Читать книгу Homilien über den ersten Brief an die Korinther - Johannes Chrysostomos - Страница 11

Sechste Homilie.

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I.

Kap. II.

1. 2. Auch ich, Brüder, als ich zu euch kam, bin nicht mit hoher Rednerkunst und Weltweisheit gekommen, um euch das Zeugniß von Gott zu verkünden. Denn ich maßte mir nicht an, unter euch etwas Anderes zu wissen, als Jesum Christum, und zwar den Gekreuzigten.

I. Nichts ist so kampfgerüstet wie die Seele des Paulus oder, besser gesagt, nicht wie seine Seele, — denn nicht er hat Dieses erfunden, — sondern die in ihm wirkende und Alles besiegende Gnade. Wohl genügte schon das früher Gesagte, ja schon ein Theil davon genügte, den Hochmuth Jener zu dämpfen, die mit ihrer Weisheit prahlten. Damit aber der Sieg ein glänzender werde, setzt er den begonnenen Kampf noch fort und triumphirt über die geschlagenen Gegner. Betrachte nur: Er hat die Stelle des Propheten angeführt, die da lautet: „Vernichten will ich die Weisheit der Weisen;“ er hat die Weisheit Gottes daraus bewiesen, daß er durch Das, was Thorheit schien, die Ohnmacht der Weltweisheit an’s Tageslicht zog; er hat gezeigt, daß das thöricht scheinende Werk Gottes die Weisheit der Menschen übertrifft; er hat gezeigt, daß Gott nicht nur durch Ungelehrte die Welt erleuchtet, sondern daß er auch Ungelehrte berufen habe. Nun zeigt er, daß sowohl der Gegenstand als auch die Art und Weise der Verkündigung (des Evangeliums) geeignet war, zu beunruhigen, und doch nicht abgeschreckt habe, nicht nur die Schüler, will er sagen, sind unwissend, sondern auch ich der Prediger selbst. Darum spricht er: „Auch ich, Brüder,“ (er nennt sie abermals Brüder, um die Härte der Rede zu mildern,) „als ich zu euch kam, bin nicht mit hoher Rednerkunst gekommen, euch das Zeugniß von Gott zu verkünden.“ Aber sage mir doch, wenn du mit hoher Rednerkunst hättest auftreten wollen, hättest du es vermocht? Ich würde es nicht vermocht haben, wenn ich es auch gewünscht hätte. Christus aber würde es haben thun können, wmn er gewollt hätte; aber er wollte es nicht, um den Sieg desto glänzender zu machen. Darum sagte er auch oben, da er zeigen wollte, daß das Evangelium Gottes Werk sei, und daß es Gottes Wille gewesen, daß es auf so kunstlose Weise geprediget werde: „Christus hat mich nicht gesandt, um zu taufen, sondern das Evangelium zu verkünden, nicht mit Rednerkunst.“ Daß Christus Dieses gewollt, ist viel, ja unendlich mehr, als wenn Paulus es gewollt hätte. Also, nicht mit Beredsamkeit prunkend, nicht mit Weltweisheit bewaffnet, sagt er, verkünde ich euch „das Zeugniß von Gott“. Er sagt nicht: die Lehre von Gott, sondern das „Zeugniß“, welches eben geeignet war, die Menschen abzuschrecken; denn er predigte überall vom Tode Christi. Darum fügt er bei: „Denn ich maßte mir nicht an, unter euch etwas Anderes zu wissen, als Jesum Christum, und zwar den Gekreuzigten.“62 Das aber sagte er, weil er mit der weltlichen Beredsamkeit gar Nichts zu thun hatte, wie er bereits oben bemerkt hat: „Ich bin nicht mit hoher Rednerkunst gekommen.“ Es ist aber klar, daß er auch diese hätte haben können; denn wenn schon seine Kleider Todte erweckten und sein Schatten Krankheiten vertrieb, so war viel mehr noch seine Zunge der Beredsamkeit fähig; denn diese lernen ja die Schüler, Jenes aber übersteigt alle Kunst. Wer nun das Größere zu thun im Stande ist, der wird um so mehr das Geringere zu leisten vermögen. Aber Christus ließ es nicht zu; denn es geziemte sich nicht. Mit Recht sagt er also: „denn ich maßte mir nicht an, bei euch etwas Anderes zu wissen;“ denn ich will, was Christus will. Mir aber scheint, er rede mit ihnen demüthiger als mit den Andern, um ihren Hochmuth zu dämpfen. Es sind also die Worte: „Ich maßte mir nicht an, etwas Anderes zu wissen,“ ein Gegensatz zur weltlichen Weisheit. Ich bin nämlich nicht gekommen, Syllogismen und Trugschlüsse an einander zu ketten; ich sage euch nichts Anderes, als daß Christus gekreuziget worden. Jene sagen alles Mögliche und sprechen über alles Möglicke in die Länge und in die Beite, indem sie Schlüsse und Syllogismen und zahllose Trugschlüsse ersinnen; ich aber bin zu euch gekommen und predige nichts Anderes, als daß Christus gekreuziget worden, und ich habe alle Jene aus dem Felde geschlagen, was das sicherste Zeichen von der Kraft Desjenigen ist, den ich verkünde.

