Читать книгу Wortwalz - Jessica Schober - Страница 11
Das Crowdfunding –
Ich bin nicht allein
ОглавлениеMit meinen Einnahmen als freie herumreisende Lokaljournalistin werde ich nicht reich werden. So viel steht fest. Ich habe aber laufende Ausgaben in München, weil ich mich ja nicht traue, mein geregeltes Leben komplett aufzulösen. Deshalb will ich noch etwas anderes ausprobieren: Crowdfunding. In der letzten Zeit habe ich beobachtet, dass sich immer mehr kreative und journalistische Projekte so finanzieren. Auf Portalen im Netz stellen Menschen ihre Ideen vor. Andere schauen sich die Videos an, und wem ein Projekt gefällt, der klickt auf »unterstützen«. Mal sind es fünf Euro, mal 25 Euro mal 250 Euro. Die Summe kann verschwindend gering wie ein Taschengeld sein, das Kleinvieh macht die Reise möglich.
Bevor mein Crowdfunding losgeht, brauche ich eine Internetseite. Die baue ich selber. Wenn ich schon unter dem Motto losmarschiere »Journalismus ist ein Handwerk«, dann gehört wohl dazu auch, den Internetauftritt allein zu zimmern. Wie mühsam das ist! Bald habe ich gehörig die Nase voll vom Selbermachen. Aber immerhin hat mich das Ganze auf diese Weise kaum etwas gekostet. Eben nur diese 11,88 Euro für die Domain-Registrierung damals. Mein Lieblingsnachbar Frank dreht mit mir ein Video. Das Twitter-Profil namens »Wortwalz« habe ich mir schon vor einem Jahr gesichert. Damals hatte ich gemeinsam mit meinem Journalistenkollegen Max weiter am Konzept der Wortwalz gearbeitet. Wir hatten uns sogar um ein Stipendium beworben, um Geld für die Reise zu sammeln. Und eine Absage kassiert. Max stieg aus, ich sagte: »Ich mach’s trotzdem.« Die erste Lektion der Reise lautete: Mach weiter, auch wenn der Mut dich verlässt.
Das Crowdfunding für die Wortwalz soll 30 Tage lang auf dem Portal Startnext laufen. Als ich das Video veröffentliche, kribbelt es mir in den Fingern wie bei einer Online-Auktion auf Ebay. Ich habe mir einen kleinen Kniff überlegt: Ich will nur 142 Euro sammeln, eine symbolische Summe. So viel kostet ungefähr eine Zugfahrt durch Deutschland. Doch im Grunde brauche ich kein Geld für ein Zugticket, denn ich will ja tram-pen und möglichst viel zu Fuß gehen. Eine Wandergesellin hat mir dazu ein Beispiel aus ihrem Reisealltag erzählt: Eigentlich fährt sie nie Zug. Außer in ganz seltenen Fällen, wenn ihre Freunde zusammenlegen und ihr ein Schönes-Wochenende-Ticket für die Bahn kaufen. Dann treffen sie sich außerhalb ihres Bannkreises. Wenn ihre Freunde das anbieten, dann willigt die Wandergesellin ein. Frei nach dem Motto: »Was von Herzen gegeben wird, wird von Herzen genommen.« So will ich es beim Crowdfunding auch machen. Wenn die Menschen mir etwas geben wollen, dann nehme ich es dankbar.
Und sie wollen geben. Ich bin überrascht. Innerhalb weniger Stunden habe ich die 142 Euro zusammen. Und mit jedem Klick steigt die Summe des gesammelten Geldes. Die Besucherzahlen meiner Webseite schnellen in die Höhe. Die Süddeutsche Zeitung will mich interviewen. Mein Postfach quillt über, die Menschen sind begeistert von meinem Vorhaben, dabei bin ich doch noch nicht mal losgelaufen. Wie auf einem Luftpolster schwebe ich an diesen Tagen ins Büro. Eine Crowd, die deine Idee unterstützt, ist wie Rückenwind. Nach 30 Tagen sind tatsächlich 2132 Euro von 74 Unterstützern zusammengekommen. Es ist, als hätte man mir 74 Mal auf die Schulter geklopft.
Der beste Nebeneffekt ist, dass sich mehrere Dutzend Lokalredaktionen bei mir melden. Von Celle bis Regensburg, von Aalen bis Hamburg. Kollegen schreiben mir, wie gut sie die Idee finden, den Lokaljournalismus zu erkunden, und laden mich zu sich ein. Andere bieten mir ein Bett, eine Führung durch ihre Stadt oder Kontakte zu Redaktionen an. Der Lokaljournalismus wird sonst offenbar so sehr belächelt, dass jetzt gleich alle einen Luftsprung machen, wenn mal eine sagt: »Ich nehme mir ein Herz für den Underdog.« Besonders rührt mich die Redaktion der Schwäbischen Post in Aalen. Auf Face-book schicken sie mir ein Foto der versammelten Redaktionsmannschaft und dazu den Text: »Wortwalz! Genial! Gerade sind wir in der Redaktion der Schwäbischen Post in Aalen um einen Computer herumgestanden und haben dein Video geschaut. Wir sind begeistert von deiner Idee und haben überlegt, wie wir dich abhalten können, in den Norden zu fahren, sondern erst einmal im Süden zu bleiben und uns in Aalen zu besuchen. Unser Chefredakteur Lars Reckermann hat dir gerade 150 Euro gespendet und wir überlegen schon, wie wir dich unterbringen könnten.«
Mit solchen Reaktionen habe ich nicht gerechnet. Um ehrlich zu sein, wundere ich mich, dass bisher alles so gut läuft.