Читать книгу Homilien über den ersten Brief an die Korinther - Johannes Chrysostomos - Страница 13

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I.

Kap. III.

1. 2. auch ich, Brüder, konnte nicht zu euch reden wie zu Geistigen, sondern wie zu Fleischlichen (Sinnlichen), als Unmündigen in Christo. Mit Milch nährte ich euch, nicht mit starker Speise; denn diese konntet ihr noch nicht vertragen; aber auch jetzt vermögt ihr es noch nicht, denn ihr seid noch fleischlich.

I. Nachdem er die heidnische Philosophie widerlegt und all ihren Dünkel vernichtet hat, kommt er auf ein anderes Thema. Denn jene (Christen) konnten natürlich entgegnen: „Wenn wir die Lehren des Platon oder des Pythagoras oder eines anderen Philosophen vortrügen, so hättest du wohl mit Recht gegen uns in so ausführlicher Rede gesprochen; da wir aber die Lehre des Geistes verkünden, warum bekämpfst du denn die heidnische Philosophie?“111 Höre nun, wie er sich darüber äussert: „Auch ich, Brüder, konnte nicht zu euch reden wie zu Geistigen.“ Er will sagen: Wenn ihr auch vollkommen unterrichtet wäret, sogar in geistigen Dingen, so dürftet ihr darob nicht prahlen; denn was ihr lehret, ist nicht das Eurige und nicht eure eigene Erfindung. Nun aber wisset ihr nicht einmal Dieses nach Gebühr, sondern seid noch Schüler und zwar die allerletzten. Wenn ihr euch also auf die weltliche Weisheit viel einbildet, so ist erwiesen, daß sie nichtig und auch in Bezug auf das Geistige unsere Gegnerin ist; seid ihr aber stolz auf die Einsicht in geistigen Dingen, so seid ihr auch hierin weit zurück und steht auf der untersten Stufe. Darum sagt er: „Ich konnte mit euch nicht wie mit Geistigen reden.“ Er sagt nicht: ich habe nicht zu euch geredet, damit die Sache nicht gehässig erschiene, sondern er bekämpft ihren Dünkel auf zweifache Weise: einerseits dadurch, daß er zeigt, sie seien noch nicht vollkommen gebildet, andererseits dadurch, daß er ihnen selbst die Schuld davon beimißt. Zudem zeigt er noch drittens, daß sie es auch jetzt noch nicht werden können. Daß sie Dieß Anfangs nicht vermochten, lag wohl in der Natur der Sache; gleichwohl läßt er ihnen auch diese Entschuldigung nicht. Denn er sagt nicht, daß sie jene erhabenen Dinge darum nicht erfaßt hätten, weil sie es nicht vermocht, sondern darum, weil sie noch fleischlich (sinnlich) seien. Jedoch waren sie im Anfang deßhalb nicht so sehr zu tadeln; daß sie aber nach so langer Zeit noch zu keiner höhern Vollkommenheit fortgeschritten, das war ein Zeichen der äussersten Trägheit. Denselben Vorwurf macht er auch den Hebräern, jedoch nicht mit solcher Schärfe; denn er sagt, diese seien wegen der Trübsal, jene aber aus böser Begierlichkeit noch unvollkommen: Beides aber ist nicht einerlei. Auch zeigt er, daß er Dieses mit Wahrheit sage, zu den Einen, um sie zurecht zu weisen, zu den Andern, um sie mehr zu ermuntern; denn zu diesen (den Korinthern) spricht er: „Aber auch jetzt vermögt ihr es noch nicht;“ zu jenen aber: „Wir übergehen also die Anfangsgründe der Lehre Christi und wenden uns zu Dem, was für Vollkommene gehört;“ und wieder: „Doch obgleich wir diese Sprache führen, so versehen wir uns bei euch des Bessern und des Heilbringenden.“112