3. Ich war mit Schwachheit, Furcht und großer Schüchternheit bei euch.

Das ist ein anderer Hauptpunkt. Nicht nur die Glaubenden waren ungelehrt, sondern auch der Redner; nicht nur der Vortrag war einfach und kunstlos, nicht nur der Inhalt der Predigt der Art, daß er die Menschen beunruhigen mußte, — denn Kreuz und Tod waren der Gegenstand der Predigt, — sondern es gesellten sich dazu noch andere Hindernisse: die Gefahren, die Nachstellungen, die tägliche Furcht und Verfolgung. An vielen Stellen, nennt er die Verfolgungen Schwachheit; so heißt es anderswo: „Doch habt ihr die Schwachheit an meinem Leibe nicht verachtet;“63 und abermals: „Muß ich mich rühmen, so will ich mich meiner Schwachheit rühmen.“ Und welcher? „Zu Damaskus wollte mich der Statthalter des Königs Aretas gefangen nehmen und ließ die Stadt bewachen.“64 Und wiederum: „Ich will also meiner Schwachheiten (Leiden) mich rühmen.“65 Darauf erklärt er, welche Leiden dieses seien, und fügt hinzu: „bei Schmähungen, in Nöthen und Bedrängnissen.“ Dasselbe spricht er nun auch hier aus; denn nachdem er gesagt: „auch ich in meiner Schwachheit,“ bleibt er nicht dabei stehen, sondern zeigt, daß er unter dieser Schwachheit die Gefahren verstehe, und fügt neuerdings bei: „Ich war bei euch mit Furcht und großer Schüchternheit.“ — Was sagst du? auch Paulus fürchtete die Gefahren? Ja, er fürchtete sie und zitterte davor; denn obgleich, er Paulus war, so war er doch Mensch. Das aber gereicht dem Paulus nicht zum Tadel; denn es ist Schwacheit der Natur; aber zum Ruhme gereicht ihm die Festigkeit des Willens, vermöge welcher er, bei aller Furcht vor Tod und Schlägen, dennoch durch diese Furcht sich zu keiner unwürdigen Handlung verleiten ließ. Wer also behauptet, er habe keine Furcht vor Schlägen gehabt, erweist ihm nicht nur keine Ehre, sondern entzieht ihm noch Vieles von seinem Ruhme. Denn hatte er keine Furcht, welcher Standhaftigkeit und welcher Weisheit bedürfte es dann, die Gefahren zu ertragen? Ich bewundere ihn gerade darum, weil er fürchtend, ja zitternd vor den Gefahren immer als Sieger dahineilte, keiner Gefahr aus dem Weg ging, die ganze Erde reinigte und überall, auf dem festen Lande und auf dem Meere, den Samen (des göttlichen Wortes) ausstreute.

