Читать книгу Einführung in die katholische Dogmatik - Johanna Rahner - Страница 20
b) Hermeneutische Grundregeln
ОглавлениеAuslegungskriterien
Aus den genannten Abgrenzungen lassen sich nun grundlegende Auslegungskriterien ableiten ([16] 732–743; [5]), die den Weg zwischen Verbindlichkeit und Bedingtheit weisen.
(1) Dogmen sind keine Crund- oder Ausgangssätze theologischer Arbeit, sondern sie sind so etwas wie eine ‚Wasserwaage‘, die nachträglich an das Ergebnis theologischer Überlegungen anzulegen ist.
(2) Ein Dogma ist anzunehmen als verbindliches Zeugnis der Geschichte unseres Glaubens. Wir Heutigen haben Solidarität aufzubringen mit den Menschen, die uns in geschichtlich vergangenen Zeiten mit dem Versuch vorangegangen sind, um das Verständnis des Handelns Gottes an uns und unsere Hingabe an Gott zu ringen. D.h. ein Dogma verpflichtet uns durch den gemeinsamen Versuch unseren Glauben im Wandel derzeitgeschichtlichen Situationen zur Sprache zu bringen.
(3) Im Umgang mit dem überlieferten Dogma ist unsere eigene Situation nicht als Störung zu betrachten, sondern als Aufgabe anzunehmen. Jeder Christ hat also an der Formulierung heutiger Glaubenserfahrung mitzuarbeiten, denn schließlich geht es um unseren Glauben in unserer Zeit.
(4) Der ursprüngliche Ort des Dogmas im liturgischen Bekenntnis stellt die Aufgabe, gerade heute darauf zu achten, dass die theologische und zuletzt dogmatische Formulierung in einer unserem Denken angepassten Bekenntnissprache geschieht.
(5) Der Erkenntniswert der Form des Dogmas hängt davon ab, wie sehr es dazu beiträgt, die ‚Wahrheit‘ des in Jesus Christus geschehenen Handelns Gottes an uns erkennbare Wirklichkeit werden zu lassen. Ein Dogma ist daran zu messen, ob und wie es auch heute noch zum Glauben führt. Gerade weil es geschichtlich bedingte Sätze sind, die zum Glauben zu bringen versuchen, muss ihre Sprache daran gemessen werden, wie sehr dies ihnen auch heute noch gelingt.
(6) Bei der Verkündung eines neuen Dogmas (oder der Einschärfung eines alten) ist die allgemeine Zustimmung zu dem, ‚was die Kirche glaubt‘, selbstverständlich aufgrund der Rückbindung des persönlichen Glaubens an die Gemeinschaft der vor mir schon Glaubenden. Die persönliche Integration des (neuen) Dogmas in den gläubigen Lebensvollzug ist aber ebenso unerzwingbar wie der Glaube selbst.
(7) Dabei ist die Forderung nie aufzugeben, dass die Lehrverkündigung des kirchlichen Amtes auch wirklich ein Resümee der Glaubenserfahrung der ganzen Kirche zur Sprache bringt und so hat man sich dafür einzusetzen, dass in der Kirche Verfahrensweisen entwickelt werden, die diese Resümeefunktion gewährleisten, soweit menschliche Schwachheit und Beschränktheit das nur irgendwie zulassen (s. IV.8).