Читать книгу Einführung in die katholische Dogmatik - Johanna Rahner - Страница 10
b) Zur Methode katholischer Dogmatik
ОглавлениеDer Mensch als Hörer des Wortes
Der Mensch ist kein Objekt, das übernatürlich ergehende Offenbarungswahrheiten Gottes einfach zu empfangen und zu glauben hat, sondern er ist das ‚Du‘ Gottes, das durch die Ansprache von Gott als ‚Hörer/Hörerin des Wortes‘ zur Antwort herausgefordert ist. Dieser in der katholischen Theologie des 20. Jahrhunderts vollzogene Perspektivenwechsel hin zum Offenbarungsmodell der Selbstmitteilung Gottes (s. III.4) führt zu einem veränderten Selbstverständnis wie zu einer methodischen Revision der Dogmatik als theologische Kerndisziplin.
transzendentale Anthropologie
Die Dogmatik hat nun die Aufgabe, über das Wort, den Glauben, seine Inhalte und über das Vorverständnis auf Seiten der Hörenden und über die Bedingungen und Möglichkeiten des Zum-Glauben-Kommens und Glauben-Könnens nachzudenken. Sie ist daher die Auslegungswissenschaft (Hermeneutik) des Glaubens für die moderne Zeit. Zugleich hat sie die theologische Analyse aktueller menschlicher Existenz zu leisten ([2] 217). Über den christlichen Glauben nachzudenken, bedeutet auch über den Menschen als Hörer dieser Botschaft nachzudenken, nach den Vorbedingungen und nach den Vorfragen für den Glauben auf Seiten des Menschen zu fragen, also eine transzendentale Anthropologie zu betreiben. Das bedeutet, „dass man eben bei jedem dogmatischen Gegenstand nach den notwendigen Bedingungen seiner Erkenntnis im theologischen Subjekt mitfragt; nachweist, dass es solche apriorischen Bedingungen gibt; zeigt, dass sie selbst schon über den Gegenstand, die Weise, die Methode und die Grenzen seiner Erkenntnis etwas implizieren und aussagen“ ([9] 44). Immanuel Kants (1724–1804) ‚kopernikanische Wende‘ der Erkenntnistheorie (vgl. Kritik der reinen Vernunft B XVI–XVII) hält Einzug in die Dogmatik (Wende zur Anthropologie). Diese Methode in der Dogmatik anzuwenden, bedeutet über den Zusammenhang zwischen den dogmatischen Aussagen und der menschlichen Erfahrung und Existenz nachzudenken. Dies gilt nicht nur für die Gestalt und den Inhalt des Glaubens hier und jetzt, sondern auch für jede Phase der geschichtlichen Entwicklung des Glaubens. Damit ist auch die Idee einer menschlichen Geschichte der Glaubensentwicklung, einer Dogmengeschichte und Dogmenhermeneutik zu verbinden (vgl. u. II.1–3), die nicht nur rückblickend, sondern auch zukünftig zu einem dynamischen Verständnis des Glaubens führt. Eine transzendental arbeitende, anthropologisch orientierte Dogmatik sucht nach der Bedingung der Möglichkeit des Glaubens, der Beziehung zu, ja einer Hinordnung auf Gott. Im Sinne Karl Rahners (1904–1984) ist es gerade die besondere Aufgabe einer Grundlegung der Dogmatik, dass sie diese anthropozentrische Dimension der ganzen Theologie herausarbeitet, methodisch beschreibt und zugleich zeigt, inwiefern daher die Inhalte des christlichen Glaubens vertrauens- und glaubwürdig sind.
Modernismus
Eine Gefahr dieses Ansatzes, so der Vorwurf, besteht darin, dass man den Glauben als äußere Tat Gottes am Menschen nicht mehr plausibel machen kann. Ist Theologie, Rede von Gott, nicht einfach nur noch der Spiegel menschlicher Bedürfnisse? Ist Glaube mehr als die Projektion menschlicher Sehnsüchte? ‚Modernismus‘ wird daher am Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts zur abwertenden Bezeichnung für jene Theologen, die diese Neuorientierung der Dogmatik versuchen. Das Grundproblem einer Dogmatik, die sich der transzendentalen Methode verpflichtet hat, liegt also in der richtigen Verhältnisbestimmung zwischen den anthropologischen Vorbedingungen, den Apriori des Glaubens, also den Vorgaben und Anknüpfungspunkten, die es innerhalb der menschlichen Existenz zu entdecken gilt, und dem kontingenten Ereignis der Selbstoffenbarung Gottes, das den Glauben begründet.