4. Ich bediente mich bei meinen Reden und Vorträgen nicht einnehmender Worte menschlicher Weisheit.

D. h. ich brachte keine weltliche Beredsamkeit mit. Wenn also der Vortrag selbst keinen sophistischen Schein trug und die Berufenen, ja der Prediger selbst ungelehrt waren und noch Verfolgung, Furcht und Schüchternheit dazu kamen: wie war es denn möglich zu siegen? Darum setzt er nach den Worten: „Ich bediente mich bei meinen Reden und Vorträgen nicht einnehmender Worte menschlicher Weisheit“ hinzu: „sondern des Erweises von Geist und Kraft.“


II.

Siehst du, wie das thöricht scheinende Werk Gottes die Weisheit der Menschen übertrifft und das Schwache mehr als das Starke vermag? Diese Lehre wurde von Ungelehrten gepredigt; gefangen und verfolgt siegten sie über ihre Verfolger. Woher kam Dieses? Kam es nicht daher, daß sie durch den Geist sich Glauben verschafften? Dieser Beweis ist unbestritten. Denn wer sollte nicht glauben, wenn er Todte erwecken und Teufel austreiben sieht? Weil es aber auch trügerische Kräfte gibt, wie z. B. die der Zauberer, so hob er auch diesen Verdacht. Denn er nennt nicht einfach die Kraft, sondern vorerst den Geist und dann erst die Kraft, womit er denn anzeigt, daß Das, was geschehen, des Geistes Wirkung sei. Es gereicht somit der Lehre nicht zum Nachtheil, daß sie ohne weltliche Weisheit verkündet wurde, im Gegentheile ist Dieß Ihr herrlichster Schmuck. Dieses beweist ja ganz vorzüglich, daß sie göttlich ist und vom Himmel stammt. Daher fährt er fort:

3. Damit euer Glaube nicht auf Menschenweisheit, sondern auf Gottes Kraft beruhe.

Siebst du, wie er in Allem deutlich beweist, daß die Ungelehrtheit (dem Evangelium) Gewinn bringe, die Weltweisheit hingegen bedeutenden Nachtheil? Denn diese verlästerte das Kreuz, jene aber verkündete die Kraft Gottes; diese bewirkte, daß die Menschen Nichts fanden, was sie hätten finden sollen, und daß sie sich selber rühmten; jene aber, daß sie die Wahrheit aufnahmen und sich in Gott rühmten. Ferner brachte die Weltweisheit Viele auf die Vermuthung, daß diese Lehre nur eine menschliche sei: diese aber bewies, daß sie göttlich sei und vom Himmel stamme. Wo der Beweis nur mit Rednerkunst geführt wird, da siegt oft der Schlechtere, weil er beredter ist, über den Bessern, und die Lüge verdrängt dann die Wahrheit. Hier aber verhält es sich nicht so; denn der heilige Geist kommt nicht in eine unreine Seele; ist er aber einmal eingezogen, so wird er durch die ganze Macht der Beredsamkeit nicht überwunden; denn der Beweis durch Wunder und Zeichen ist viel einleuchtender als der durch Worte.

