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Kernenergie an der deutsch-französischen Grenze

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Nuklearpolitik war naturgemäß zugleich auch Innenpolitik. Und in den 70er Jahren begann sich in Deutschland das Ende der Verwendung, zumindest zusätzlicher Nutzung der Kernenergie abzuzeichnen. Es gab in Deutschland in der Bevölkerung im Gegensatz zum Nachbarn Frankreich keine Mehrheit für die Nutzung der Kernenergie. Damals scheiterte im badischen Whyl der letzte geplante Neubau eines Kernkraftwerkes aufgrund anhaltender Demonstrationen.

Man darf nicht vergessen, woher die Demonstranten damals „gefüttert“ und unterstützt wurden: aus dem gegenüberliegenden Elsass, wo es gegen die einzige dortige Kernkraftanlage in Fessenheim und angesichts ihrer regelmäßigen Störanfälligkeit oft genug Proteste gegeben hatte, die aber von der französischen „Obrigkeit“ im Keime erstickt wurden. Auf deutscher Seite war halt vieles leichter.

Ich hatte zwei Jahre zuvor bei meinem ENA-Praktikum an der Regionalpräfektur in Metz die geräuschlose Ingangsetzung der Verfahren zum Bau des Kernkraftwerks Cattenom in Lothringen an der Mosel miterlebt: durch „Aushang“ an den zuständigen örtlichen Stellen. Die Nachbarn Luxemburg und Saarland – das Kraftwerk ist 10 bzw. 20 km von der Grenze entfernt! – wurden sorgfältig ferngehalten und erst nach Jahren immer wieder vorgetragener Proteste immerhin in die Notfallplanung miteinbezogen.

In gewisser Weise sind Fessenheim und Cattenom bis heute Stein des Anstoßes in Deutschland, vor allem in den Grenzregionen. Zusammen mit Tschernobyl und Fukushima haben sie dazu beigetragen, dass die Nuklear-Skepsis in Deutschland zugenommen hat und Frankreich und Deutschland in der Energiepolitik auseinandergedriftet sind.

Ahnen konnte ich damals nicht, dass mich Jahre später als Aufsichtsrat eines deutschen bekannten Energieversorgers – EnBW, Energie Baden-Württemberg – Kernenergie wieder beschäftigen würde und zudem eine alte Bekannte aus dem Elysée in Paris mich dazu einladen wollte, wieder in die Nuklear-Politik einzusteigen. Sie bot mir die Leitung dessen an, was in Deutschland von der Kraftwerk Union, der KWU geblieben war, der ich einst als Praktikant verbunden war. Ich habe, Gott sei Dank, noch rechtzeitig die Falle bemerkt und abgewunken! Sie suchte in Wahrheit, und zwar unter Umgehung und wohl gegen den Willen des deutschen Mitaktionärs Siemens einen deutschen „Abwickler“ oder „Sündenbock“ für das Scheitern nuklearer Zusammenarbeit.

Diese erste Praxiserfahrung im Auswärtigen Amt brachte mich mit zwei Lehrmeistern zusammen, die meinen Weg beeinflussen sollten, einerseits mit Werner Rouget als meinem Referatsleiter, dessen Erinnerungen ich 1997 nach seinem viel zu frühen Tod gemeinsam mit dem Frankreich-Kenner Ernst Weisenfeld herausgegeben habe1, und andererseits mit Hanns-Werner Lautenschlager, dem späteren langjährigen Staatssekretär des Auswärtigen Amtes; damals war er „noch“ mein Abteilungsleiter.

Grenzgänger: Deutsche Interessen und Verantwortung in und für Europa

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