Veralbert war die Stunde zu Ende gegangen.

1986 hätten 90 % der Deutschen, wie wir, jede Wette angenommen, dass es nie zur Wiedervereinigung kommt. Doch nur drei Jahre später fiel die Mauer.

Schindlings in Fluss gekommene Erinnerung landete in einer Geschichtsstunde der Oberstufe.

„Hätten Sie im Februar 1929 den Bürgern der Weimarer Republik erzählt, dass in vier Jahren ein menschenverachtendes totalitäres Regime an der Macht ist. Was denken Sie, hätten die zu Ihnen gesagt. Und hätten Sie weiter prognostiziert, dass deren Rechtsbewusstsein genauso eingeschränkt wird wie die Pressefreiheit.“

Tätchler, sein Geschichtslehrer, war von der Tafel in die Mitte der Klasse getreten und auf seine unnachahmlich besserwisserische Art hatte er die Ausführungen beendet.

„Selbst jene, die fünf Jahre später ihre Nachbarn an die Gestapo verraten haben, hätten zu ihnen gesagt: Alter du hast den Arsch offen.“

Er hatte als einer der wenigen gelacht. Tätchler hatte eine Mischung aus Autorität und Witz besessen, die bei aller Abneigung für eine gewisse Bewunderung bei ihm gesorgt hatte.

Drei bzw. fünf Jahre, in denen das Unvorstellbare Realität wurde.

Durch sein Fenster sah Schindling auf das Treiben vor dem Kanzleramt. In der Scheibe zeichnete sich sein Spiegelbild ab. Das Spiegelbild zeigte einen gut aussehenden, vertrauenswürdigen Mann Anfang fünfzig, der ausgeprägte Wangenknochen und volles schwarzes Haar besaß. Im Geiste formulierte er seine Rede.

Dreißig Minuten hatte Schindling gebraucht, um sich auf die vom Innenminister einberufene Pressekonferenz vorzubereiten, eigentlich war das zu wenig Zeit. Er musste sich aber der Bevölkerung stellen. Die im Süden allgegenwärtige Kampagne hatte wie von ihnen befürchtet eine Lawine der Empörung im Nord-Osten des Landes ausgelöst. In den zurückliegenden Jahren waren mehrfach Artikel gedruckt worden, die sich mit einer Abspaltung des Südens beschäftigt hatten. Für voll genommen hatte die jedoch keiner. Dass dies ein folgenschwerer Fehler war, wurde ihm jetzt bewusst und er war stinksauer. Noch beschränkte sich seine Wut aber auf die drei Ministerpräsidenten des Südens. Keiner von ihnen hatte sich bisher gemeldet. Ungehalten trat er in den Presseraum des Kanzleramtes, vor die Journalisten. Wie ganz Deutschland standen die unter Schock. Er konnte sehen, dass sie darauf hofften, dass er eine plausible Erklärung für die Kampagne hatte. Leider war dem nicht so und er verzichtete auf eine Begrüßung. Die Situation war zu ernst und nette einleitende Worte würden die Vorkommnisse nur verharmlosen.

„Als Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland“, sagte er aus dem Stegreif, „möchte ich die Bürgerinnen und Bürger des Landes auf das ansprechen, was heute Morgen begonnen hat. Es geht um die im Süden des Landes gestartete separatistische Kampagne. Bevor ich zum Kern komme, möchte ich aber eines klipp und klar sagen. Deutschland wird solch eine absurde Bestrebung nicht dulden. Und für die, die auch nur im Entferntesten daran denken, dieser Revolution zu folgen, wird das ungeahnte Konsequenzen haben. Jeder in diesem Land sollte bedenken, dass wir einen Wohlstand in der Bundesrepublik geschaffen haben, den nur wenige Staaten ihr Eigen nennen können. Und das verdanken wir alleine dem Umstand, dass die Stärkeren für die Schwächeren eingestanden sind. Gemeinsam haben wir Opfer gebracht, die unser Land stark machten.“ Schindling hielt kurz inne und der gesamte Presseraum starrte ihn an. Er hatte wie stets auf einen Redenschreiber verzichtet. In solchen Fällen verließ er sich auf sein Einfühlungsvermögen und seine angeborene Rhetorik.