Vielleicht aber macht da ein Heide den Einwurf: „Wenn die Lehre siegen sollte, ohne der weltlichen Beredsamkeit zu bedürfen, „damit das Kreuz Christi seiner Kraft nicht beraubt würde“: warum geschehen denn jetzt keine Wunder mehr? Warum? Redest du so aus Unglauben und nimmst nicht an, daß zur Zeit der Apostel Wunder geschahen, oder suchst du wirklich darüber unterrichtet zu werden? Redest du so aus Unglauben, so will damit ich zuerst mich beschäftigen. Wenn damals keine Wunder geschahen, wie konnten denn die Apostel die Menschen zum Glauben anziehen, da sie verfolgt und verbannt wurden, fürchteten und zitterten und als gemeinschaftliche Feinde der ganzen Welt gefangen und den Mißhandlungen Aller ausgesetzt waren? da sie aus sich selber keine Vorzüge besaßen: keine Beredsamkeit, keinen Glanz, keinen Reichthum, weder Stadt noch Volk noch Geschlecht, weder Lebensart noch Ruhm noch sonst etwas Ähnliches, sondern Alles gegen sich hatten: Unwissenheit, niedrige Herkunft, Armuth, Haß und Verachtung; da sie es mit ganzen Völkerschaften zu thun hatten und dazu eine solche Lehre predigten? Denn ihre Vorschriften legten ein schweres Joch aus, und ihre Lehren waren gefahrvoll, und die Zuhörer, die gewonnen werden sollten, an Üppigkeit, Trunkenheit und große Laster gewöhnt. Wodurch haben also die Apostel diese gewonnen? Woher stammte denn ihre Glaubwürdigkeit? Denn wenn sie, wie ich oben bemerkte, ohne Wunder die Menschen überzeugten, so erscheint Dieß als ein weit größeres Wunder. Wenn also jetzt keine Wunder mehr geschehen, so darfst du daraus nicht den Schluß ziehen, daß auch damals keine geschahen. Denn damals waren sie nützlich, jetzt aber sind sie es nicht mehr. Jedoch folgt daraus, daß nur auf das bloße Wort geglaubt wird, nicht nothwendig, daß wir uns jetzt der menschlichen Weisheit bedienen. Denn die ersten Verkünder des Evangeliums waren ungelehrte und unstudirte Männer; sie setzten nichts aus ihrem Eigenen hinzu, sondern theilten der Welt mit, was sie von Gott empfangen hatten. So thun auch wir jetzt Nichts von dem Unsrigen hinzu, sondern verkünden Allen, was wir von ihnen überkommen haben. Wir überzeugen auch jetzt nicht durch Syllogismen, sondern beweisen die Wahrheit unserer Lehre aus den Heiligen Schriften und aus den Wundern, die damals geschahen. Zwar überzeugten auch jene nicht nur durch Wunder, sondern auch durch Worte; allein ihre Worte erhielten eine höhere Kraft, nicht durch Beredsamkeit, sondern durch die Wunder und die Zeugnisse des alten Bundes. „Wie aber waren damals die Wunder nützlich und sind es jetzt nicht mehr?“ Setzen wir den Fall — denn ich habe es immer noch mit einem Heiden zu thun, darum will ich Das, was sicher geschehen wird, jetzt nur als Hypothese hinstellen — setzen wir also den Fall — und der Ungläubige gedulde sich, wenn auch nur für unseren (geistigen) Wettstreit, Das, was ich als möglichen Fall setze, zu glauben, — nämlich, daß Christus kommen werde. Wenn also Christus käme und alle Engel mit ihm, und er offenbarte sich als Gott, und Alles würde ihm unterworfen: würde da nicht auch der Heide glauben? Gewiß würde er ihn anbeten und ihn Gott nennen, wenn er auch noch so hartgläubig wäre.


III.

