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Kapitel 8

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Sven verlangte von Pia alle alkoholischen Getränke bis Morgen außer Haus zu schaffen, damit er nicht erneut in Versuchung kam. Den Haustürschlüssel händigte er ihr ebenfalls aus und bat Pia darum, wenn sie die Wohnung verließ, ihn einzusperren. Er erklärte ihr, wenn er Entzugserscheinungen bekam, könnte ihn nichts und niemand davon abhalten, Nachschub zu besorgen. Er setzte sie auch darüber in Kenntnis, dass es ihm miserabel gehen würde während des Entzuges und sie sollte sich keinesfalls von ihm erweichen lassen, etwas Alkoholisches zu beschaffen. Pia erklärte sich einverstanden, obwohl sie keinen blassen Schimmer davon hatte, was sie in den nächsten fünf Tagen erwartete.

Sven war zum jetzigen Zeitpunkt schon fahrig und nervös, weil er bereits ahnte, was auf ihn zukam. Pia verschloss die Wohnungstür sorgfältig ab und nahm den Schlüssel an sich, damit Sven in der Nacht nicht in Versuchung kam, das Haus zu verlassen, um sich Nachschub zu holen. An Schlafen war kaum zu denken, denn während der Nacht nahm sie wahr, dass Sven unruhig durch die Wohnung lief und sie hörte, wie er mit den Fäusten mehrmals gegen die Wand schlug. Das konnte noch heiter werden, dachte sie und zog sich die Bettdecke über die Ohren. Das half herzlich wenig, denn einige Augenblicke später tobte er in der Küche und sie vernahm, wie er wütend die Kühlschranktür zuschlug. Während der Nacht setzte er seine unruhige Wanderung durch die Wohnung fort. Gegen Morgen fielen Pia die Augen vor Erschöpfung zu. Am Morgen riss sie der Wecker unsanft aus dem Schlaf. Rasch ging sie ins Bad, um sich frisch zu machen, kleidete sich an und sah kurz nach Sven, bevor sie zur Arbeit fuhr. Er saß wie ein Häufchen Elend auf der Couch und zitterte am ganzen Körper. Sven tat ihr leid, aber sie wusste nicht, was sie für ihn tun konnte. Sie nahm ihn in die Arme, doch er schob sie brüsk von sich fort.

»Fahre bitte zur Arbeit und lass mich am besten in Ruhe. Schließe hinter dir die Wohnungstür sorgfältig ab!«, sagte er energisch.

»Okay, aber ein gutes Gefühl habe ich bei der Sache nicht!«, erwiderte Pia zögerlich.

»Geh bitte! Es ist besser! Ich möchte auf keinen Fall, dass du mich in dem Zustand siehst!«

»Das ist leider nicht zu vermeiden, denn ich wohne hier!«

»Geh jetzt!«

»Dann bis heute Abend. Bleib tapfer und halte durch! Du schaffst das, davon bin ich felsenfest überzeugt!«, meinte Pia und küsste ihn zum Abschied auf die schweißnasse Stirn. Sie fühlte sich ganz heiß an. Besorgt verließ sie das Haus und fuhr mit einem unguten Gefühl in der Magengrube zu ihrem Arbeitsplatz.

Als sie nach Dienstschluss zurückkehrte, saß Sven im Wohnzimmer wie ein Häufchen Elend und krümmte sich vor Schmerzen.

»Was ist mit dir?«, fragte Pia bestürzt.

»Mir geht es beschissen!«

»Kann ich dir helfen?«

»Nein, lass mich in Frieden! Du kannst mir Zigaretten besorgen, sonst raste ich aus. Der Alkoholentzug ist schon schlimm genug!«, erwiderte er zornig.

»Ich gehe sofort in den Supermarkt. Wie viele Päckchen soll ich mitbringen?«

»Bring mir drei große Schachteln mit!«, sagte Sven und griff mit zitternden Händen zum Glas, das mit Mineralwasser gefüllt war.