„Und mit aller Deutlichkeit möchte ich zum Ausdruck bringen, dass diese süddeutschen Fanatiker die Bundesrepublik Deutschland zerstören wollen. Die Bundesregierung wird mit allen juristischen Mitteln dagegen vorgehen. Das ist eine Warnung an all die Kräfte, die das zerstören wollen, was unsere Väter, Mütter und wir selbst erschaffen haben. Ich klage sämtliche an den Unabhängigkeitsbestrebungen beteiligte Personen der Volksverhetzung an.“

Schindlings eben noch verhärteten Gesichtszüge weichten auf.

„Dasselbe gilt für diejenigen, die zur Verbreitung der Hetzschriften beitragen.“

„Wenn es nach mir geht, würde ich jeden, der auch nur im Entferntesten an der Geschichte beteiligt ist, in Untersuchungshaft nehmen“, sagte der Innenminister. Er stand zwischen Dana Engelhard, einer seiner Staatssekretärinnen, und dem Außenminister, unweit vom Kanzler.

„Wird schwer werden, die Sezession vor Gericht zu stellen“, antwortete seine Staatssekretärin.

„Woher nehmen Sie die Weisheit?“

„Wer auch immer dafür verantwortlich ist, hat viel Geld ausgegeben. Er wird die besten Anwälte auf seiner Gehaltsliste haben.“

„Stimmt. Bei unserem Gegenspieler ist mit allem zu rechnen.“

„Sie wissen, wer es ist?“

„Oh ja.“

„Wer?“

„Das werden Sie gleich bei der Besprechung erfahren“, sagte der Innenminister und schloss sich dem Tross an der sich hinter Schindling gebildet hatte. Schindling hatte seine Ansprache an die Presse soeben beendet und an ihnen vorbei den Presseraum verlassen.

Leise diskutierend begaben der Innenminister und der Außenminister sich in den Konferenzsaal Nr. 1. So nannte Schindling den Raum, den er für Geheimbesprechungen bevorzugte. Fünfundzwanzig Lederstühle mit hoher Rückenlehne verteilten sich um einen überdimensionalen Tisch. An jedem Platz des champagnerfarbenen Tisches war ein Computerbildschirm eingelassen. Sämtliche Männer und Frauen, die zu dem Tross gehörten, sahen Schindling erwartungsvoll an, während sie sich an den Tisch setzten.

„Sie sind darüber informiert worden.“ Schindling baute sich an der Stirnseite des Tisches auf. „Dass der Süden des Landes seit den frühen Morgenstunden mit Abspaltungs-Propaganda überflutet wurde. Dafür verantwortlich zeichnet Freiherr Adrian Benedikt von Carstheim. Er ist Chef der Bühler Firmengruppe. Seine Familie gehört zum ältesten süddeutschen Adel. Ich brauche Vorschläge, wie wir mit der Kriegserklärung aus dem Süden umgehen sollen.“

„Herr Bundeskanzler. Das alles klingt doch sehr unglaubwürdig, kein Mensch wird dem Unsinn Gehör schenken. Es ist unvorstellbar, dass die Bevölkerung auf solch einen Unfug hereinfällt“, sagte ein Staatssekretär des Außenministers.

„Wäre ich der Meinung, dass es sich um einen Scherz handelt, würde ich nicht unsere Zeit verschwenden.“ Schindling packte verblüfft von der Aussage des Staatssekretärs den Aktenstapel, der sich vor ihm auftürmte, und schob ihn zum Innenminister. Die Akten beinhalteten die Grundaussagen der Separatisten. Das Innenministerium hatte sie aus dem Internet besorgt. Gerade in den sozialen Netzwerken war die Kampagne besonders stark vertreten.

„Wir dürfen uns nicht lächerlich machen. Eine Unabhängigkeit von Bundesländern ist nicht zu verwirklichen“, sagte der noch amtierenden Außenminister und Vizekanzler. Als Parteivorsitzender der CDU war er aber nur noch Regierungsmitglied auf Zeit. Und ihm erging es wie seinem Staatssekretär. Er hielt die Sezessionsbestrebungen für Blödsinn. Bestenfalls war dies ein Werbegag, der sich in drei Wochen erledigt hatte.