Denn wer sollte ihn nicht für Gott halten und nicht anbeten, wenn er die Himmel geöffnet und ihn auf den Wolken berabkommen sähe, umgeben von allen Schaaren der himmlischen Mächte; wenn er die Feuerströme sich ergießen und Alle zitternd dastehen sähe? Sage mir nun, wird dieses Anbeten und Anerkennen dem Heiden als Glauben angerechnet werden? Keineswegs! Und warum nicht? Weil das kein Glaube ist, sondern die Wirkung einer von aussen zwingenden Macht und des Augenscheines; es ist nicht Sache des freien Willens, sondern die Seele wurde hingerissen durch die Größe der erschienenen Dinge. Je offenbarer und zwingender also die Thatsache ist, desto geringer ist das Maß des Glaubens. Darum geschehen jetzt keine Wunder mehr. Und damit du sehest, daß dem wirklich so sei, so höre, was er zu Thomas spricht: „Selig sind, die nicht sehen und doch glauben.“66 Je einleuchtender also das Wunder ist, welches gezeigt wird, desto geringer ist der Lohn des Glaubens. Wenn also auch jetzt noch Wunder geschähen, so würde gleichwohl das Nämliche gelten. Daß wir aber einst Gott nicht mehr durch den Glauben erkennen werden, zeigt Paulus an mit den Worten: „Denn jetzt wandeln wir im Glauben und nicht im Schauen.“67 Wie dir alsdann der Glaube nicht mehr wird angerechnet werden, weil die Sache einleuchtend ist, so auch jetzt, wenn solche Wunder, wie früher, geschähen. Wenn wir nämlich Das annehmen, was sich auf keinerlei Weise durch Vernunftgründe finden läßt, dann ist es Glaube. So ist die Hölle zwar angedroht, aber sichtbar ist sie nicht; denn woferne sie sichtbar wäre, so träte wieder der obige Fall ein. Übrigens wenn du Wunder suchst, so wirst du auch jetzt noch Wunder sehen, wenngleich nicht von derselben Art, wie jene: die zahllosen Vorhersagungen über zahllose Dinge, die Weltweisheit der Barbaren, die Umwandlung der wilden Sitten, die Verbreitung der wahren Religion. „Aber welche Vorhersagungen?“ wirst du entgegnen. „Alle diese Vorhersagungen sind ja erst nachher aufgezeichnet worden.“ Wann? und wo? und von wem? Das sage mir; und vor wie vielen Jahren? Etwa vor fünfzig oder hundert Jahren? Also hatte man vor hundert Jahren gar nichts Geschriebenes gehabt? Wie konnte denn die Welt die Glaubenslehren und alles Andere behalten, da das Gedächtniß nicht ausreichte? Woher wußte man denn, daß Petrus gekreuzigt worden? Wie kam es denn den Leuten in den Sinn, solche Dinge der Nachwelt zu prophezeien, z. B. daß das Evangelium in der ganzen Welt werde verkündiget werden, daß der jüdische Staat aufhören und nie wieder hergestellt werden sollte? Wie konnten Diejenigen, welche für das Evangelium ihr Leben hinopferten, Dieses thun, da sie sahen, daß dasselbe erdichtet sei? Wie würde man Denjenigen, die es aufschrieben, Glauben geschenkt haben, da die Wunder aufhörten? Und wie konnte das geschriebene Evangelium zu den Barbaren, zu den Indern und sogar bis an die äussersten Grenzen