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PROLOG
Losgehen

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Jetzt nicht umdrehen. Einfach Schritt für Schritt weitergehen. Bloß nicht über die Schulter schauen. So will es die Tradition. Mit langsamen, festen Schritten entferne ich mich vom Münchner Ortsschild. Dort hinten, in meinem Rücken, stehen die Freunde und Kollegen, die mich gerade verabschiedet haben. Alle waren gekommen, mit ihren Händen hatten sie mir eine Räuberleiter gebaut und mich auf das Schild gehoben. In luftiger Höhe saß ich eben noch auf dem gelben Wegweiser, leicht schwindelig. München klemmte zwischen meinen Knien. Ich klammerte mich am Stahlrahmen fest, weil meine Füße kaum Halt fanden. Gerade erst hatte ich eine Flasche Schnaps zur Hälfte leergetrunken und unter dem Ortsschild vergraben. In drei grässlichen Schlucken den Wodka die Kehle runtergekippt, morgens um 11 Uhr bei Nieselregen. Ja, so will es die Tradition. Wenn ein Wandergeselle seinen Heimatort verlässt, dann verbuddelt er eine Flasche Hochprozentigen, die halb leer ist. Wenn er nach über drei Jahren Wanderzeit voll von Erlebnissen und neuen Erfahrungen zurückkehrt, dann ist die Flasche halb voll …

Ja, wer sich der Haltlosigkeit hingibt, klammert sich an jeden Kalauer. Ich schultere den roten Rucksack und laufe los in mein großes Abenteuer. Und darf mich nicht noch einmal umdrehen.

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