»Ich komme sofort wieder! Bis gleich.«

Pia verließ im Laufschritt die Wohnung, vergaß aber nicht die Wohnungstür hinter sich abzuschließen. Sie hastete die Treppen hinunter, damit er nicht allzu lange auf die Zigaretten warten musste. In einem derartig desolaten Zustand hatte sie Sven noch nie zuvor gesehen. Sie überlegte, ob es richtig war zuzustimmen, den Entzug zu Hause durchzuführen. Sie nahm sich vor, im Internet zu recherchieren, sobald er schlief. Das durfte Sven unter keinen Umständen mitbekommen, sonst würde er stinksauer werden. Er hatte sich in den Kopf gesetzt, die Entgiftung alleine und ohne ärztliche Hilfe durchzuziehen.

Nachdem sie die Zigaretten im gegenüberliegenden Discounter besorgt hatte, nahm sie gleich zwei Treppenstufen auf einmal, um Sven schnellstmöglich das Gewünschte zu bringen. Pia machte sich große Sorgen wegen des großen Zigarettenkonsums, aber was sollte sie tun? Sie konnte ihm unmöglich auch noch die Zigaretten wegnehmen.

Sie fand ihn würgend vor der Toilettenschüssel vor. Er stöhnte und krümmte sich unter starken Schmerzen.

Pia bekam es mit der Angst zu tun. Sven war leichenblass im Gesicht und der Schweiß tropfte ihm von der Stirn. Seine Hände zitterten dermaßen, dass er sie kaum noch unter Kontrolle hatte.

»Soll ich nicht besser einen Arzt rufen?«, fragte Pia leise.

»Untersteh dich, der schafft mich sofort ins Krankenhaus. Dort bringen mich keine zehn Pferde hin. Ich schaffe das auch ohne Hilfe!«

Ratlos verließ sie das Badezimmer und ließ sich auf der Couch nieder, die immer noch feucht war, von Svens vergeblichem Versuch sie zu reinigen.

Noch nie im Leben hatte sie sich so hilflos gefühlt wie in diesem Moment. Sie gäbe etwas darum, Sven helfen zu können. Sie war den Tränen nahe und auch sie bemerkte, dass sie am ganzen Körper zitterte, aber das vor Aufregung. Nach einer Stunde kam Sven endlich aus dem Badezimmer, aber immer sehr blass um die Nase. Er sah entsetzlich aus. Seine Augen waren gerötet, das verschwitzte und strähnige Haar hing ihm wirr ins Gesicht und er roch nach Erbrochenem. Sein T-Shirt war komplett durchgeschwitzt.

Sie setzte sich zu ihm und reichte ihm ein Glas Mineralwasser, dass er mit zittrigen Händen entgegennahm. Kaum hatte er zwei Schlucke davon getrunken, wurde es ihm erneut übel und er verschwand im angrenzenden Badezimmer. Total ermattet kam er nach einiger Zeit wieder heraus und legte sich auf die Couch. Sie nahm eine Decke und breitete sie liebevoll über ihrem zitternden Freund aus. Wenige Minuten später war Sven eingeschlafen. Sie hoffte inständig, dass er nun etwas Ruhe fand. Sie schaltete den Fernsehapparat an und versuchte sich auf den Spielfilm zu konzentrieren, der im Augenblick dort lief. Dies funktionierte nicht, denn ihre Gedanken waren bei Sven. Von innerer Unruhe getrieben, ging sie in die Küche. Sie fuhr den Laptop hoch und recherchierte, was kalter Entzug zu bedeuten hatte.

Sie wurde blass, als sie las, dass diese Art von Entgiftung sehr gefährlich sei, vor allem wenn dies nicht unter ärztlicher Aufsicht geschah. Die Symptome, die hier beschrieben wurden, wie Magenschmerzen und schweres Unwohlsein, Herz- und Kreislaufstörungen gehörten ebenfalls dazu. Darüber hinaus kann kalter Entzug zu Unterzuckerung, Händezittern, Sprach-, Seh- und Empfindungsstörungen führen. Auch starkes Schwitzen, Mundtrockenheit und Schlaflosigkeit gehörten zu den Symptomen.