des Meeres vordringen, da die Verkünder desselben nicht glaubwürdig waren? Welche Männer haben es denn geschrieben? Wann und wo? und aus welcher Absicht? Vielleicht um sich einen Namen zu machen? Warum gaben sie denn ihre Bücher unter fremden Namen heraus ? Oder wollten sie etwa die darin enthaltene Lehre empfehlen? Sahen sie diese als wahr an oder als falsch? Wenn sie dieselbe für Lüge ansahen, so ist es nicht einmal wahrscheinlich, daß sie sich damit abgegeben; wenn aber für Wahrheit, so bedürfte es keiner Erdichtung, wie du vorgibst. Zudem sind diese Vorhersagungen der Art, daß sie bis auf die gegenwärtige Zeit noch nicht könnten umgestoßen werden; denn die Zerstörung Jerusalems ist vor vielen Jahren geschehen. Es gibt aber auch andere Vorhersagungen, welche sich von jener Zeit bis zu seiner Ankunft erstrecken, und diese magst du untersuchen, wie du willst; z. B. „Ich bin bei euch allezeit bis an’s Ende der Welt“;68 und: „Auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen, und die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen;“69 und: „Dieses Evangelium wird allen Völkern gepredigt werden;“70 und: „Wo immer das Evangelium wird gepredigt werden, wird auch gesagt werden, was dieses Weib gethan hat“71 — und viele andere. Woher also die Erfüllung dieser Vorhersagung, wenn sie erdichtet ist? Wie haben die Pforten der Hölle die Kirche nicht überwältigt? Wie ist denn Christus allezeit bei uns? Denn wäre er nicht fortwährend bei uns gewesen, so hätte die Kirche wohl nicht gesiegt. Wie wurde das Evangelium auf der ganzen Welt verbreitet? Es genügen schon Diejenigen, welche gegen uns geschrieben haben, für das Alter unserer Schriften Zeugniß zu geben, nämlich Celsus72 und nach ihm der Bataneote;73 denn Diese widersprechen nicht Dem, was nachher aufgeschrieben worden. Ausserdem gibt davon Zeugniß der ganze Erdkreis, der Dieses einstimmig annahm. Denn hätte Das nicht die Gnade des heiligen Geistes bewirkt, so wäre nicht von einem Ende der Welt bis zum andern eine solche Übereinstimmung gewesen, sondern man würde die Betrüger alsbald ergriffen haben, und aus Lug und Trug wären nicht so herrliche Dinge entstanden. Siehst du nicht, daß die ganze Welt den Glauben angenommen hat? daß der Irrthum verscheucht ist? daß die Philosophie der Mönche heller glänzt als die Sonne? Siehst du nicht die Chöre der Jungfrauen? die Gottseligkeit unter Barbaren? und wie sie sich unter ein Joch geschmiegt haben? Das ist aber nicht erst zu unserer Zeit vorhergesagt worden, sondern schon einst durch die Propheten. Diese Vorhersagungen kannst du aber gewiß nicht bestreiten; denn diese Bücher befinden sich in den Händen unserer Feinde und bei den Griechen, von denen sich Einige bemühten, sie in die griechische Sprache zu übersetzen. Auch diese sagen Vieles voraus in Betreff des Christenthums, indem sie zeigen, daß Der, welcher da kommen soll, Gott sein werde.