„Wäre zu schön“, sagte der Innenminister, während er die Akten verteilte. „Aber kennen Sie von Carstheim?“

„Nein.“

„Dann sollten Sie sich zurückhalten, was solche Äußerungen angeht. Von Carstheim macht keine halben Sachen. Er ist der Überzeugung, dass die Firmenchefs, die Feldherren der Moderne sind. Die Angestellten sind ihre Armee und die Finanzmärkte sind das Schlachtfeld. Seit vier Jahren propagiert er, dass Europa dabei sei, den Weltwirtschaftskrieg zu verlieren.“ Der Innenminister schubste eine Akte an den Platz des Außenministers. „Überzeugen Sie sich selbst.“

„Nur wenn es sein muss.“ Der Außenminister ließ die Akte links liegen. Seine Aufmerksamkeit galt Schindling.

„Die Mentalität des Südens“, sagte der, „ist fruchtbarer Boden für solche Propaganda. Die Verantwortlichen dieser Bundesländer haben uns oft genug zu verstehen gegeben, dass die Liberalität der Bundesregierung und Europas nicht mehr in ihr Weltbild gehört. Viele Politiker und Wirtschaftsbosse des Südens haben hinter vorgehaltener Hand, wenn nicht offen, ihre Kritik geäußert. Wie von Carstheim beschweren sie sich über die passive Haltung der Europäischen Union, was den Weltwirtschaftskrieg mit Asien und Amerika angeht. Sie betonen bei jeder Gelegenheit, dass der Mittelstand endlich stark gemacht werden muss, um für den Kampf gegen China und Indien gerüstet zu sein, anstatt in deren Abhängigkeit zu münden. Und auch bei der ungelösten Problematik, was die Armutsflüchtlinge angeht, werfen sie Brüssel und Berlin ein Versagen vor. Wie also, Herr Außenminister, würde das auf die Bürgerinnen und Bürger wirken, wenn wir nicht entschlossen gegen die Sezession vorgehen? Und schließlich: Können Sie mir eine Garantie geben, dass sich dieser Schwachsinn in einer Woche erledigt hat? Ich glaube das nicht.“ Finster sah Schindling den Staatssekretär des Außenministers an. Der konnte dem Blick nicht standhalten.

„Schreiber, Heinrichs und Steiger müssen sich gegen eine Volksabstimmung stellen“, sagte Brandner nun beschwichtigend. „Und wir müssen natürlich mit den süddeutschen Abgeordneten sprechen, um herauszufinden, wer sonst noch in die Sezession verwickelt ist.“

„Als Erstes muss überprüft werden, ob eine privat durchgeführte Volksabstimmung rechtlich überhaupt möglich ist“, sagte der Innenminister in Habachtstellung. Schindling, konnte er sehen, war nahe dran zu explodieren.

„Selbst wenn eine private Volksabstimmung erlaubt sein sollte, bleibt es ein Aufruf zum Hochverrat. Und das ist mit Sicherheit verboten oder ist da jemand anderer Meinung?“, tönte Bertlick in den Tisch. Als Justizminister fühlte er sich verpflichtet, diese Frage stellen.

„Natürlich nicht. Was machen wir aber, wenn sich die Ministerpräsidenten querstellen?“, fragte der Außenminister und spreizte seine feingliedrigen Finger über die Akte. Als einziger hatte er noch keinen Blick in sie geworfen.

„Dann Gnade uns Gott“, zischte der Innenminister. Und an seiner Reaktion konnte jeder ablesen, was das für die Zukunft des Landes bedeuten würde.

„So, wie ich das sehe, treffen die Aussagen der Hetzschriften den Nerv der Bürgerinnen und Bürger. Die Steuern und Abgaben wurden seit den Siebzigerjahren stetig erhöht und der Staat ist hoch verschuldet. Hier ist der soziale Friede schon länger gefährdet. Und von Carstheim verspricht den Menschen einen Neuanfang.“ Dana Engelhard, die Staatssekretärin des Innenministers hatte ihren Mut zusammengenommen. Sie befürchtete jedoch, dass man sie für vorlaut halten könnte. Der Raum schien zu schrumpfen und ihr wurde heiß.

