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3.2 VOLLEYBALL IN ANDEREN LÄNDERN
ОглавлениеDer internationale Volleyballverband FIVB umfasst weltweit rund 150 Millionen Mitglieder. Das ist zum Vergleich doppelt so viel wie die FIFA im Fußball. Ein Sechstel der Weltbevölkerung kommt Schätzungen zufolge regelmäßig mit Volleyball in Kontakt, ob als Zuschauer oder als Spieler.
Besonders groß ist die Begeisterung für Volleyball in Osteuropa und Italien. Wer als Athlet mit Volleyball viel Geld verdienen möchte, wechselt nach Italien in die Serie A1 (Frauen) und SuperLega (Männer), nach Russland in die Super League oder in die PlusLiga nach Polen.
In Polen ist Volleyball Nationalsport. Der Staat unterstützt den Sport mit öffentlichen Mitteln, die Hallen füllen sich mit tausenden Zuschauern, Fanartikel und Fernsehübertragungen sind im Nachbarland Deutschlands nicht wegzudenken.
Aus erster Hand … „Polen ist im Volleyball ein spezieller Fall. Es ist ein Land, in dem Volleyball in der Gesellschaft wichtig ist. Für Volleyball sind Italien, Russland und Brasilien vielleicht wichtiger. Aber in Polen ist Volleyball wichtig. Das ist etwas anderes.“
Mark Lebedew, dreifacher Meistertrainer mit den BR Volleys und Ex-Trainer von Polens Spitzenklub Jastrzębski Węgiel
2005 verteidigten Polens Frauen den EM-Titel, während auch die Ergebnisse von Polens Nationalwahl liefen. Diese wurde jedoch nur von 2,5 Millionen polnischen Bürgern verfolgt, während neun Millionen Polen mit ihrem Nationalteam mitfieberten. Durch Fernsehverträge und Sponsoren fließen Millionen in die Kassen des polnischen Volleyballverbandes und in die Vereine. Beim Eröffnungsspiel der Heim-WM 2014 der Männer waren die 62.000 Karten innerhalb von 100 Minuten ausverkauft. Eine enorme Geräuschkulisse und ein weiß-rotes Farbenmeer füllten das Warschauer Nationalstadion und sollten Polen zum Titel peitschen. Im Jahr 2017 verfolgten sogar 65.407 Zuschauer das 0:3 des Heimteams Polen gegen Serbien.
Aus erster Hand … „Spiele der polnischen Nationalmannschaft haben oft Public Viewings wie in Deutschland die Fußballnationalmannschaft. Die Fans übernachten in Zelten vor den Ticketverkaufsständen, wenn sich ein zusätzliches Finalspiel ergibt. Beim Spiel selbst ist der Hallensprecher zwar da, aber zweitrangig, weil in erster Linie die Fanklubs mit ihren Gesängen die Stimmung und Atmosphäre in der Halle gestalten.“
Jochen Schöps, von 2012 bis 2018 beim polnischen Spitzenklub Asseco Resovia Rzeszów unter Vertrag
Auch in Italien tummeln sich zahlreiche Stars der Volleyballszene. Die große Volleyballnation im europäischen Zirkus stellt auch in beiden Geschlechtern eine der drei Topligen in Europa. Volleyballinteresse ist in Italien keine Frage. Laut Statistica haben sich zwischen 2010 und 2018 mehr als 50 Prozent aller Italiener mit Volleyball beschäftigt. Pro Saison füllen über 450.000 Zuschauer die Hallen der italienischen Mannschaften. Das Damenteam der Imoco Volleys Conegliano hält europaweit mit durchschnittlich 4.139 Zuschauern den Saison-Rekord bei den Frauen.
