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Apoll und Dionysos: Zusammenstoß zweier Rassen
ОглавлениеDiesem Dualismus der Künste entspricht ein solcher der Götter. In einem Büchlein, das bei J. F. Lehmann erschienen ist und sich als Pamphlet gegen Nietzsche57 versteht, der wegen seines Lobs des dionysischen Prinzips angegriffen wird, stellt der Philosoph und Kunsthistoriker Karl Kynast Punkt für Punkt Apollo und Dionysos gegenüber: der orientalische und chthonische Dionysos, Gott des Körpers, der Sinne, der Ekstase, sei die Antithese zum nordischen und himmlischen Apoll, Gott des Verstandes und der Selbstbeherrschung. Der Dionysos-Kult gründe auf dem Verlust des Bewusstseins durch Stimulierung der Sinne; er leite sich also von einem fremden Rassenprinzip her, das nicht mit dem nordischen Charakter der Griechen kompatibel sei. Nietzsche täuschte sich folglich gründlich, als er die Verbindung von Apoll und Dionysos zur notwendigen und hinreichenden Bedingung für die Herausbildung der hellenischen Kultur erhob.58
Dionysos ist ein dunkler und undurchschaubarer Gott, der Gott der Nächte der Bacchanale mit ihren Trance-Zuständen, während Apoll der Sonnengott ist, phoibos, also „der Reine, Lichte, Leuchtende“59. „Ist Dionys ein Gott der Finsternis, des ausschweifenden, wild wuchernden Un- und Übermaßes, so ist Apoll ein Gott des Lichts, der Ordnung, des harmonisch edlen Maßes.“60
Der Kult der Bacchanale beruhe auf Entfesselung der Sinne, auf den Irrungen eines Körpers, der sich der Wirrnis der Gefühle und ekstatischen Sinnesreizung ausgeliefert sehe. Er sei aus „unnordischem Blut und Geist erwachsen“61, die charakteristisch sind für eine Menschheit, die gänzlich von ihren Leidenschaften beherrscht und von Natur aus von ihren vor allem libidinösen Trieben bestimmt werde. Das seien die Charakteristika des Südens und des Ostens. Sie seien nicht so weit entfernt von der Animalität und würden durch ein Übermaß an instinktivem Verhalten geprägt, während der nordische Mensch ganz aus Maß und Beherrschung bestehe. Letztendlich sei der Dionysos-Kult ein weiblicher Kult: ein passiver Kult der Hingabe an die Sinne, den thymos. Die Bacchanale seien ja auch verdorben durch die Teilnehmer: „Weiber und Sklaven! Das Gegenteil von beiden ist der hellenische Mann, der Angehörige jenes nordrassischen Herrenvolks, das […] die wundervolle Blüte der griechischen Kultur entwickelt hat.“62 Die Rassen des Südens frönten übrigens dem Matriarchat, dem Mutterschoß und dem Mutterland, während die Völker des Nordens patriarchalisch ausgerichtet seien und von „Vaterland“63 sprächen, wie auch Darré64 ausführt. Der nordische Gott Apollo sei Männersache, er gehöre dem logos an, der aktiven Selbstbeherrschung und nicht der servilen oder weibischen Hingabe an die Leidenschaft.
Der Gegensatz zwischen apollinisch und dionysisch beruht also durchaus auf einer Rassen-Antithese und deckt sich mit dem Gegensatz von „Kultur und Barbarei“65, von humanitas und animalitas. Dionysos ist der Gott des Schreis in Trance, des Orgasmus und des Orgiastischen, „während Apoll die Gottheit des Gesangs ist“66, der lebendigen harmonischen Entfaltung mathematischen Maßes.
Kynast, der eine Axiologie der Götter und der Rassen bot, wurde von Schemann67 und Günther zitiert. Rosenberg führte ihn im Mythus des 20. Jahrhunderts an und übernahm Gedanken von ihm.68 Auch ein ideologisches Schulungsheft der Partei69 fasste seine Überlegungen zusammen und machte sie damit einer breiten Öffentlichkeit bekannt.
Rosenberg machte aus der Bipolarität Apollo-Dionysos eine Folge der rassischen und spirituellen Schizophrenie der Griechen. Diese seien hin- und hergerissen gewesen zwischen ihren nordischen Ursprüngen und den fremdrassigen Fermenten, die sich seit ihrer Niederlassung auf dem fremden Gebiet des Südens in ihrem Blut eingenistet hätten. So war „der griechische Mensch bereits zerspalten, uneins mit sich geworden“, und es war dahin gekommen, dass er „zwischen arteigenen Werten und fremder Geisteshaltung hin- und herschwankte“70. Auf der einen Seite standen die Götter des Lichts und der Klarheit, Prinzipien des Guten, Schönen, Gütigen, die „Lichtgestalten des Apollon, der Pallas Athene“71, auf der anderen, in diametralem Gegensatz zum blonden Lichtgott Apollo72, Dionysos, Gott der Nacht73, der als rassischer und spiritueller Fremdling ins das Leben der Griechen trat und in seiner psychischen und physischen Fremdheit die Degeneration der nordischen Rasse verkörperte, „Gleichnis […] nordischen Verfalls“74.
Während die Harmonie, Selbstbeherrschung und Maß verkörpernden Sonnengötter Apollo und Athene die Psyche und das Gemeinwesen der Griechen bestimmten, schleppte Dionysos den Keim der Barbarei in das Gemeinwesen ein. Rosenberg zeichnet das überladene Bild dionysischer Wildheit und stellt in der Manier späterer Römerbzw. Antiken-Filme das orgiastische und orgastische Getümmel und Geschrei der Bacchanale dar, „das im fiebrigen Schein der Fackeln, in metallischem Lärm, begleitet von Tamburins und Flöten“75 vor sich ging, bis hin zum Moment, in dem die Bacchanten, der Tyrannei ihrer Sinne ausgeliefert, ihre Zähne wild in das Opferfleisch schlugen. Dieses wilde Treiben entfesselter Triebe steht im Gegensatz zu griechischer Beherrschtheit, die sich mannhaft von der Tyrannei der Sinne frei gemacht hat:
„Diese Gebräuche waren in allem und jedem das vollkommene Gegenteil des Griechentums, sie stellen dar jene ‚Religion der Besessenheit‘ (Frobenius), die im gesamten Osten des Mittelmeers herrschte, getragen von den afrikanisch-vorderasiatischen Rassen und Rassenmischungen.“76