Das hörte sich überhaupt nicht gut an. Hoffentlich schaffte er es! Sollte sich sein Zustand weiter verschlechtern, nahm sie sich vor, sofort den Arzt anzurufen, denn sie wollte auf keinen Fall das Risiko eingehen, dass Sven kollabierte.

An diesem Abend wachte Sven nicht mehr auf. Sie schlich auf Zehenspitzen aus dem Wohnzimmer, zog sich leise im Bad aus und machte sich für die Nacht fertig. Sie war derart aufgewühlt, dass sie lange keinen Schlaf fand. In den frühen Morgenstunden hörte sie Sven abermals in der Wohnung unruhig umherwandern. Dies vernahm sie allerdings nur im Halbschlaf. Als der Wecker sie unsanft aus ihrem Dämmerschlaf riss, wusste sie im ersten Moment nicht, was geschehen war. Sie benötigte eine Weile, bis alles wieder an die Oberfläche kam. Rasch zog sie sich den Morgenmantel über, um nach Sven zu sehen. Er kniete erneut vor der Toilette. Er würgte und würgte, aber da kam nichts mehr. Besorgt beugte sie sich über ihn und wischte ihn mit einem Tuch die schweißnasse Stirn ab. Er ließ es seltsamerweise geschehen. Sie brachte ihm ein Glas Wasser. Diesmal behielt er es bei sich. Was tun, sie musste jetzt gleich zur Arbeit. Sie quälte die Frage, ob sie ihn in diesem Zustand einfach so zurücklassen durfte. Blaumachen konnte sie aber auch nicht. Also blieb ihr keine andere Wahl, als sich für die Arbeit fertigzumachen. Heute war der dritte Tag des Entzuges. Ihm würden noch zwei weitere schlimme Tage bevorstehen, bis er es endgültig geschafft hatte. Sie betete zu Gott, dass Sven die Prozedur durchhielt und nicht gesundheitlich zu Schaden kam. Er lehnte es weiterhin permanent ab, fremde oder ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Nach Feierabend hatte sich Svens Zustand erfreulicherweise etwas gebessert, denn er verspürte das erste Mal Hunger. Sie bereitete ihm eine leichte Mahlzeit zu, die er auch bei sich behielt. Sven flehte sie nochmals an, als er ihr besorgtes Gesicht sah, dass sie auf keinen Fall den Arzt rufen solle. Er beteuerte ihr, dass er all das nur aus Liebe zu ihr und seinen Töchtern tat. Sie wies ihn abermals daraufhin, wie gefährlich es war, einen kalten Entzug im Alleingang zu tätigen. Sven blieb weiterhin hartnäckig und beharrte darauf, die letzten Tage auch noch ohne ärztliche Hilfe durchzuziehen.

Sven hatte sehr viel Glück und überstand die Entziehungskur mit eisernem Durchhaltevermögen.

Am fünften Tag ging es ihm bedeutend besser und er war auch nicht mehr so blass und fahrig. Pia war total erleichtert, ihr viel ein Stein vom Herzen. Sie umarmte Sven und sagte ihm, wie stolz sie auf ihn war, dass er den Entzug geschafft hatte.

Das war aber erst der Anfang der Therapie. Jetzt war es an der Zeit, dass Sven Taten folgen ließ. Die kommende Woche lief sein Krankenschein aus. Er hatte nur zwei Möglichkeiten: Entweder er ging zum Arzt und ließ sich weiterhin krankschreiben und setzte damit seinen Arbeitsplatz aufs Spiel oder er ging wieder zur Arbeit.

Sven war seit der Entgiftung wie ausgewechselt. Er sprühte förmlich vor Tatendrang. Er rief bei der Suchtberatungsstelle an, und vereinbarte mit Ernst sein erstes Einzelgespräch. Dieser war hocherfreut, aber nicht sonderlich begeistert, als er davon erfuhr, dass Sven die Entgiftung im Alleingang zu Hause durchgeführt hatte. Er musste ihm ordentlich die Leviten gelesen haben. Anscheinend hatte er ihn nochmals auf die Risiken eines »Kalten Entzugs« hingewiesen.

