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ACHTUNG, TOXISCHE GEFAHR!

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WARUM SCHAM KRANK MACHT

Und was passiert in unserem Körper, wenn wir eine richtige Schamattacke haben? Wenn sie uns nahezu überflutet? In den USA, wo die Schamforschung schon sehr viel weiter ist als in Europa, beschäftigt sich unter anderem die Wissenschaftlerin Sally S. Dickerson mit dem Phänomen Scham. Es geht ihr darum, die komplexen Zusammenhänge zwischen Hormonen, unserem Immun- und Nervensystem sowie unserer Psyche zu erfassen. Dickerson erkannte, wie die seelischen Einflüsse der Scham unsere Gesundheit nachhaltig beeinträchtigen. Die Resultate sind bahnbrechend – und erschreckend.

Dickerson untersuchte zunächst den Hormonhaushalt von Tieren, die einem dominanteren Artgenossen begegneten und eine demütige Haltung einnahmen. Im Blut der Unterwürfigen stiegen daraufhin die Konzentrationen von entzündlichen Zytokinen stark an. Zytokine sind biochemische Botenstoffe, mithilfe derer sich die verschiedenen Immunzellen in ihrem Kampf gegen Infektionen untereinander vernetzen. Genau wie Cortisol gestaltet sich ihre Anwesenheit in der richtigen Menge als nützlich, aber im Überfluss als gefährlich und gesundheitsschädlich.

Ein ausgewogener Zytokinspiegel fördert das Zellwachstum, sehr hilfreich bei Verletzungen oder Infektionen, und hemmt die Verbreitung von Viren. Zu viele Zytokine jedoch begünstigen Entzündungen, schwächen das Immunsystem und schädigen die Darmflora. Um zu testen, ob die Scham auch beim Menschen den Zytokinmotor anwirft, entwarf Dickerson eine neue Versuchsreihe. Sie bat eine Gruppe von Probanden, sich besonders schambehaftete Erlebnisse aus ihrem Leben von der Seele zu schreiben. Und ließ ein Tagebuch führen, in dem sich die Probanden täglich 20 Minuten mit all ihren »Verfehlungen« auseinandersetzen mussten. Allein die Scham in der Re-Traumatisierung war so groß, dass das Zytokin TNF alpha um bis zu 25 Prozent (!) anstieg.4 Ein signifikanter und überaus schädlicher Anstieg, da TNF alpha bei allen Formen von Entzündungen beteiligt ist. Eine lokal erhöhte Konzentration von TNF zeigt die klassischen Entzündungssymptome: Hitze, Schwellung, Rötung und Schmerz. Hohe systemische TNF-Konzentrationen führen sogar zu einer Schocksymptomatik. Die Betroffenen fühlen sich einen Moment lang schwach und wie gelähmt. Der Anstoß dazu kommt laut der Forscher offenbar aus einem speziellen Teil der Großhirnrinde. Wenn dieser geschädigt ist, verliert der Mensch sein Schamgefühl. Er stellt sich bloß, ohne es zu merken. Scham und Immunsystem stehen also in einem engen Zusammenhang.

Dickerson stellte sich dann die nächste, unausweichliche Frage: Welche Folgen hat Scham auf Menschen, die an einer Immunschwächekrankheit leiden? Die Wissenschaftlerin ging der Frage in einer Neun-Jahres-Studie an HIV-infizierten Männern nach und stellte fest, dass die Sterberate bei denjenigen HIV-Patienten deutlich höher war, die unter einem negativen und von Scham besetzten Selbstbild litten. In der Regel starben sie zwei Jahre früher. Allerdings fand die Studie zu einem Zeitpunkt statt, als die Medikamente noch nicht so wirksam waren wie heute. Sie untersuchte auch HIV-infizierte Frauen und bemerkte, dass bei denjenigen, die unter großer Scham litten, die Helferzellen deutlich stärker abnahmen als bei rein depressiven Patientinnen. Ihr Immunsystem litt dementsprechend mehr als das derjenigen Frauen, die einfach »nur« unglücklich waren.

»Isolation, Ablehnung und Stigmatisierung werden oft als schamvoll erlebt.«

Isolation, Ablehnung und Stigmatisierung werden oft als schamvoll erlebt und gehen im Körper mit Entzündungssymptomen einher. Dickersons Ergebnisse sind ein klarer Beleg für den negativen Einfluss der Scham auf den ganzen Körper. Das Gefühl, nicht mit anderen verbunden zu sein, macht unseren Körper krank und anfällig für Depressionen.5

Fazit: Scham als Bedrohung für das soziale Selbst, wie es Dickerson beschreibt, macht nicht nur krank, je nach Umstand hat sie sogar tödliche Folgen!

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