Aus erster Hand … „In Italien fragt Dich keiner, was Du neben dem Sport sonst noch machst. Dort ist klar, dass Volleyballspieler ein Beruf ist, der vollen Einsatz erfordert.“
Angelina Hübner (geb. Grün), langjährige Italien-Legionärin
Noch höhere Gehälter sind im möglicherweise volleyballbegeisterten Russland zu finden. Die russische Super League gilt als die beste Liga der Welt und dank sehr finanzstarker Sponsoren und Mäzenen können den besten Sportlern Millionengehälter ausgezahlt werden.
Rekordverdächtig! Laut „InstaVolley“ verdiente der Annahme-Außenspieler Wilfredo León beim russischen Klub Zenit Kazan 1,4 Millionen US-Dollar pro Jahr.
Zum Vergleich: In der Volleyball Bundesliga kommen die absoluten Top-Spieler auf ca. 100.000 Euro Jahresgehalt. Dabei ist die Gehaltsspannweite extrem, zahlreiche Spieler erhalten nur ein Zehntel davon.
Aus erster Hand … „Als ich in Russland gespielt habe, empfanden die Spieler das Training am Tag wie Arbeit. Sie kamen morgens, arbeiteten die Zeit ab und gingen abends nach Hause. Ich denke, heute sind dort auch mehr Emotionen und Spaß dabei.“
Jochen Schöps, von 2007 bis 2012 Russland-Legionär
Brasilien gehört ebenfalls zu den erfolgreichsten Nationen der Volleyballgeschichte. Der bewegteste Moment der brasilianischen Volleyballgeschichte war wahrscheinlich der Olympiasieg der Männer 2016 in der Heimat. Aber schon in der Vergangenheit zeigte Brasilien sein Interesse am Sport, indem 1994 für eine Frauen-WM eine Rekordkulisse von 12.000 Zuschauern geschaffen wurde, welche den Sieg Kubas über Brasilien verfolgten. Diese Erfolge ermöglichen auch viele Gelder aus der Staatskasse, welche für Volleyball aufgewendet werden. Die Sportart steht an dritter Stelle der beliebtesten Sportarten in Brasilien nach Capoeira und Fußball.
Rekordverdächtig! Am 26.07.1983 schauten unglaubliche 95.887 Fans das Volleyballspiel zwischen Brasilien und der UdSSR (0:3) im Estádio do Maracanã in Rio de Janeiro (Brasilien). Lustige Randnotiz: Das Spiel wurde durch Regen unterbrochen und die Spieler zogen ihre Schuhe aus, um in Socken weiterzuspielen.
Zum Vergleich: Bei der Premiere des DVV-Pokalfinals in Mannheim wurde eine deutsche Zuschauer-Rekordkulisse erreicht: Über 12.000 Fans strömten am 28. Februar 2016 in die SAP Arena.
Auch in den USA ist Volleyball eine große Nummer. Hier wird der Sport jedoch weniger über eine Profiliga definiert, sondern der Collegevolleyball füllt die Sporthallen der Staaten. Hier kann man die Stars von morgen beobachten. Die Nationalmannschaften gehören ebenfalls zu den besten der Welt. Aufgrund der fehlenden Profiligen wechseln die vielversprechendsten Sportler häufig nach Europa in der Hoffnung, sich von dort in die Nationalmannschaft spielen zu können.
Rekordverdächtig! Beim größten Volleyballturnier der Welt gingen in Orlando, Florida (USA) im Jahr 2012 insgesamt 24.262 Gesamteilnehmer in 20 verschiedenen Altersklassen an den Start. Dabei war die Altersklasse „16 Club“ mit 2.631 Teilnehmern die größte.