Ab diesem Zeitpunkt kehrte wieder etwas Normalität in ihr beider Leben ein. Sven ging regelmäßig seiner Arbeit nach und besuchte einmal wöchentlich die Beratungsstelle zum Einzelgespräch. Die Teilnahme an Gruppengesprächen war erst nach vier Wochen vollkommener Abstinenz möglich. Nach Ablauf dieses Zeitraumes war Sven außerordentlich stolz auf sich, dass er es geschafft hatte, trocken zu bleiben. Pia sah ihm die Erleichterung an.

»Pia, Ernst hat mich heute im Einzelgespräch gefragt, ob du bei der Gruppentherapie dabei sein möchtest!«

»Wann findet die Therapie statt?«, fragte Pia.

»Jeden Dienstag um 19.00 Uhr.«

»Das kann ich mir einrichten. Ich komme gern mit!«, erwiderte Pia.

Ein Problem bestand allerdings noch: Die Wohnung war derzeit immer noch in dem gleichen desolaten Zustand wie vor Wochen, als Sven sich erbrochen hatte. Jetzt musste dringend Abhilfe geschaffen werden. Ihr Zuhause war nicht mehr vorzeigbar. Pia fühlte sich in den eigenen vier Wänden unbehaglich. Damals hatte sie die Wohnung mit Liebe zum Detail eingerichtet und derzeit sah es aus, wie in einem Saustall.

Sie setzte sich an den Computer und recherchierte im Internet nach Malereifachbetrieben in der umliegenden Umgebung. Sie schrieb sich mehrere Firmen heraus, die sie in die engere Auswahl gezogen hatte, und holte telefonisch Angebote ein. Sie rang nach Luft, als sie die horrenden Summen hörte, was eine Renovierung von drei Räumen kosten sollte. Den Endpreis bekam sie allerdings erst nach der Wohnungsbegehung des Malermeisters genannt.

Als Sven von der Arbeit nach Hause kam, sprach sie ihn diesbezüglich an.

»Ich habe heute einige Maler angerufen und mich erkundigt, was eine Renovierung der Zimmer kostet!«

»Und was soll der Spaß kosten?«, fragte Sven.

»Zwischen 800 und 1200 Euro. Das ist eine Menge Geld und dann müssen auch noch die Teppichböden in allen drei Räumen erneuert werden!«

»Pia mache dir keine Gedanken. Ich habe den Schaden angerichtet und komme selbstverständlich auch für die anfallenden Renovierungskosten auf. «

»Okay ... Dann werde ich gleich morgen mit dem preisgünstigsten Maler einen Termin ausmachen. Vielleicht hat er auch Leute zur Hand, die Teppichböden verlegen, dann geht alles in einem Rutsch über die Bühne.«

»Mach das!«, sagte Sven.

»Solange die Maler im Hause sind, gehe ich nicht mit zur Gruppentherapie, das wird mir dann einfach zu viel, aber danach komme ich gerne wieder mit!«

»Bring erst einmal die Wohnung in Ordnung. Ich kann froh sein, dass du mich nicht rausgeworfen hast!«, bemerkte Sven kleinlaut.

»Du weißt, dass ich dich über alles liebe. Ich bin dir schon lange nicht mehr böse!«

»Du hast ein großes Herz!«, sagte Sven sichtlich gerührt und umarmte sie zärtlich.

