Читать книгу Grenzgänger: Deutsche Interessen und Verantwortung in und für Europa - Joachim Bitterlich - Страница 14

Kultur und Presse „Numider und US-Geiseln“

Оглавление

Mein anderes faszinierendes, von vielen Kollegen – und auch von mir lange – unterschätztes Feld war die Kulturarbeit, in Algier im Kern mit einer kleinen deutschen Schule und einem Goethe-Institut, das in einem zensierten Umfeld auf engste Zusammenarbeit mit der Botschaft angewiesen war.

Die hohe Anerkennung der deutschen Archäologen war die Grundlage für die erste große Ausstellung im Ausland, für die sich das Land engagierte: „Die Numider“ im Rheinischen Landesmuseum in Bonn im November 1979.

Daneben war ich in dieser recht kleinen Botschaft Vertreter des Pressereferenten, dessen zweites Standbein die Beobachtung der Innenpolitik war. Und dieser „Nebenjob“ brachte mich zu einem besonderen Erlebnis. Im Januar 1981 hatte sich das Gerücht verdichtet, die in der US-Botschaft in Teheran festgehaltenen 52 Geiseln würden freigelassen, und zwar über Algier nach Deutschland, wo die Amerikaner sie in Empfang nehmen sollten. Folge war die Anwesenheit vieler amerikanischer und europäischer Journalisten, dies in einem Land, das in keiner Weise pressefreundlich war.

Darunter Hanspeter Oschwald, der Algerien für die „dpa“ von Paris mitbetreute und sich zuvor mehrmals umgeschaut hatte. Er entpuppte sich übrigens als einer der besten deutschen Kenner des Vatikans und war für mich in späteren Jahren eine wichtige Quelle zum Verständnis der Gremien der katholischen Kirche.

Nach Tagen vergeblichen Wartens und dem Annähern des algerischen Wochenendes waren wir übereinstimmend der Auffassung, während des Wochenendes werde wohl nichts passieren, er könne nach Paris zurück und ich könnte ihn ja dann, wenn doch notwendig, per „Lockruf“ alarmieren. Nun gut, wir hatten uns kräftig getäuscht – und am Abend des 20. Januar begann das algerische Fernsehen auffällig über die Bemühungen zur Freilassung der Geiseln zu berichten. Und irgendwann kam dann der der politischen Führung und Staatsgästen vorbehaltene Teil des internationalen Flughafens von Algier ins Bild.

Lockruf nach Paris: Es scheint bald loszugehen, bitte viertelstündlich anrufen – und so kommentierte ich in der Nacht am Telefon die Ankunft der 52 Geiseln, deren „Übergabe“ an den stellvertretenden US-Außenminister Warren Christopher – und deren Weiterflug nach Deutschland, was das algerische Fernsehen sorgsam verschwieg oder nicht wissen durfte. Was ich nicht bemerkte, Hanspeter Oschwald schrieb meinen Telefon-Bericht direkt nieder und dieser wurde, selbstverständlich ohne Namensnennung, Grundlage der Eilmeldungen der dpa „aus Algier“. Dies zwei Stunden vor den anderen bekannten internationalen Nachrichtenagenturen, vor allem die Franzosen waren mehr als wütend: Sie hatten wie andere am Flughafen an den wenigen Telefonmöglichkeiten Schlange stehen müssen. Wir waren damals halt noch Teil der „Münzfernsprecher-Generation“, an Mobiltelefon und Internet dachte noch niemand!

Und genauso erstaunlich war es, dass die Algerier und deren „technische Dienste“ diese gut zwei Stunden dauernde telefonische Berichterstattung zu keinem Zeitpunkt störten oder unterbrachen. Wir wussten, dass sie uns abhörten – und ihnen „Mitarbeiter“ aus der DDR als technische Berater hilfreich zur Seite standen. Zuweilen führte dies auch zu skurrilen Folgen, aber diesmal ging es um ein positives Ereignis für das Ansehen des Landes!

Meine Frau hatte insofern ein für sie unvergessliches Erlebnis: Sie versuchte nach Deutschland zu telefonieren, was aufgrund der beschränkten Anzahl internationaler Leitungen damals kein leichtes Unterfangen war. Sie wählte immer wieder, kam einfach nicht durch – bis sie auf einmal eine Stimme mit erkennbar sächsischem Unterton hörte: „Warten Sie doch die internationale Tonalität ab“ – das internationale Freizeichen!

Apropos deutsche Rolle bei der Freilassung der Geiseln, damals ahnten wir nicht die besondere Rolle der deutschen Politik in diesem Zusammenhang, sei es von Hans-Dietrich Genscher selbst oder sei es von Gerhard Ritzel, dem damaligen Botschafter in Teheran, der anders als sein Vorgänger die Zeichen der Zeit früh erkannt und Kontakte zu dem neuen Regime angebahnt hatte.

Grenzgänger: Deutsche Interessen und Verantwortung in und für Europa

Подняться наверх