Читать книгу 55 Gründe, den Schwäbischen Wald zu lieben - Jochen Fischer - Страница 9
Bausparen: wie ein Ort zur Marke wurde
ОглавлениеBankgeschäfte sind eher eine Angelegenheit des kühlen Kopfs. Doch das Resultat eines Bausparvertrags liebt man im Land der Häuslebauer ganz speziell: das eigene Heim. Wo anders als in Baden-Württemberg könnte also dieses Finanzierungsmodell zu Hause sein? Wie es nach Wüstenrot auf dem Mainhardter Wald kam, ist eine Geschichte für sich.
Der 1865 in Ostpreußen geborene Drogist und Werbetexter Georg Kropp – er war nebenbei auch methodistischer Laienprediger und Verfechter der Alkoholabstinenz – hatte sich schon länger mit der Frage beschäftigt, wie möglichst viele Menschen zu eigenem Grundbesitz kommen könnten. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Frage drängend: Die Wirtschaft lag am Boden; wer keine Arbeit hatte, konnte die Miete nicht mehr bezahlen, und wer sich nicht von eigenem Land ernähren konnte, litt Hunger. Georg Kropp arbeitete um 1920 in Heilbronn und konnte im etwa 20 Kilometer entfernten Wüstenrot eine kleine Haushälfte mit etwas Land erwerben. Dieser Ort mit ein paar Hundert Einwohnern sollte sein Musterdorf werden. Kropps Grundgedanke war simpel: Wenn das Vermögen eines Einzelnen nicht ausreicht, um Grundstück und Bau eines Hauses zu finanzieren, dann hilft Solidarität. Viele Einzelne legen ihre kleinen Vermögen zusammen, um ein erstes Haus zu bauen. Mit dem weiter Angesparten wird Haus um Haus gebaut, bis am Ende alle im eigenen Heim wohnen. Baugenossenschaften gab es auch andernorts, doch der Gedanke des gemeinsamen Sparens aufs Eigenheim kam in Wüstenrot zur Welt.
Das Wüstenroter Bausparmuseum
Georg Kropp warb Mitglieder für seine »Gemeinschaft der Freunde«, wie der Sparverein heißen sollte. Er war christlich geprägt, sollte aber weltanschaulich neutral sein. Im Mai 1921 fand in Stuttgart – unter konsequenter Alkoholabstinenz – die Gründungsversammlung statt, mit dem Ziel, »auf rein gemeinnütziger, bodenreformerischer Grundlage die Schaffung von Wohngelegenheiten und Altersheimen für die Allgemeinheit« zu organisieren. Die gute Idee traf auf eine ungute Zeit: Deutschland erlebte die erste große Inflation. Bei Geldentwertung war an zielgerichtetes Sparen nicht zu denken. Kropp und seine Mitarbeiter zahlten die eingegangenen Beiträge – teils aus eigenem Vermögen – zurück und hofften auf bessere Zeiten. Diese zogen im Frühjahr 1924 auf. Die Mitgliederwerbung lief wieder an, und Kropps Haus in Wüstenrot wurde über Nacht zur Zentrale der »Bausparkasse der Gemeinschaft der Freunde«. Bis 1925 waren fast 10 000 Bausparverträge abgeschlossen, und der Name Wüstenrot wurde in ganz Württemberg bekannt.
1928 verlegte die Bausparkasse gegen den Willen des Gründers die Firmenzentrale nach Ludwigsburg. Nur im Markennamen ist Wüstenrot bis heute erhalten geblieben. Auch das erste Haus der Familie Kropp in der Haller Straße 3 steht noch und ist heute das Wüstenroter Bausparmuseum. Das Haus ist klein, die sehenswerte Ausstellung ebenso. Vom Museum aus lässt sich ein bauspargeschichtlicher Rundweg durch den Ort erkunden. Er verbindet Gebäude, die mit der Historie der Sparkasse zu tun haben – vom Häusle eines der ersten Sparer bis zur schmucken Villa, die sich Georg Kropp 1926/27 bauen ließ. Lohnenswert ist auch ein Abstecher zum ebenfalls kleinen, feinen Glasmuseum im Alten Rathaus.