Das hatte er schon ewig nicht mehr getan. Sie schmiegte sich an ihn, wie eine Verdurstende. Sie genoss es seine Körperwärme zu spüren und die liebkosenden Hände auf ihrer Haut. Ihre Lippen fanden sich zu einem innigen Kuss, der nicht enden wollte. Ein unbeschreibliches Glücksgefühl überkam Pia. Sie zog Sven von der Couch hoch und schob ihn vor sich her ins angrenzende Schlafzimmer. Sie riss sich förmlich die Kleider vom Leib - so ausgehungert war sie nach ihm -, und zerrte nervös an Svens Gürtelschnalle. Er half ihr die lästige Schnalle zu öffnen und entledigte sich ebenfalls seiner Kleidung, die sie beide achtlos auf den Boden fallen ließen. Pia lag nackt vor ihm auf dem Bett. Sven beugte sich über sie und liebkoste mit seiner Zunge ihre erogenen Zonen. Seine Hände gingen auf Wanderschaft, streichelten ihren Hals, ihren Busen und ihren Bauch. Er zerwühlte ihre Haare mit seinen Fingern, dabei war sein Mund dicht an ihrem Ohr und sie spürte seinen warmen Atem immer schwerer werden. Er drehte Pias Nippel in seinen Fingern. Sie lehnte den Kopf zurück und genoss es. Ihre Brustwarzen wurden hart und sie fühlte eine Feuchtigkeit in ihrem Schritt.

Sie bäumte sich auf vor Lust und konnte es kaum noch erwarten, dass er sie endlich nahm. Sie flehte ihn an, dass er zu ihr kommen sollte. Sven liebte es, sie immer höher hinauf zu schaukeln. Er genoss es, wenn sich ihr aufreizender Körper ihm wollüstig entgegendrängte. Langsam drang er in sie ein und Pia kam ihm lustvoll entgegen. Seine Bewegungen wurden schneller und immer heftiger, bis sie beide einen gemeinsamen Rhythmus fanden. Sie stöhnten auf vor Geilheit. Pia fühlte ihn so intensiv in sich. Es war ein altes, sehr vertrautes Gefühl, das sie hatte lange entbehren müssen. Sie war ihm in diesem Moment so unendlich nahe, wie noch nie einem Menschen zuvor. Sie waren eins geworden und die Wärme seines Körpers durchströmte sie. Als sie beide gemeinsam den Höhepunkt erreichten, liefen Pia Tränen des Glücks über die Wangen. Sven küsste sie fort. Er sah ihr lange und tief in die Augen, als wollte er ihr damit sagen, wie unendlich leid ihm sein Verhalten tat. Sie konnte Sven nicht böse sein, dafür liebte sie ihn viel zu sehr.

Sie lagen noch eine Weile eng umschlungen beieinander und genossen die Nähe des anderen, bis sie beide glücklich und zufrieden einschliefen.

Der nächste Morgen begann leider nicht so harmonisch, wie die gestrige Nacht geendet hatte. Sie hatten verschlafen und Pia sprang mit einem Satz aus dem Bett, als sie mit Entsetzen sah, wie spät es bereits war. Sie rüttelte Sven wach, der eigentlich schon auf dem Weg zur Arbeit sein sollte.

Pia hatte für diese Woche frei, weil sich die Handwerker angesagt hatten, um ihre Wohnung zu renovieren. Hektisch nahmen sie das Frühstück ein und danach verließ Sven fluchtartig das Haus. Ihm war es außerordentlich peinlich, erneut durch sein Verschlafen in der Firma aufzufallen. Er konnte sich solche Eskapaden zukünftig nicht mehr erlauben, wenn er den Job behalten wollte.

Pia kleidete sich rasch an und wenige Minuten später klingelte es bereits an der Wohnungstür. Drei Männer, mit Eimer, Pinseln, Tapezierertisch und vielen anderen Utensilien machten sich in ihrer Wohnung breit und sahen sich das Dilemma an.

»Junge Frau, hier wurde aber ganze Arbeit geleistet. Die Teppichböden können Sie entsorgen!

Auch das noch, dachte Pia resigniert. Das bedeutete, dass die Möbel abgebaut werden mussten, um die neuen Bodenbeläge zu verlegen, aber das hatte noch Zeit, da erst die Malerarbeiten angesagt waren. Die Anstreicher begannen im Flur, den Boden mit Plastikfolie auszulegen, um danach die verunreinigten Tapeten entfernen zu können. Sie baten Pia darum, schon einmal die Schränke im Wohnzimmer auszuräumen. Denn ohne Inhalt konnte man die Möbelstücke besser verrücken und sie ersparten sich damit eventuell das Abbauen.

