Читать книгу Der literarische Realitätenvermittler - Joachim Hoell - Страница 30
Fazit
ОглавлениеDer Jean Paulsche Siebenkäs gehört sicherlich zu den wichtigsten der hier vorgestellten »Liegenschaften«. Die häufige Nennung durch Murau erweist sich durch konkrete Anspielungen, Zitate und Paraphrasen in der Auslöschung als ein Zwiegespräch mit diesem verkannten und unbekannten Autor. Die Bedeutung Jean Pauls in Muraus Literaturgeschichte verraten Äußerungen wie, "die Bücher aus der Periode Jean Pauls" (A 541), eine Wertschätzung des Schriftstellers, die eine vollkommen neue Perspektive auf die Epoche der Romantik und Klassik eröffnet, in dessen Zentrum Murau Jean Paul plaziert.
Das integre Leben des Jean Paul, der sich gegen die »Großen« seiner Zeit zu behaupten wußte und mit seinen exotischen Werken einen eigenen Stil ausgeprägt hat, ist in seinem eigenbrötlerischen Habitus ein Pendant zu Bernhard selbst. Dessen Abkehr von den »Großen« seiner Zeit, die er oftmals öffentlich beleidigte, wie sein unverkennbarer Bernhard-Stil, den er gegen Ende seines schriftstellerischen Lebens selbst karikierte94, bezeugt Thomas Bernhard als einen Wiedergänger Jean Pauls.
Über diese biographischen Parallelen hinaus werden Themenkreise der Auslöschung im Kontext zum Siebenkäs in ihrem geistigen Radius beträchtlich erweitert. Das Thema Auslöschung wird durch die Evokation der »Rede des toten Christus« in einer anarchisch-atheistischen Komponente deutlich, die Auslöschung der Identität Leibgebers wie der Scheintod Siebenkäs’ weisen über die Handlung des Romans hinaus und statuieren einen Moment der Hoffnung und Utopie, der so auch in die Auslöschung eingeschrieben wird (vgl. das Bachmann-Kapitel). Die spielerische Handhabe mit dieser Auslöschung im Siebenkäs ist zwar nicht vergleichbar mit dem Zerstörungsakt Muraus, jedoch wird jeweils ein Übergang zu einem glücklicheren und damit auch höheren Dasein imaginiert, der das "starre, stumme Nichts" in Siebenkäs’ und den faschistischen Wirt in Muraus Alptraum in ihre Schranken verweist, um den Glauben an eine Hoffnung in einem lichten Reich des Traums und der Poesie zu begründen.