Schindling aber gefiel ihre Offenheit. Schönfärberei konnte er nicht gebrauchen. „Fahren Sie fort“, animierte er die junge Staatssekretärin wohlwollend.

„Von Carstheim suggeriert den Menschen, dass ein Neuanfang einzig im und durch den Süden möglich ist, weil dort die notwendigen finanziellen Mittel und Strukturen am ehesten vorhanden sind. Hier müssen wir ansetzen. Die Bürger des Südens dürfen nicht mit nationalistischen Parolen gegen den ärmeren Norden und Osten eingenommen werden. Sollte das geschehen, hat Deutschland verloren.“

„Schon eine Spontanbefragung könnte ergeben, dass viele Bürger den von Carstheimschen Ideen positiv gegenüberstehen. Eine Gegenkampagne muss unverzüglich eingeleitet werden“, bestätigte Schindling die Aussage der Staatssekretärin und durch einen Fingerzeig hielt er den Außenminister davon ab, etwas zu sagen. Frau Engelhard war noch nicht fertig und er wollte hören, was sie noch zu sagen hatte. Zusätzlich wunderte er sich, dass der Innenminister diese Frau bisher vor ihm verborgen hatte und die kam jetzt richtig ins Rollen. Ihre Stimme wurde fester.

„Auch seine Persönlichkeit stellt eine Gefahr dar“, sagte sie und kreuzte dabei furchtlos den Blick mit dem Außenminister. „Ein Multimilliardär, der sich als Verteidiger der Deutschen Wirtschaft hervorgetan hat, verspricht den Menschen eine besser Zukunft. Das wird nicht ohne Wirkung bleiben. Er ist kein verbrauchter Politiker oder rechter Demagoge, genauso wenig ist er ein das Ende des Regenbogens versprechender Linker. Von Carstheim könnte der Mann sein, auf den die unzufriedenen Bürger gewartet haben. Zumindest im konservativ starken Süden.“

„Wir haben einen Gewinner“, sagte Schindling und in bester Uni-Tradition klopfte er mit den Knöcheln auf den Tisch. Er würde die Staatssekretärin im Auge behalten. Sie erweckte einen vielversprechenden Eindruck.

Von ihr sah er zur Tür. Jonas war eingetreten und lief zu einem der Computerterminals und nach wenigen Sekunden erschien das Bild von Adrian von Carstheim auf jedem Monitor am Tisch. Die Aufnahme zeigte ihn bei der Grundsteinlegung der Teststrecke des Le Train. Der Transrapid war vor Ewigkeiten gestorben. Der schnellere und wesentlich günstigere Le Train war aber seit vier Jahren das europäische Thema Nummer eins. Von Carstheim war Initiator und treibende Kraft des Projekts. „Wenn wir Züge mit sechshundert bis siebenhundert km/h nonstop über den Kontinent düsen lassen, kann sich jeder ausmalen, was das bedeutet. Paris-Berlin in zwei Stunden. Wir alle wissen, welche Vorteile das für den Güter- und Personenverkehr bringt. Von der positiven CO²-Bilanz, im Vergleich zum Fliegen, einmal abgesehen. Und vergessen Sie nicht, dass die Flughäfen an ihre Grenzen gestoßen sind, noch mehr Start- und Landebahnen sind schwer zu verkaufen.“

Durch diese Ansprache hatte von Carstheim halb Europa vom Le Train überzeugt und vor sieben Wochen hatten die Partnerländer die Verträge unterzeichnet.

„Freiherr Adrian Benedikt von Carstheim ist vierundvierzig Jahre alt und alleiniger Geschäftsführer der Bühler Firmengruppe“, las der Innenminister nun vor. „Er ist in Karlsruhe geboren und studierter Diplom-Betriebswirt. Er investiert in innovative Hightechunternehmen, aber auch in Lebensmittelfirmen. Die Produktpalette der Bühler Firmengruppe umfasst circa achthundertfünfzigtausend Produkte und der Jahresumsatz liegt bei Hundertdreiundzwanzig Milliarden Euro.“ Demonstrativ klappte der Innenminister das Dossier, aus dem er vorgelesen hatte, zu. Es war beinahe ein Zuschmettern.