Pia war nicht begeistert und stieß einen lauten Seufzer aus. Vorausschauend hatte sie sich bereits Faltkartons besorgt, die sie jetzt einsetzen konnte. Sie nahm sich Schrank für Schrank vor und verstaute deren Inhalt in den Kisten. Die Handwerker waren so nett und trugen die vollen Kartons in das angrenzende Schlafzimmer, das man bald auch nicht mehr betreten konnte. Die gesamte Wohnung glich einem Schlachtfeld. Wo man hinsah, standen Eimer, Tapetenrollen und Leitern im Weg. Im Flur lagen überall Tapetenschnipsel, die die Anstreicher von den Wänden entfernt hatten. Pia sammelte alle Tapetenreste ein und verstaute sie in großen Müllsäcken, die sie sich beim Discounter besorgt hatte.

Als Sven von der Arbeit nach Hause kam, war sie geschafft und ließ sich erschöpft auf das Sofa fallen.

Die Handwerker waren immer noch im Einsatz und hatten bereits den Flur mit neuen Tapeten versehen, da sich die hartnäckigen Spuren von dem Erbrochenem nicht durch Überstreichen beseitigen ließen.

Sven stand im Flur und sah dem emsigen Treiben zu und gab groteske Anweisungen, die an dieser Stelle weder angebracht noch von Nöten waren. Pia ärgerte sich ungemein über Sven, schließlich war er der Verursacher des immensen Chaos. Sie zog ihn mit sich ins Wohnzimmer und bat ihn im Flüsterton, die Handwerker in Ruhe ihre Arbeit verrichten zu lassen. Missmutig ließ er sich auf der Couch nieder und trank seinen Kaffee, den Pia vorher in der Küche gekocht hatte. Als sie ihn bat, die restlichen Schränke mit ihr auszuräumen, lehnte er dies vehement ab, mit der Begründung, er hätte auf der Arbeit für heute genügend getan und er benötigte jetzt dringend eine Ruhepause. Außerdem gab er zu bedenken, dass jeglicher Stress zu einem erneuten Rückfall führen könnte!

Pia war wütend auf Sven, was bildete er sich überhaupt ein? Ständig schob er seine Alkoholabhängigkeit vor, um irgendwelche Dinge nicht tun zu müssen. Sie rechnete ihm hoch an, dass er seit geraumer Zeit keinen Tropfen Alkohol mehr trank, aber das berechtigte ihn keineswegs dazu, sich ihr gegenüber total niederträchtig zu verhalten. Jeden Tag war er anders drauf. Mal gut gelaunt, dann wieder zu Tode betrübt. Seine Stimmungsschwankungen waren nur schwer zu ertragen.

Sie plagte sich den ganzen Tag ab und er weigerte sich vehement, mit anzufassen. Sie war mindestens ebenso erschöpft und müde wie Sven. Sie hätte auf der Stelle einschlafen können. Sie versuchte es noch einmal.

»Sven hilf mir bitte, die beiden Kommoden leer zu räumen! Morgen früh wollen die Maler das Wohnzimmer tapezieren und den Boden verlegen.«

»Ich bin müde Pia. Lass mich etwas ausruhen. Ich helfe dir später!«, antwortete Sven einsilbig. Damit war für ihn offensichtlich der Fall erledigt und kurz darauf war er auf dem Sofa eingeschlafen.

Wütend raffte sich Pia auf und nahm einen der leeren Kartons, räumte die beiden Kommoden aus und schleppte die schweren vollbepackten Kisten mit Porzellan ins Schlafzimmer.

Wenigstens herrschte im Badezimmer kein Chaos. Sie ließ sich Wasser in die Wanne und nahm ein ausgiebiges Bad, denn jeder einzelne Knochen schmerzte ihr von der ungewohnten Arbeit. Dann ging sie in die Küche, da sie mittlerweile Kohldampf hatte, denn seit den frühen Morgenstunden hatte sie keine feste Nahrung mehr zu sich genommen. Sven schlief immer noch. Sie bereitete ein paar belegte Brote vor, garnierte sie mit Gewürzgurken und hart gekochten Eiern. Sie nahm den Teller mit ins Wohnzimmer und stellte ihn sachte auf dem Tisch ab, um Sven nicht zu wecken.

