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Der mentale Schlag: der zweite Kulturschock

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Während dieses zweiten Schocks fühlt man sich möglicherweise verwirrt über die Annahmen, auf denen man sein Leben aufgebaut hat, stellt Fragen zu den Grundpfeilern unserer Gesellschaft oder fragt sich, wie unsere Ökonomie funktioniert. Man wünscht sich Erklärungen und die Versicherung, dass all das in naher Zukunft nicht umsonst gewesen ist. Das ist die Phase, in der die initialen Veränderungen struktureller werden. Unsicherheit, Verdruss und Ohnmacht schlagen zu. Man begreift, dass man sich über einen längeren Zeitraum wie in einer gefährlichen Situation verhalten muss, obwohl man diese Gefahr vielleicht selbst gar nicht erfährt. Beim ersten Schock musste der Geist allen neuen Input filtern, um ihn zu begreifen, in diesem zweiten Schock will er zudem etwas damit verbinden. Nun begegnet man bedingungslos sich selbst. Man wird mit seinen grundlegendsten Überzeugungen konfrontiert. Die Kollision zwischen Freiheit und eigenen Entscheidungen, Befolgen von Richtlinien und Fürsorge für die Gruppe. Man erlebt die Stille der sonst so hektischen Stadt und begreift, wie sehr man des Lärms müde ist, der normalerweise in den Straßen herrscht. Weshalb wohnt man eigentlich in der Stadt? Man denkt darüber nach, welchen Wert man Nahrung, Bildung, Reisen, Feiern, Ausbildung der Kinder, Pflege der Eltern, dem Sinn der eigenen Arbeit beimisst. Jetzt, früher und in Zukunft. Man fühlt sich verletzlich und unsicher.

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Und es dauert und dauert …

Letzte Woche saß mein Mann an seinem Arbeitsplatz. Im vorderen Zimmer, hinter dem Fernseher und einer großen Zimmerpflanze. Die Schiebetüren zu, denn wir haben genug von seinen dienstlichen Gesprächen. Dieses Mal sitzt er anders da, energielos. Ich frage: »Alles in Ordnung?« Er: »Nun, ich weiß es nicht. Ich sitze zwar hinter meinem Laptop, aber wozu eigentlich? Ich habe das Gefühl, dass ich jetzt schon ein Jahr lang hier zu Hause sitze. Und Urlaub nehmen ist auch sinnlos, wir unternehmen ja doch nichts …« Und auf einmal hat er Tränen in den Augen. Mein energiegeladener, Marathon laufender, leistungsorientierter, immer aktiver Mann. Ihm macht seine Arbeit ungeheuer viel Freude … und nun ist sie schon so lange so »langweilig«. Ich frage ihn: »Was macht dir rund um deine Arbeit und die heutige Situation zu schaffen?« Er: »Wie bleibe ich motiviert?« – Erfahrung aus dem Feld

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Dieser zweite Kulturschock wird auch als Schock des mentalen Rückzugs bezeichnet, weil man auf sich selbst zurückgeworfen und mit den Grundwerten, auf denen das eigene Leben basiert, konfrontiert wird. Wenn man etwas verändern will, so ist jetzt der Moment, um damit loszulegen. Denn ob man will oder nicht – man evaluiert sein altes Leben. Man begreift allmählich, was man von der alten Situation erhalten will, und fühlt das nagende Heimweh des Verlusts. Und man spürt überdeutlich, welche Dinge sich rigoros verändern sollen. Schritt für Schritt zieht man neue Schlüsse, die sich in Kopf und Körper festsetzen. Man schreibt seine Geschichte neu, trifft andere Entscheidungen und so vollzieht sich eine grundlegende Kulturveränderung. Das sind nicht die guten Vorsätze für irgendwann oder konzeptionelle abstrakte Gespräche, sondern grundlegende Veränderungen, die wahrhaft zum Bestandteil der eigenen neuen Identität werden. Wenn ich mich beispielsweise über die Fleischindustrie aufrege, dann werde ich in dieser Phase zu dem Schluss gelangen, dass ich wirklich weniger Fleisch, Bio-Fleisch oder gar kein Fleisch mehr essen sollte. Lebe ich am richtigen Ort? Wie wichtig ist mir eigentlich Reisen? Arbeit? Eltern? Ernährung? Bin ich damit zufrieden, wie ich meine Kinder großziehe? Bekomme ich von meinem Liebsten, was ich brauche? Was ist ein Menschenleben wert? Warum arbeite ich eigentlich in diesem Unternehmen? Mit all diesen Fragen blickt man fortwährend in die eigene Seele und das eigene Gewissen.

Wie können wir einander durch diese Phasen des Kulturschocks begleiten? Was können Führungskräfte tun? In Kapitel 8 gehe ich – mit Lektionen aus der Anthropologie – auf diese Fragen ein.

Die Arbeit hat das Gebäude verlassen

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