„Lasst ihn uns festnehmen, solange es noch geht“, sagte Bertlick. Dass der eher besonnene Innenminister Gefühle zeigte, sprach in seinen Augen für sich.

„So einfach wird er es uns nicht machen. Kennen Sie die Zeitrafferaufnahmen von einem gefrierenden See?“ Direkt hatte Triebich, der Wirtschaftsminister, seine Frage an Bertlick gerichtet.

„Ob er Schlittschuh läuft, ist mir egal.“ Bertlick zuckte mit der Schulter.

„Bei den Verhandlungen über Le Train habe ich ihn kennengelernt. Als er hinzustieß vereiste der gesamte Raum. Für ihn heißt verhandeln, nach seiner Pfeife tanzen.“

„Sie hätten halt besser heizen sollen und Sie brauchen nicht vor Ehrfurcht zu erstarren. Wer hat noch die Hosen voll?“ Bertlick machte eine wegwerfende Handbewegung. Triebich war für ihn der falsche Gesprächspartner. Ein Bürokrat, der sich durch Fleiß und Beharrlichkeit nach oben gearbeitet hatte. Mäßig Intelligent und unkritisch. Der klassische Parteisoldat, der nicht über den Tellerrand blickte und von denen es zu viele gab. Bertlick selbst zählte sich zu den Machern, die Konflikte nicht scheuten. Deswegen verachtete er den Politmenschen Triebich. Dem ging es doch nur um den eigenen Posten. Er zuckte erneut mit der Schulter.

„Was wollen Sie andeuten?“, sagte der Außenminister.

„Für mich sieht es fast so aus, als ob einige hier am Tisch den Freiherrn insgeheim bewundern und wie konnten die Vereine überhaupt unbemerkt vom Verfassungsschutz operieren?“ Verständnislosigkeit machte sich in Bertlicks Stimme breit. Er warf seine Akte in die Mitte des Tisches und ihr folgend beugte er sich nach vorne.

„Mir kann doch keiner erzählen, dass das unbemerkt geschehen kann?“

„Von Carstheims Geld und Einfluss werden für das Schweigen gesorgt haben“, sagte der Innenminister.

„Ein schwacher Trost.“

„Entschuldigung.“ Fröhlich fand, dass der Zeitpunkt gekommen war, sich in die Diskussion einzubringen. Zu offen wurde er von Bertlick angegriffen. Das konnte und wollte er nicht auf sich sitzen lassen.

„Meine Nachforschungen haben ergeben“, sagte er mit seinem Respekt einflößendem Bass, „dass den drei Hauptvereinen ein flächendeckendes, gut organisiertes Netz von Ortsvereinen untersteht. Zwar wurden auch im Norden und Osten der Republik Clubs gegründet, das geschah augenscheinlich aber nur, um die eigentlichen Ziele zu verschleiern.“

„Ich will mich ja nur ungern wiederholen, aber wie kann es sein, dass solch eine deutschlandfeindliche Planung nicht dem Verfassungsschutz auffällt? Sind wir hier im Dschungel, oder was?“

„Thomas, lass Fröhlich ausreden“, sagte Schindling. Er vermutete, dass Bertlick mit seinem Auftreten seinen Ruf als harter Hund untermauern wollte. Der Justizminister konnte, wenn es sein musste, mit dem Kopf durch die Wand gehen. Er hatte ihn nach Grubers Rücktritt aus dem saarländischen Landtag in sein Kabinett berufen und ihn auf dem Posten des Justizministers geparkt. In naher Zukunft sollte er den Innenminister beerben. Die Entwicklungen in Deutschland hatten für diesen Entschluss gesorgt. Deutschland hatte sich zu sehr verändert. Deswegen brauchte das Innenministerium einen unnachgiebigen Mann wie ihn.

„Wenn du meinst, dass es hilft.“ Bertlick machte eine einladende Handbewegung, redete aber leise auf den Außenminister ein.