Sven erwachte und sah sie wütend an.

»Kannst du nicht leise sein, jetzt bin ich wieder hellwach!«

»Ich mühe mich den lieben langen Tag ab, dass für morgen alles vorbereitet ist, aber du schläfst den Schlaf des Gerechten. Ein wenig Hilfe hatte ich mir schon von dir erhofft!«, sagte Pia entrüstet.

Sven erhob sich wutschnaubend von der Couch, stieg über die gepackten Kisten hinweg, die Pia übereinandergestapelt hatte, bahnte sich den Weg ins Schlafzimmer und schlug mit einem Bums die Tür hinter sich zu.

Pia war entrüstet über sein Verhalten. Sie setzte sich resigniert auf das Sofa. Ihr Blick fiel auf die Vitrine im Wohnzimmer, deren Inhalt sie auch noch in Kartons verstauen musste. Seufzend erhob sie sich abermals und machte sich kraftlos daran, den Glasschrank auszuräumen. Erst weit nach Mitternacht war sie mit den Ausräumarbeiten fertig, dass die Handwerker morgen früh antreten konnten. Ihre Glieder schmerzten entsetzlich. Das Bad vor Stunden hatte schon lange die Wirkung verloren. Sie schlich todmüde ins Badezimmer, putzte sich die Zähne, zog den Pyjama an und betrat leise das Schlafzimmer, um Sven nicht erneut aus dem Schlaf zu reißen. Er schlummerte fest. Vorsichtig und darauf bedacht kein Geräusch zu verursachen, legte sie sich ins Bett und deckte sich mit der Zudecke zu und war bereits wenige Minuten später vor Erschöpfung eingenickt.

Am nächsten Morgen, als sie der Wecker unsanft aus dem Schlummer riss, hatte sie Mühe sich im Bett aufzurichten, denn ihr Rücken schmerzte entsetzlich. Sie hatte sich zweifellos am Vortag zu viel zugemutet. Sie nahm den Bademantel vom Stuhl, zog ihn über und ging in die Küche. Dort saß Sven inmitten von Kartons und hatte den Frühstückstisch für sie beide gedeckt.

»Guten Morgen mein Schatz. Hast du gut geschlafen?«, fragte Sven bestens gelaunt.

Liebend gerne hätte sie ihm eine runtergehauen, aber selbst dazu war sie zu erschöpft von der Schufterei bis in die frühen Morgenstunden. Sie sagte kein Wort und setzte sich an den gedeckten Tisch. Sven reichte ihr den Kaffee und hielt dabei ihre Hand fest.

»Pia, es tut mir leid, wie ich mich gestern verhalten habe. Ich weiß auch nicht, was in mich gefahren ist! Verzeihst du mir?«

»Ehrlich gesagt bin ich stinksauer auf dich. Es wäre nett gewesen, nicht die gesamte Arbeit mir zu überlassen. Ich kann mich kaum noch bewegen. Jeder einzelne Knochen tut mir weh! Ich plage mich hier ab, du legst dich hin und lässt Gott und guten Mann sein,« erwiderte Pia wütend.

»Wie gesagt, es tut mir leid. Ich mache es heute Abend wieder gut!«

»Das will ich hoffen!«, sagte Pia gedehnt und schwieg weiterhin beharrlich.

Einige Minuten später erhob sich Sven, gab ihr einen flüchtigen Kuss auf die Stirn, schnappte den Aktenkoffer, seine schwarze Lederjacke und verließ kurz darauf das Haus, um zur Arbeit zu fahren.

Pia kleidete sich rasch an, denn sie erwartete jeden Moment die Handwerker.