IV.

„Warum glauben denn jetzt nicht Alle?“ Weil die Dinge schlimmer geworden, und zwar aus unserer Schuld (wir kommen endlich auf uns selber zu sprechen). Denn zur Zeit der Apostel glaubte man nicht nur wegen der Wunder; Viele wurden auch durch den Wandel der Christen angezogen: „Euer Licht leuchte vor den Menschen,“ heißt es, „auf daß sie euere guten Werke sehen und eueren Vater preisen, der im Himmel ist;“74 und: „Alle hatten ein Herz und eine Seele; und nicht Einer nannte von seinem Vermögen noch Etwas sein, sondern sie hatten Alles mit einander gemein und theilten es unter Alle, Jedem nach seinem Bedürfniß;“75 und sie führten ein englisches Leben. Auch jetzt werden wir, wenn Dieß geschieht,76 auch ohne Wunder den ganzen Erdkreis bekehren. Indessen sollen Diejenigen, die da selig werden wollen, auf die Schrift merken; denn darin werden sie diese und zwar noch mehr Tugendbeispiele finden. Die Lehrer selbst haben, in Hunger und Durst und Blöße lebend, jene Tugenden noch übertroffen. Wir aber wollen in vieler Üppigkeit, in Ruhe und Ungebundenheit leben; nicht so Jene; vielmehr riefen sie aus: „Bis auf diese Stunde leiden wir Hunger und Durst, sind nackt und werden geschlagen und haben keine bleibende Stätte.“77 Der Eine von ihnen eilte von Jerusalem bis nach Illyrien, der Andere nach Indien, wieder ein Anderer nach Mauretanien, Andere in andere Welttheile. Wir hingegen wagen uns nicht einmal aus dem Vaterlande hinaus, wir trachten nach Sinnengenuß, nach prächtigen Häusern und allem andern Überfluß. Denn wer von uns hat wohl um des göttlichen Wortes willen je Hunger gelitten? Wer ist deßhalb in der Einöde gewesen? Wer hat eine große Reise unternommen? Welcher von den jetzt lebenden Lehrern hat durch seine Handarbeit Andern Hilfe geleistet? Wer hat täglich Todesgefahr ausgestanden? Daher kommt es, daß auch Diejenigen, die uns umgeben, träger werden. Sieht man Krieger und Heerführer, die mit Hunger und Durst, mit dem Tode und allen Schrecknissen kämpfen, Kälte und Gefahren und Alles ertragen und sich tapfer, wie Löwen, halten und nachmals diese Strenge verlassen, der Weichlichkeit fröhnen, das Geld lieben; sich mit Handel und Wirthschaft befassen und den Feinden erliegen: so wäre es die größte Thorheit, den Grund davon zu erforschen. Das müssen wir nun auch auf uns und unsere Ahnen anwenden; denn wir sind schwächer geworden als Alle und kleben an den zeitlichen Dingen. Und wenn sich auch noch Einer findet, der eine Spur der alten Weisheit an sich trägt, so verläßt er die Stadt und den Markt und zieht sich auf die Berge zurück, anstatt in der menschlichen Gesellschaft zu leben und Andre zu bilden. Und fragt man ihn nach der Ursache dieser Zurückziehung, so findet er eine Ausrede, die keine Verzeihung verdient. Ich ziehe mich zurück, heißt es, damit ich nicht zu Grunde gehe und in der Tugend nicht ermatte. Um wie viel besser wäre es, daß du davon Etwas verlörest und Andere gewännest, als daß du auf deiner Höhe bleibest und deine Brüder verderben lässest! Wenn sich nun die Einen um die Tugend nicht kümmern, die Andern aber, denen es damit Ernst ist, vom Kampfplatze weichen, wie sollen wir dann die Feinde besiegen? Denn wenn auch jetzt noch Wunder geschähen, wer würde dadurch gewonnen werden? Welcher Ungläubige würde uns Gehör schenken, da die Schlechtigkeit so sehr die Oberhand hat? Unser guter Lebenswandel kommt den Meisten weit glaubwürdiger vor. Denn Wunder werden vor unverschämten und boshaften Leuten noch einen schlimmen Verdacht erwecken, ein reines Leben aber wird selbst dem Teufel vollends das Maul zu stopfen vermögen. Das sage ich den Vorgesetzten und den Untergebenen und vor Allem mir selber, damit wir einen bewunderungswürdigen Wandel zeigen, uns selbst in Ordnung halten und alles Gegenwärtige gering schätzen. Verachten wollen wir das Geld, aber nicht verachten die Hölle, gering schätzen die Ehre, aber nicht gering schätzen das Seelenheil. Hienieden wollen wir Müh’ und Arbeit ertragen, damit wir jenseits nicht der Strafe verfallen.

So laßt uns die Heiden bekämpfen, so sie zu Gefangenen machen; diese Gefangenschaft ist besser als Freiheit. Zwar sage ich Dieses oft und anhaltend, aber selten wird es befolgt. Jedoch mag es nun befolgt oder nicht befolgt werden, so ist es billig, euch stets daran zu erinnern. Denn wenn Manche durch sanfte Worte die Menschen verführen, so dürfen Diejenigen, welche Andere zur Wahrheit hinführen wollen, um so weniger ermüden, das Nützliche zu sagen. Denn wenn die Verführer so viele Kunstgriffe anwenden, — denn sie wenden Geld auf, bieten ihre Beredsamkeit auf, bestehen Gefahren und stellen Ehrenstellen in Aussicht, — so müssen um so mehr wir, die wir Andere vor der Verführung zurückziehen sollen, Gefahren und Tod und Alles ausstehen, auf daß wir, unüberwindlich den Gegnern, uns selbst und die Andern retten und der verbeissenen Güter theilhaftig werden durch die Gnade und Menschenfreundlichkeit u. s. w. Amen.

Homilien über den ersten Brief an die Korinther

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