„Danke, Herr Bundeskanzler, dass Sie den Justizminister darüber aufgeklärt haben, dass er sich nicht in einer Talkshow befindet. An diesem Tisch sollte man ausreden dürfen“, sagte Fröhlich und mit einem herablassenden Nicken konterte er Bertlicks Handbewegung.

„Herr Fröhlich, das muss auch nicht sein“, sagte der Innenminister um Versöhnung bemüht.

„Ja, genug gemenschelt“, rief Schindling und selbst Bertlick verstummte. Schindlings Wangen hatten sich geglättet, das war ein untrügliches Signal dafür, dass dessen Wut-Barometer am Ansteigen war. Und einen Ausbruch wollte keiner. Schindling hatte gestandene Politikerinnen zum Heulen und erfahrene Politiker zum Schluchzen gebracht. Wenn es drauf ankam, scheute er auch nicht davor zurück, Minister aus Besprechungen zu werfen, wenn die der Arbeit hinderlich waren. Eifersüchteleien und dummes Gequatsche waren ihm genauso fremd wie Faulheit und Demut. Mit seinem Einzug im Kanzleramt hatte sich der Wind gedreht. Er hatte sogar der amerikanischen Regierung klipp und klar zu verstehen gegeben, dass die deutschen Interessen an erster Stelle standen. Das Ausspionieren deutscher Firmen oder Politiker würde es mit ihm nicht geben. Und obgleich Schindling ein humorvoller Mann war, verstand er bei prinzipiellen Dingen keinen Spaß.

„Nun gut“, sagte Fröhlich. „Wo war ich stehen geblieben … Ach so, ja … Also vor zwei Jahren gab es Ermittlungen betreffend Mein Hessen e. V. Der Verfassungsschutz hat angefragt, ob er in der Sache weiter vorgehen soll. Gruber hatte das aber untersagt. Und auch meiner Behörde sind die Mittel gekürzt worden. Eine Vielzahl meiner Männer ist außerdem durch die Rechts- und Linksradikalen und den islamistischen Terror gebunden. Und keiner, auch Sie nicht meine Damen und Herren, hat dem gelegentlichen Aufkommen von separatistischem Gedankengut besondere Bedeutung beigemessen.“

Fröhlich stoppte in seiner Rede ab. Eine Assistentin des Kanzlers platzte in die Konferenz. Aufgeregt redete sie auf Schindling ein. Als sie geendet hatte, raunte sie eine Entschuldigung.

„Heinrichs und Schreiber haben beschlossen, ohne Rücksprache mit uns, eine Ansprache an die Bürger zu halten“, erklärte Schindling das Erscheinen seiner Assistentin.

„Das sollten wir uns nicht entgehen lassen.“

Von Carstheims Bild wurde, kaum dass der Innenminister ausgesprochen hatte, vom Presseraum der Stuttgarter Staatskanzlei abgelöst.

Schreibers engster Beraterstab reihte sich in seinem Rücken auf. Der Raum war brechend voll und stickig. Die Reporter, die zu spät gekommen waren, mussten im Gang stehen. Der Andrang war einfach zu groß.

„Meine Damen und Herren. Ich will es kurz machen“, sagte Schreiber und trat neben das Rednerpult. Für den Raum brauchte er kein Mikro.

„Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sind elementare Grundprinzipien aller westlichen Staaten. Die Bundesrepublik hat diese Eckpfeiler moderner Staatlichkeit fest im Grundgesetz verankert. Manchmal laufen die Ansprüche der Bürger aber den Regeln entgegen, die uns der Rechtsstaat auferlegt hat. Was aber ist wichtiger? Die Gesetze oder die Demokratie? Die Demokratie ist unser höchstes staatliches Gut und sie ist ein zerbrechliches Gebilde, das allzu oft zum Einsturz gebracht wurde.“ Schreiber wandte sich nach diesen Worten von den Journalisten an seinen Beraterstab.

