Читать книгу Masada - Jodi Magness - Страница 51
NACHAL CHEVER
ОглавлениеIm Jahr 132 n. Chr. erhoben sich die Juden von Judäa erneut gegen die Römer, nachdem sie erfahren hatten, dass Kaiser Hadrian vorhatte, einen wiedererbauten Jerusalemer Tempel dem römischen Gott Jupiter Capitolinus zu weihen. Anführer des Aufstands war eine messianische Figur, genannt Bar Kochba (aramäisch für „Sohn des Sterns“). Die jüdischen Rebellen führten einen höchst wirkungsvollen Guerillakrieg: Tagsüber versteckten sie sich in Höhlen und Tunneln, um nach Einbruch der Dunkelheit aufzutauchen und die römischen Truppen aus dem Hinterhalt zu attackieren. Eine ganze römische Legion wurde aufgerieben, und am Ende entsandte Hadrian ein Drittel der römischen Armee, um Judäa zu unterwerfen. Schlussendlich wendete sich das Blatt gegen die Juden, und im Jahr 135 kam Bar Kochba bei einem letzten Gefecht in der Festung Betar in der Nähe von Bethlehem ums Leben.
Bei der israelischen Expedition ans Tote Meer, 1960 bis 1962, wurde eine Reihe von Höhlen identifiziert, in denen Juden zur Zeit des Bar-Kochba-Aufstands Zuflucht gesucht hatten. So fand beispielsweise der israelische Archäologe Nahman Avigad in einer Felswand hoch über En Gedi die „Cave of the Pool“, die ihren Namen einem am Eingang der Höhle eingelassenen verputzten Becken zur Wasserspeicherung verdankt. Dank der Wasserversorgung (und der Lebensmittel, von denen Avigad Reste fand) verließen die Juden, die sich dort versteckten, die Höhle offenbar lebend.36
Grabungsarbeiten in der „Höhle der Briefe“
Die aufsehenerregendsten Entdeckungen im Zusammenhang mit dem Bar-Kochba-Aufstand machte Yigael Yadin, der ein paar Jahre später in Masada grub. Yadin war das Nordufer des Nachal Chever zugewiesen worden, ein großes Wadi, das ein kurzes Stück südlich von En Gedi und unmittelbar nördlich des Nachal Mischmar liegt. Hoch oben in der Felswand entdeckte er eine Höhle, die eine Fülle antiker Funde erbrachte, darunter Schriftstücke, weshalb sie als „Höhle der Briefe“ bekannt wurde. Eine Höhle in der gegenüberliegenden (südlichen) Felswand, die von einem anderen israelischen Archäologen, Johanan Aharoni, erkundet wurde, heißt wegen der zahlreichen darin entdeckten menschlichen Skelette „Schreckenshöhle“. Auch in der Briefhöhle wurden menschliche Überreste gefunden. Die Skelette gehören zu jüdischen Familien – Männer, Frauen, Kinder und Säuglinge – aus dem nahe gelegenen Dorf En Gedi, die während des Aufstands vor den Römern geflohen und in diesen Höhlen Zuflucht gesucht hatten. Doch die Höhlen wurden von römischen Soldaten entdeckt, die auf den Klippen darüber lagerten. Weil sie ihren Zufluchtsort nicht verlassen konnten, um sich Lebensmittel und Wasser zu besorgen, verhungerten bzw. verdursteten die Flüchtlinge. Die Erkundung der Höhlen gestaltete sich außerordentlich schwierig, weil die fast senkrechten Klippenwände den Zugang extrem erschwerten.
Als die jüdischen Flüchtlinge ihre Häuser in En Gedi verlassen hatten, hatten sie die Türen ihrer Wohnungen verschlossen und ihre wertvollsten Besitztümer mitgenommen. Das wissen wir, weil ihre Hausschlüssel und andere Habseligkeiten in den Höhlen gefunden wurden, manche verborgen in Ritzen und Spalten. Die meisten der Funde stammen aus der Briefhöhle. So entdeckte Yadin beispielsweise einen Hort aus Bronzegefäßen, die in einen geflochtenen Weidenkorb eingepackt waren – dessen Griffe waren noch zusammengebunden. Neben den Krügen enthält der Hortfund Weihrauchlöffel und paterae (Schalen für Trankopfer), die mit Figuren aus der griechischen Mythologie verziert waren. Deren Charakteristika hatte man durch Glattschmirgeln absichtlich unkenntlich gemacht. Yadin vermutete, dass dieses Depot ursprünglich einem römischen Offizier gehört hatte und als Beutegut mitgenommen worden war, nachdem seine Einheit von Aufständischen in einen Hinterhalt gelockt worden war. Weil die Juden die heidnischen Darstellungen an den Gefäßen als anstößig erachteten, haben sie die Motive verunstaltet.
In der Briefhöhle wurde noch mehr gefunden: eine Reihe hölzerner Schalen und Küchenmesser (noch mitsamt ihren hölzernen Griffen); eine wertvolle Glasschale; Ledersandalen; und Kleidung (meist wollene Tuniken und Mäntel, einige knallbunt). Durch das wüstenartige Klima haben sich diese organischen Materialien erhalten – ansonsten werden sie bei archäologischen Ausgrabungen in Israel nur selten gefunden.
Dank der trockenen Bedingungen erhielten sich in der Höhle der Briefe auch antike Dokumente, darunter drei „Archive“ (Dokumentenbündel). Eines davon gehörte einer faszinierenden Frau namens Babatha, die ursprünglich aus Nabatäa stammte und zweimal geheiratet hat. Ihr zweiter Ehemann kam aus En Gedi, und so verschlug es sie schließlich in diese Höhle. Zwar konnte Babatha selbst wohl nicht lesen und schreiben, aber sie wahrte in ihren persönlichen Dokumenten Ordnung: Fein säuberlich in einem Lederbeutel bewahrte sie unter anderem ihren Ehevertrag und Unterlagen zu Vermögenswerten auf. Eine andere Gruppe von Dokumenten fand man in einem Trinkschlauch: Briefe, die Bar Kochba an seine Befehlshaber in En Gedi geschickt hat – zum ersten Mal in der Geschichte hörten wir hier Bar Kochba gewissermaßen selbst sprechen. Diese Briefe verraten sogar, dass Bar Kochbas wirklicher Name Schim’on bar Kosiba war. Bar Kochba war ein Rufname, der von den messianischen Hoffnungen seiner Anhänger zeugt. In der späteren jüdischen Überlieferung finden wir den Namen Bar Koseba, „Lügensohn“ – da der Aufstand sich als erfolglos erwiesen hat, war er ganz offensichtlich ein falscher Messias gewesen.37
Die Entdeckungen im Nachal Chever und in anderen Höhlen überall in der Judäischen Wüste waren insofern wichtig, als sie ein Licht auf den Bar-Kochba-Aufstand warfen, über den wir kaum andere Informationen besitzen. Flavius Josephus schildert zwar den Jüdischen Krieg sehr ausführlich, aber er starb um 100 n. Chr. – mehr als drei Jahrzehnte vor dem zweiten Aufstand. Es gibt keinen antiken Autor wie ihn, der die Ereignisse des Bar-Kochba-Aufstands für uns aufgezeichnet hätte. Wir besitzen lediglich kurze, verstreute Hinweise bei römischen Schriftstellern (beispielsweise bei dem Senator, Konsul und Geschichtsschreiber Cassius Dio), in der rabbinischen Literatur und bei den Kirchenvätern. Die Archäologie liefert wertvolle Informationen und ergänzt so das dürftige Bild, das wir aus den Schriftquellen haben.