Auch in Asien hat Volleyball eine große Bedeutung. In Japan beispielsweise genießen Volleyballspieler einen Stellenwert wie die Superstars Taylor Swift oder David Beckham. Japanische Volleyballer dürfen eigentlich nur in der eigenen nationalen Liga aufschlagen, doch die Nationalspieler erhalten auch die Gelegenheit, ins Ausland zu wechseln, um für internationale Großereignisse konkurrenzfähig zu sein. Bei ihnen explodieren häufig die Social-Media-Kanäle der jeweiligen Vereine mit tausenden neuen „Followern“. Fernsehteams laufen über das Sportgelände, Fans reisen aus Japan an, um ihre Idole spielen zu sehen. In Japan dürfen aufgrund einer Regel des japanischen Volleyballverbandes nur maximal zwei ausländische Spieler in einem Team sein. Dies macht wiederum die Liga spannend und lockt Superstars wie den Polen Bartosz Kurek und Volleyballriese Dmitry Muserskiy auf die Inseln. Auch die 345-fache deutsche Nationalspielerin Christiane Fürst spielte von 2016 bis 2018 bei Denso Airybees in Japan.
Finanziell ähnlich gut geht es im Nachbarland China zu, wo die deutsche Nationalspielerin Louisa Lippmann in den Jahren 2019 und 2020 für Shanghai Bright Ubest aufschlug.
Aus erster Hand … „Volleyball spielt in China eine große Rolle. Die Meisterschaft 2020 wurde coronabedingt in einer ‚Bubble‘ ausgetragen. Wir hatten keine Heim- und Auswärtsspiele, sondern alle Mannschaften waren an einem Ort und pendelten lediglich zwischen Hotel und Hallenkomplex nebenan. Stippvisiten in der Stadt waren verboten, Kontakt nach draußen untersagt. Bei der Einreise musste ich 14 Tage alleine in einem Hotelzimmer in Quarantäne verbringen – schon eine sehr harte Probe. Zuschauer bei den Spielen gab es nicht, aber alle Partien wurden im Fernsehen gezeigt.
Wenn wir (vor Corona) mit Shanghai bei Auswärtsspielen waren, haben nach dem Spiel vor der Halle 50-100 Fans auf uns gewartet, die ein Foto oder ein Autogramm wollten – hier in Deutschland undenkbar, höchstens beim Fußball. Es ist eine tolle Volleyball-Kultur mit sehr viel Respekt und Anerkennung.“
Louisa Lippmann, Vizemeisterin und Meisterschaftsdritte in China
Im arabischen Raum ist besonders der Iran für Volleyball bekannt. Dort spielte beispielsweise der WM-Bronzemedaillengewinner von 2014, Dirk Westphal. Besonders stolz ist man dort jedoch auf die Sitzvolleyballnationalmannschaft (siehe Kapitel 12.3).
Auch im Emirat Katar gibt es mit der „Qatari Volleyball League“ eine professionelle Volleyballliga, in der mit Christian Pampel und Jochen Schöps zwei ehemalige deutsche Nationalspieler ihr Geld verdienten.
Aus erster Hand … „Meine Zeit im Ausland hat mir besonders gezeigt, wie gut es den Sportlern hier in Deutschland eigentlich geht, vor allem in Bezug auf Kritik und den Menschen hinter dem Sport. In vielen Stationen im Ausland ist man häufig mehr eine Maschine, die funktionierend super ist, aber wehedem man spielt mal schlecht oder verletzt sich. Besonders in Korea und Katar habe ich recht harte Erfahrungen gemacht. Wenn ein Verein nicht zufrieden ist mit seinen Spielern, dann werden sie entsprechend ausgetauscht. In einer Saison hat ein Verein in Katar siebenmal die gleiche Position getauscht. Sieben verschiedene Profis sind gekommen und gegangen auf derselben Position im selben Verein …
Denn in Katar geht es nicht um Zuschauer oder Sponsoren, sondern nur darum, die bessere Mannschaft zu haben und diese zu kontrollieren nach dem Motto ‚Meine Mannschaft ist besser als deine‘. Die eigenen Spieler werden dabei gerne auch einem gut befreundeten Verein für ein Turnier ausgeliehen – eine Art von Prestige, dass andere Vereine den eigenen guten Spieler haben wollen.“
Christian Pampel, mehrfacher Meister in Katar als Diagonalangreifer