Wie nennt er denn aber Diejenigen sinnlich, welche einen solchen Geist empfangen hatten, und denen er Anfangs so großes Lob gespendet hatte? Weil auch Jene sinnlich waren, zu denen der Herr spricht: „Weichet von mir, ich kenne euch nicht, ihr Übelthäter,“113 — obgleich sie Teufel ausgetrieben, Todte erweckt und geweissagt hatten; es kann also auch ein Mensch, der Wunder thut, noch sinnlich sein. Denn auch durch Balaam wirkte Gott, und dem Pharao und Nabuchodonosor offenbarte er die Zukunft, und Kaiphas prophezeite, ohne zu wissen, was er sagte. Manche Andere, die es nicht mit Jesus hielten, haben in seinem Namen Teufel ausgetrieben, weil solche Wunder nicht wegen Derjenigen, die sie wirken, geschehen, sondern um Anderer willen. Oft ist dergleichen auch durch Unwürdige geschehen. Und kein Wunder, wenn Solches um Anderer willen durch unwürdige Männer vorkömmt, da es auch durch Heilige geschieht. Denn Paulus spricht: „Alles ist euer, sei es Paulus, sei es Apollo, sei es Kephas, sei es Leben, sei es Tod;“114 und wieder: „Derselbe bestellte Einige zu Aposteln, Andere zu Propheten, Andere zu Hirten und Lehrern, damit die Heiligen befähigt würden zur Verrichtung des Lehramtes.“115 Denn wäre Das nicht der Fall, so könnte wohl Nichts den Untergang Aller verhindern. Denn es kömmt ja vor, daß die Vorsteher schlecht und lasterhaft, die Untergebenen aber gut und rechtschaffen sind, daß die Laien einen gottesfürchtigen, die Priester hingegen einen verwerflichen Wandel führen; und wenn es bei der Gnade überall auf die Würdigkeit der Person ankäme, so würde durch solche (Unwürdige) weder die Taufe stattfinden noch der Leib Christi noch das Opfer vollbracht werden. Nun pflegt aber Gott auch durch Unwürdige zu wirken, und die Taufgnade verliert Nichts durch das (schlechte) Leben des Priesters; denn sonst würde ja der Empfangende dadurch verkürzt werden. Zwar geschieht Dieses selten, aber es geschieht doch. Ich sage Dieses darum, damit Keiner der Anwesenden den Wandel des Priesters vorwitzig erforsche und bei seiner Verwaltung der heiligen Geheimnisse Ärgerniß nehme. Denn der Mensch trägt Nichts bei zu Dem, was hier geschieht: Alles ist einzig das Werk der Kraft Gottes, und er ist es, der euch die heiligen Dinge mittheilt.

„Und ich, Brüder, konnte mit euch nicht wie mit Geistigen reden, sondern wie mit Sinnlichen. Mit Milch nährte ich euch, nicht mit starker Speise; denn diese konntet ihr noch nicht ertragen.“ Damit es aber nicht scheine, er habe aus Ehrfurcht gesagt, was er oben gesprochen: „Der Geistige kann Alles beurtheilen, er aber wird von Keinem beurtheilt,“ und: „Wir haben Christi Sinn,“ spricht er nun, um ihren Hochmuth zu demüthigen: Nicht darum habe ich geschwiegen, als wüßte ich euch Nichts mehr zu sagen, sondern darum, weil ihr sinnlich seid: „Ihr könnet es auch jetzt noch nicht ertragen.“

Warum sagte er nicht: Ihr wollet nicht, statt zu sagen: Ihr könnet nicht? Er setzt das Eine für das Andere; denn das Nichtkönnen kömmt ja vom Nichtwollen, was ihnen Tadel, dem Lehrer Entschuldigung bringt. Denn wenn sie von Natur aus nicht könnten, so müßte man ihnen billiger Weise verzeihen: da aber Dieses von ihrem freien Willen herkömmt, so entbehren sie der Entschuldigung. — Hierauf schildert er die Art und Weise, wie sie sinnlich seien:


II.

3. Denn wenn noch Eifersucht, Zwietracht und Parteigeist unter euch herrschen, seid ihr dann nicht sinnlich und wandelt wie (gewöhnliche) Menschen?

