Читать книгу HILFE - mein Mann trinkt! - Joana Lehmann - Страница 5
Kapitel 1
ОглавлениеAm Samstagabend besuchte Pia mit ihrer Bowlingclique eine Karnevalsveranstaltung. Der Abend verlief leider anders, als sie es erwartet hatte. Ihre Kumpels leisteten ihr eine Weile Gesellschaft, dann wurde ihnen langweilig und sie gingen an die Bar, um sich dort anderweitig zu vergnügen. Pia blieb als Einzige am Tisch zurück. Gerne hätte sie sich unter die Tanzenden gemischt, aber ohne männliche Begleitung traute sie sich das nicht.
Aus Enttäuschung, weil vorwiegend nur Paare im Saal waren und sie niemand zum Tanzen aufforderte, trank sie mehr Wein, als sie vertrug. Pia bemerkte, dass sie allmählich einen Schwips bekam.
Zur fortgeschrittenen Stunde setzte sich plötzlich ein Mann zu ihr an den Tisch. Viel von seinem Gesicht konnte sie allerdings nicht erkennen, da er eine Maske trug. Pia packte die Gelegenheit beim Schopf und fragte den Unbekannten, ob er mit ihr tanzen wollte. Dieser nahm ihr Angebot gerne an. Er zog die Lederjacke aus und legte sie über den Stuhl. Er nahm sie an der Hand, als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt und führte sie zur Tanzfläche. Pia stellte jedoch nach wenigen Minuten fest, dass er ein miserabler Tänzer war. Als er ihr das vierte Mal auf die Füße trat, bat sie ihn höflich aber bestimmt, den Tanz zu beenden. Galant brachte er sie an den Tisch zurück, zog die Maske aus und wischte sich die Schweißperlen von der Stirn. Pia musste zweimal hinsehen. Der Mann sah fabelhaft aus. Das er groß, schlank und muskulös war hatte sie bereits vorher wohlwollend registriert. Er hatte schwarzes, leicht gewelltes Haar, das ihm in die Stirn fiel, einen Oberlippenbart, braune Augen und eine nette Ausstrahlung. Sie sah ihn fasziniert an. Er bemerkte dies und vermied sie anzusehen.
»Wie heißt du eigentlich?«, fragte Pia mutig. Ihr Herz schlug bis zum Hals vor Aufregung.
»Mein Name ist Sven Bayer. Ich wohne in Egelsbach, das ist ein Stadtteil von Offenbach, bin aber in Recklinghausen geboren.«
»Ich bin Pia und wohne in einem Vorort von Frankfurt.«
»Oh, das finde ich toll. Ich kenne noch nicht viel von der Gegend, da ich erst seit Kurzem hier wohne. Vielleicht kannst du mir ja mal irgendwann die Stadt zeigen!«
»Kann ich gerne machen!«, sagte Pia.
Sven blieb noch für eine Weile bei ihr am Tisch sitzen und sie plauderten über belanglose Dinge. Plötzlich kam einer seiner Kumpels an den Tisch und drängte zum Aufbruch. Sven erhob sich sogleich und reichte ihr die Hand zum Abschied. Sie sah ihn verwirrt an, weil sie dachte, etwas falsch gemacht zu haben.
»Ich muss leider gleich los. Meine Kumpels wollen nach Hause, und da ich im Moment kein Auto habe, bin ich auf eine Mitfahrgelegenheit angewiesen. Vielleicht sieht man sich ja mal wieder!«, sagte Sven und sah ihr dabei tief in die Augen.
Sie hatte keine Ahnung, warum sie plötzlich in ihrer Handtasche wühlte, eine Visitenkarte zutage förderte und sie ihm überreichte. Das war sonst nicht ihre Art, einer ihr völlig fremden Person bereits beim ersten Treffen die Karte zu überreichen.
»Wenn du möchtest, kannst du mich ja mal anrufen! Ich würde mich freuen«, hörte sie sich zu ihrem eigenen Erstaunen sagen. Was war bloß in sie gefahren? Sie kannte den Mann doch kaum. Aber irgendetwas an ihm zog sie magisch an. War es seine wohlklingende Stimme oder sein makelloses Aussehen? Spielte ihr der übermäßige Alkoholgenuss einen Streich?
»Kann ich machen«, antwortete er einsilbig, nahm ihr die Visitenkarte aus der Hand und ließ sie in der Hosentasche verschwinden.
