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Buocher Höhe: Köpfe mit Weitblick
ОглавлениеEs gab Zeiten, da war der Schwäbische Wald die erste Urlaubsadresse für Erholungssuchende aus Stuttgart, Heilbronn und Schwäbisch Hall. Sie kamen als Sommerfrischler, wie man damals sagte, genossen die gute Luft und die schöne Landschaft. Das Leben dort erschien schon damals ruhiger als in den wimmelnden Städten. Das liegt etwa 100 Jahre zurück, und die Geschichte wiederholt sich gerade: Der Schwäbische Wald wird als Freizeitparadies der Städter neu entdeckt.
Buoch liegt buchstäblich vor den Toren Stuttgarts. Fährt man aus der Landeshauptstadt ein paar Kilometer ostwärts, kommen drei »Köpfe« in Sicht: Der Korber Kopf, der Kleinheppacher Kopf und dazwischen der flachere Hörnleskopf. Die Landmarken machen den Auftakt zur Buocher Höhe, die der südwestlichste Zipfel der Schwäbischen Waldberge ist. Wer bei den »Köpfen« eine Entdeckungsreise beginnt, kann bei entsprechender Routenplanung zig Kilometer durch Wälder gehen, ohne eine größere Ortschaft zu streifen. Kaum mehr als einen Steinwurf von der dicht besiedelten Region Stuttgart.
Das namengebende Dörfchen Buoch ist heute Teilort der Gemeinde Remshalden und hat etwa 700 Einwohner. Dass Buoch der erste touristische Ort im Schwäbischen Wald wurde, ist wieder eine Geschichte für sich. Künstler und Kreative waren die ersten »Fremden«, die es auf die Buocher Höhe zog. Anfangs spielte der Zufall mit. Der Dichter Rudolf Kausler, später als Literaturhistoriker bekannt, fand Mitte des 19. Jahrhunderts im Haus seines Onkels Johann Reinfelder Unterschlupf, der in Buoch Pfarrer war. Weil ihm die Idylle so gut gefiel, lud Kausler Freunde aus gemeinsamen Studientagen ins Pfarrhaus ein, darunter die Dichter Berthold Auerbach und Hermann Kurz. Die gute Höhenluft sprach sich in Stuttgart herum und zog 1862 auch den Dialektdichter Eduard Hiller nach Buoch. Dessen ständig angeschlagene Gesundheit stabilisierte sich in seinen 40 Lebensjahren auf der Buocher Höhe. Dass das Remstal seit 1861 mit der Eisenbahn erreichbar war, steigerte den Zulauf der Stuttgarter Boheme. Den steilen Aufstieg vom Bahnhof Grunbach, der fast 300 Meter tiefer liegt, nahm man für das grandiose Höhenpanorama eben in Kauf. Den Dichtern folgten Musiker, bildende Künstler und letztlich auch schlichte Sommerfrischler ohne kreative Ambitionen. Sie kamen in einfachen Gästezimmern der Wirtshäuser oder »Fremdenzimmern« in Privathäusern unter und fühlten sich auf der Buocher Höhe der städtischen Hektik entrückt. Der letzte bedeutende Buocher Kunstschaffende war der Glasmaler und Zeichner Hans Gottfried von Stockhausen, der fast 40 Jahre lang hier seinen Lebensort und sein Atelier hatte.
Der Ort ist bis heute besonders. Der Blick reicht weit, an klaren Tagen von der Ostalb bis zum Schwarzwald. Die Luft scheint einige Quäntchen reiner als im Tal, die Gedanken finden auf irgendeine Weise mehr Raum. Ist es Spiritualität? Buoch war schon in vorchristlicher Zeit eine heilige Stätte. Die Buocher Dorfkirche, eine der ersten Kirchen weit und breit, hat man an der Stelle des alten Kultplatzes gebaut. Wirtschaften wie den »Hirsch« (in seinen Räumen ist heute das vom rührigen Heimatverein betriebene ortsgeschichtliche Museum untergebracht), die »Krone« oder das »Café Daheim«, wo Sommerfrischler Unterkunft und Gesellschaft fanden, gibt es heute nicht mehr. Hungrig und durstig muss man dennoch nicht bleiben, wenn man Buoch besucht: Etwas außerhalb des Orts lädt die gemütliche Wirtschaft »Zom Fässle« ein, und gleich nebenan liegt der Wasser- und Aussichtsturm mit seinem geradezu atemberaubenden Ausblick. Er ist öffentlich zugänglich, den Schlüssel gibt es beim Heimatverein. Telefonnummer und Adresse stehen auf einem Schild an der Eingangstür.