„Die Frage, ob eine Volksabstimmung die demokratische Form der bürgerlichen Mitbestimmung darstellt und ob wir sie anstreben sollten, ist schwer zu beantworten.“ Schreiber drehte sich jetzt wieder in die Kameras. „Vor zwanzig Minuten haben ich und mein bayerischer Amtskollege über eben diese grundsätzliche Frage beratschlagt. Dabei sind wir zu der Überzeugung gelangt, dass der Zusammenbruch der Demokratie mehr Schaden angerichtet hat, als alles andere. Zwei Weltkriege und die kommunistische Diktatur in der DDR haben uns das eindrucksvoll gelehrt. Deswegen werden wir die Volksabstimmung tolerieren. Die Bürger unserer Bundesländer sollen selbst über ihre Zukunft entscheiden.“

Der Innenminister rutschte die Rückenlehne seines Stuhls hinab.

„Schreiber hat uns, wenn ich das Gehörte richtig interpretiere, zu verstehen gegeben, dass er sich eine Existenz ohne die Bundesrepublik vorstellen kann?“, sagte er schwer atmend.

„Das erklärt natürlich einiges. Der bayerische und baden-württembergische Verfassungsschutz haben bei den Vorbereitungen ein, wenn nicht beide Augen zugedrückt“, sagte Fröhlich. Auch er stand sichtlich unter dem Eindruck dessen, was Schreiber von sich gegeben hatte.

„Jeder verfügbare Staatsschutzbeamte wird abgezogen und dem Verfassungsschutz zur Verfügung gestellt, wenn es sein muss, ziehen Sie die Beamten des BND hinzu. Ich möchte, dass jeder Politiker des Südens überprüft wird. Finden Sie heraus, wer der Sezession zugeneigt ist.“ Schindling konnte sich denken, dass seine Worte für zusätzliche Bestürzung sorgten, das war ihm aber egal. Die Sezession durfte nach Schreibers Rede nicht mehr unterschätzt werden. Der Verrat an der Bundesrepublik hatte ungeahnte Dimensionen angenommen.

„Der BND ist unser Auslandsgeheimdienst. Ich denke nicht, dass es gut ist unsere Geheimagenten gegen die eigenen Mitbürger und Politiker einzusetzen.“ Voigt, dem BND-Chef, war nicht wohl dabei, Schindling zu widersprechen.

Und der reagierte wie erwartet. „Skrupel sind völlig fehl am Platz. Wir brauchen jeden Mann, um an Informationen zu kommen, und es ist mir wurscht, wer sie besorgt. Wir dürfen keine Zeit mehr mit Gewissensbissen verschwenden. Sie, Herr Außenminister, werden in den kommenden Tagen unsere wichtigsten europäischen Partner besuchen. Überreden Sie sie, gegen von Carstheim vorzugehen. Le Train macht ihn angreifbar. Züge können auch andere Firmen bauen. Für Männer wie von Carstheim ist Geld das Wichtigste, nehmen wir es ihm, wird er bereit sein zu verhandeln. Erfinden Sie eine passende Geschichte.“ Schindling gab dem Außenminister keine Gelegenheit zu antworten. Er drehte sich zum Innenminister. „Walter, du begibst dich noch heute nach Wiesbaden und wirst dafür sorgen, dass Steiger sich nicht Schreiber und Heinrichs anschließt. Du musst einen Keil in die entstehende Phalanx des Südens treiben und unsere besten Juristen müssen auf die Sezession angesetzt werden. Und ich denke nicht, dass ich extra erwähnen muss, dass für jeden wichtigen Mitarbeiter eine Urlaubssperre herrscht.“ Nacheinander sah Schindling den Innenminister und den Justizminister an. Der Innenminister reagierte als erster.

„Ich werde unternehmen, was in meiner Macht steht und Frau Engelhard wird mich begleiten. Aber weißt du, was das bedeutet? Die Sezession ist kein übler Scherz oder Promotion-Gag. Sie ist so gut vorbereitet, dass wir einen Flächenbrand befürchten müssen. Eine Unabhängigkeit der drei deutschen Länder kann real werden. Wir müssen …“, der Innenminister suchte nach einer passenden Erklärung.

„Wenn es etwas gibt, auf das wir uns konzentrieren müssen, ist es, eine handlungsfähige Regierung zu bilden“, ergänzte Schindling. Seine nach außen getragene Zuversicht war aber nur Mittel zum Zweck. Die Sezession würde ein längerer Bestandteil der deutschen Politik werden.

Die Freistaaten

Подняться наверх