»Ich muss ebenfalls gehen! Ich habe gar nicht bemerkt, dass es schon so spät ist! Meine Freunde wollen vermutlich auch gleich aufbrechen!
„Komm gut nach Hause«, sagte Pia.
»Du auch«, erwiderte er.
Wie vermutet, hatten sich ihre Freunde zwischenzeitlich am Tisch eingefunden und warteten bereits ungeduldig auf Pia und drängten zum Aufbruch. Sie bezahlte ihre Rechnung und verließ kurz darauf mit ihnen gemeinsam die Stadthalle, um sich auf den Heimweg zu begeben.
Zu Hause angekommen dachte sie über den unverschämt gut aussehenden Mann nach, der fortwährend ihre Gedanken beschäftigte. Die Chance, dass er sich noch einmal bei ihr melden würde, sah sie als höchst unwahrscheinlich an. Vermutlich hatte er ihre Visitenkarte bereits in den Papierkorb geworfen und verschwendete keinen weiteren Gedanken mehr an sie.
Im Prinzip konnte ihr das auch egal sein. Eigentlich war sie mit ihren neunzehn Jahren überzeugter Single und wollte es auch noch eine Weile bleiben, da sie ihre persönliche Unabhängigkeit über alles liebte. Sie hatte sich vor Kurzem erst von ihrem Elternhaus losgesagt und sich auf eigene Füße gestellt. Endlich konnte sie ihr Leben so gestalten, wie sie es wollte, und war keinem mehr Rechenschaft für ihr Handeln schuldig. Auf ihre kleine Wohnung war sie mächtig stolz. Es war schließlich ihre erste eigene Bleibe.
Trotzdem bekam sie Sven Bayer nicht mehr aus dem Kopf. Gerne hätte sie die Faschingstage mit ihm verbracht.
Sie hatte die Hoffnung mittlerweile aufgegeben, dass Sven sich bei ihr melden würde. Deshalb feierte Pia die verbleibenden Faschingstage zusammen mit der Familie und ihren Freunden. Am Aschermittwoch hatte sie noch Urlaub, wie all die Jahre zuvor, um sich von der närrischen Zeit zu erholen. Am darauffolgenden Tag musste sie wieder ins Büro.
Ihr Chef hatte sie mit jeder Menge Arbeit eingedeckt. Es rächte sich stets, wenn sie sich einige Tage freigenommen hatte, dann stapelten sich nachher die Akten auf dem Schreibtisch bis zur Decke. Gänzlich in ihre Beschäftigung vertieft und vollkommen dem Bürostress erlegen, riss sie das Klingeln des Telefons aus ihren Gedanken. Verwirrt nahm sie den Hörer ab. Es war kein anderer als Sven. Überrascht und mit klopfendem Herzen starrte sie den Telefonhörer an.
»Ich habe nicht viel Zeit, habe eine Menge Arbeit zu erledigen, die während meines Urlaubs liegen geblieben ist«, entgegnete Pia mehr stammelnd als sprechend.
»Ich möchte dich gerne wiedersehen, wenn du magst!«, sagte Sven am anderen Ende der Leitung.
»Das freut mich. Wie wäre es, wenn du mich am Montag nach Feierabend um siebzehn Uhr vom Geschäft abholst, dann könnten wir anschließend zu mir fahren und ich koche uns etwas Leckeres?«, sagte Pia.
»Ja, dann bis Montag«, antwortete Sven erfreut und verabschiedete sich.
Je näher der Montag kam, desto nervöser und angespannter wurde sie. Am Samstagmorgen brachte sie ihre Wohnung auf Hochglanz und anschließend ging sie zum Einkaufen. Am Nachmittag traf sie sich mit ihrer Clique zum Bowlingspielen. Am Sonntagabend traf sie Vorbereitungen für das gemeinsame Essen mit Sven. Sie bereitete einen leckeren vegetarischen Auflauf vor, der nur noch in den Backofen geschoben werden musste. Während der Garzeit hatte sie dann genügend Zeit für Sven und brauchte sich nicht mit dem Kochen abzumühen. Sie deckte bereits am gleichen Abend liebevoll den Essenstisch mit ihrem besten Geschirr ein. Jetzt konnte nichts mehr schiefgehen. Sekt, Wein und Bier hatte sie schon kaltgestellt. Es war für alles gesorgt.
In dieser Nacht schlief sie äußerst unruhig, da sie ständig an das bevorstehende Treffen mit Sven denken musste.