Читать книгу Wortwalz - Jessica Schober - Страница 13

Das Reisegepäck – Weniger ist schon zu viel

Оглавление

Auf die Wortwalz, fertig, los. Jetzt muss ich Sachen packen. Es ist Ende Juli, noch zwei Tage bis zur Abreise. Was nehme ich nur mit? Die Bäckergesellin Sarah schickt mir per Mail eine Packliste. Besonders rührt, dass sie rät: »Vergiss nicht einen USB-Stick mit deinen Dokumenten mitzunehmen.« Sie hat sich wirklich Gedanken gemacht, was ich unterwegs brauche. Dabei arbeitet sie gerade in einer deutschen Bäckerei in Kanada, so weit weg. Ich bin ein bisschen traurig, dass ich keinen Reisenden gefunden habe, der mich in den ersten Tagen begleiten wird. Ich werde allein unterwegs sein. Also keine Fehler beim Packen machen.

– persönliche Dokumente (Perso, Versicherungskarte, Impfpass)

– USB-Stick mit den Daten für deine Umsatzsteuervoranmeldung

– Schlafsack (Isomatte optional)

– 2 Hosen (bequem, aber alltags- und baustellentauglich)

– 3 T-Shirts

– Unterwäsche

– Zahnbürste + Pasta

– Deo (parfümfrei)

– Bikini oder Badeanzug

– kleines Handtuch

– dünne Stoffjacke

– festes Schuhwerk (zusätzlich Flipflops)

– Fotokamera

– Adress- und Notizbüchlein + Stift

– Wasserflasche

– etwa 100 Euro Bargeld und deine Kontokarte

Eine Expedition in das unbekannte Land vor meiner Haustür steht bevor. Ich schalte in den Offline-Modus, verstaue lauter analoge Dinge in Stoffbeuteln: Ein Adressbuch, in das ich handschriftlich die Kontaktdaten aus meinem Telefon übertragen habe. Briefmarken. Einen TAN-Generator, mit dem man Online-Banking auch ohne Handy machen kann. Und ausgedruckte Dokumente. Zum Beispiel eine lange Liste mit den rund 50 Einladungen von Redaktionen und Privatleuten. Quer durch die ganze Republik haben mir Journalisten und Kollegen, Schreiner und Zimmerer, Buchautorinnen und Gasthofbesitzerinnen geschrieben und mir angeboten, sie zu besuchen.

Meine Freundin Magdalena hat noch ein besonderes Geschenk für mich: Eine Telefonzellenkarte mit zehn Euro Guthaben. So ein Ding habe ich das letzte Mal benutzt, als ich als Teenager im Ferienlager war. Ich weiß nicht mal, wie diese Notrufsäulen heute funktionieren. Und ob es sie überhaupt noch gibt. Deshalb starten Magdalena und ich jetzt eine kleine Achtsamkeitsübung, wie sie es nennt. Wann immer wir in den Wochen vor meiner Abreise eine Telefonzelle sehen, schicken wir uns gegenseitig ein Handyfoto davon. Das verändert meinen Blick auf die Stadt völlig. Auf einmal entdecke ich in meinem Münchner Viertel Telefonzellen, die mir vorher nie aufgefallen sind. Ich entwickele einen Scan-Blick für das leuchtende Magenta der Telekom-Schilder und merke dadurch, wie häufig ich im Alltag Scheuklappen trage. Die Telefonzellen werden zum Symbol für die vielen blinden Flecken auf meiner Netzhaut, mit denen ich durch die Gegend stolpere. Ich bin eingebettet in die Annehmlichkeiten eines Alltags, in dem ich es mir möglichst kuschelig gemacht habe. Ich bin so abhängig von meinem Handy, dass ich mir gar keine Vorstellungen mache, wie es ohne sein wird. Langsam dämmert mir: Diese Reise wird kein Schonwaschgang.

Ich sage jetzt: »Servus, München!« Und: »Hallo Angst. Hallo Abenteuer.« Noch vier Stunden schlafen, dann geht die Wortwalz los. Die Bude ist leergeräumt, der Rucksack gepackt. Zimmer untervermietet, Aufträge gecancelt, bereit gemacht zum Absprung. Als ich in München noch mal an der Isar entlangspaziere und mich seufzend von der Stadt verabschieden will, entdecke ich ein Plakat. Der herrliche Humorist Karl Valentin ist dort mit seinem Prachtsatz zu lesen: »Mögen hätt ich schon wollen, aber dürfen habe ich mich nicht getraut.« München winkt zum Abschied.


Wortwalz

Подняться наверх