Sie kamen pünktlich, wie versprochen zum vereinbarten Zeitpunkt. Sie sahen sich im Wohnzimmer um und waren zufrieden, mit dem, was Pia am Vortag an Vorarbeiten geleistet hatte. Jetzt konnten die Anstreicher ans Werk gehen und die Tapeten entfernen. Der Malermeister hatte zusätzlich noch zwei weitere Mitarbeiter mitgebracht, damit die Arbeiten zügiger voranschreiten. Am Abend, als Sven nach Hause kam, war das Wohnzimmer bereits frisch tapeziert und das Laminat verlegt. Staunend blieb er im Türrahmen stehen, äußerste sich aber nicht weiter dazu, was vielleicht auch besser war. Denn auf seine peinlichen und frechen Bemerkungen vom Vortag konnte sie gerne verzichten.

Kurz darauf zog Sven die verdutzte Pia an sich heran. Im nächsten Moment zauberte er einen riesigen Strauß Blumen mit roten Rosen hinter seinem Rücken hervor. »Ich hoffe, du nimmst meine Entschuldigung an!«, sagte er zerknirscht und sah sie reumütig an.

Pia war ein Mensch, der nicht lange nachtragend war. Sie gab ihm einen Kuss auf den Mund, nahm ihm lächelnd den Blumenstrauß ab und stellte ihn in eine Vase.

Sven hielt tatsächlich Wort und half ihr dabei, die Müllsäcke, die die Maler mit Tapetenresten hinterlassen hatten zu entsorgen.

Jetzt musste nur noch ein Wandschrank in der Schlafstube ausgeräumt werden. Auf den übrigen Wänden hatte Sven glücklicherweise keinerlei Schmutzflecken hinterlasse und deshalb konnten die Schränke dort belassen werden.

Pia reichte Sven die Handtücher, Badetücher und Unterwäsche, die er ohne aufzubegehren in den Kisten verstaute. Kurz darauf trug er sie in die Küche, da dort noch etwas Platz vorhanden war, um sie zu stapeln.

Anschließend ließen sich beide völlig erschöpft und hungrig am Küchentisch nieder, um das Abendbrot einzunehmen. Ausnahmsweise gab es diese Woche, solange sich die Handwerker in der Wohnung aufhielten, keine warmen Mahlzeiten zum Abendessen. Denn in dem Chaos war es Pia unmöglich zu kochen. Sie hatte am Mittag frische Brötchen vom Bäcker besorgt. Dazu gab es Frischwurstaufschnitt und verschiedene Sorten Käse.

Mit Heißhunger verschlangen sie die belegten Brötchen und tranken Pfefferminztee dazu.

Jetzt hatte Pia noch drei Tage die Handwerker im Haus, danach konnte sie mit dem Einräumen der Schränke beginnen.

Nach drei anstrengenden Tagen und Durcheinander in allen Räumen kehrten endlich wieder Ruhe und häusliche Ordnung in Pias Leben ein. Die Zimmer waren jetzt komplett renoviert und mit einem neuen Laminatboden versehen worden. Sie hatten sich für Laminat entschieden, da der Boden sich als sehr pflegeleicht und strapazierfähig erwies.

Ab sofort gehörten die Abende wieder ihr und Sven. Sie benutzten die Zeit, um zu kuscheln, sich zu lieben und Zukunftspläne zu schmieden. Es hätte nicht besser sein können. Sven war bereits seit über einen Monat trocken. Pia war irrsinnig stolz auf ihn und das sagte sie ihm auch tagtäglich. Sie hatte im Internet über Alkoholismus recherchiert und wusste jetzt, dass Sven es jeden Tag große Überwindungskraft kostete, um nicht erneut zum Alkohol zu greifen. Dazu gehörte ein eiserner Wille, denn im Alltag wurde er stets mit sozialen, psychischen und familiären Dingen konfrontiert, die er vorher durch den Alkoholkonsum »abgefedert« hatte. Für das Problem mit seinen Töchtern hatten sie beide derzeit noch keine Lösung parat. Das belastete Sven extrem und an manchen Tagen fiel er in ein tiefes schwarzes Loch, aus dem er so rasch nicht wieder herauskam. Die Stimmungsschwankungen von Sven waren von Tag zu Tag unterschiedlich. Vermutlich deswegen, weil er jeden Tag erneut den erbitterten Kampf gegen den Alkohol aufnehmen musste.

HILFE - mein Mann trinkt!

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