Er hätte ihnen Unzucht und Wollust vorwerfen können, allein er nennt vielmehr diesen Fehler, den er eben (an ihnen) bessern will. Wenn aber schon die Eifersucht die Menschen zu Sinnlichen macht, so bleibt wohl allen nichts Anderes übrig, als laut aufzujammern und in Sack und Asche Buße zu thun. Denn wer ist, wenn ich anders von mir auf Andere schließen kann, von dieser Leidenschaft frei? Wenn schon die Eifersucht die Menschen sinnlich macht und sie hindert, geistig zu sein, obgleich sie prophezeien und Wunder wirken mögen: was sollen denn wir, denen eine so große Gnade mangelt, aus uns machen, die wir nicht nur in diesem, sondern auch in andern, noch wichtigern Dingen schuldig befunden werden? Daraus lernen wir, daß Christus mit Recht gesagt hat: „Wer Böses thut, gelangt nicht zum Lichte,“116 und daß ein unreines Leben den erhabenen Lehren im Wege steht, indem es dem Geiste den Scharfblick benimmt. Gleichwie der Irrende, der einen rechtschaffenen Wandel führt, nicht im Irrthume verbleiben kann: so wird auch Derjenige, der an ein lasterhaftes Leben gewohnt ist, sich nicht leicht zu der Höhe unserer Lehren aufschwingen; wer nach Wahrheit strebt, muß von allen Leidenschaften rein sein. Wer davon frei ist, wird auch vom Irrthume befreit werden und zur Wahrheit gelangen. Glaube ja nicht, es genüge dazu schon, daß man kein Geizhals, kein Unzüchtiger sei: wer die Wahrheit sucht, bei dem muß Alles zusammenstimmen.117 Darum sprach Petrus: „In Wahrheit erfahre ich, daß bei Gott kein Ansehen der Person gilt, sondern ein Jeder, aus welchem Volke er sei, besitzt sein Wohlgefallen, wenn er ihn fürchtet und recht thut.“118 das heißt, er ruft und zieht ihn zur Wahrheit. Siehst du nicht, wie Paulus der allerheftigste Gegner und Verfolger war? Und dennoch ward er angenommen und übertraf Alle, weil er ein untadeliges Leben führte und Jenes nicht aus menschlicher Leidenschaftlichkeit that. Sollte aber Jemand fragen, warum dieser oder jener Heide, der doch gut, rechtschaffen und menschenfreundlich ist, im Irrthum verharre, so möchte ich Folgendes antworten: Weil er eine andere Leidenschaft hat, — Ehrfurcht oder Trägheit der Seele, oder weil er glaubt, er könne unbekümmert um sein eigenes Heil sich so aufs Gerathewohl treiben lassen. Paulus aber versteht unter einem Manne, der recht handelt, Denjenigen, dessen Wandel in Hinsicht der gesetzlichen Gerechtigkeit119 in allen Stücken tadellos ist; und ferner sagt er: „Ich danke Gott, dem ich von meinen Vätern her diene mit reinem Gewissen.“120 Warum, heißt es, wurden denn Unreine des Predigtamtes gewürdigt? Weil sie es wollten und wünschten. Denn auch die Irrenden zieht Gott heran, wenn sie sich von Leidenschaften reinigen: die aber aus eigenem Antrieb kommen, stößt er nicht zurück: Viele aber haben den wahren Glauben von ihren Ahnen ererbt.

„Denn wenn noch Eifersucht und Zwietracht unter euch herrschen.“ Hier greift er nun auch die Untergebenen an; in dem Vorausgebenden hatte er die Machthaber bekämpft, indem er zeigte, daß die Redekunst keinen Werth habe; nun aber greift er die Untergebenen an mit den Worten:

4. Wenn nämlich Jemand sagt: ich halte es mit Paulus, ich mit Apollo; seid ihr da nicht sinnlich?

Und er zeigt, daß ihnen Dieses nicht nur Nichts genützt und Nichts eingebracht, sondern daß es sogar größere Vortheile verhindert habe. Denn es erzeugte die Eifersucht, und die Eifersucht machte sie sinnlich, die Sinnlichkeit aber gestattete ihnen nicht, auf das Höhere zu achten. „Wer ist denn Paulus? Wer ist Apollo?“ Nachdem er die Sache dargestellt und bewiesen hat, tritt er nun freimüthiger mit der Rüge hervor und nennt seinen eigenen Namen, um so alle Schärfe zu vermeiden und zu verhüten, daß sie über seine Worte aufgebracht würden. Denn wenn Paulus Nichts ist und Dieses verschmerzt, so hatten Jene um so weniger Grund, darüber zu zürnen. Er tröstet sie also auf doppelte Weise: nämlich dadurch, daß er sich selber nennt, und dann dadurch, daß er ihnen nicht Alles abspricht, als hätten sie Nichts beigetragen; Etwas, obgleich es wenig ist, schreibt er ihnen doch zu. Denn nachdem er gesagt hatte: „Wer ist denn Paulus? Wer ist Apollo?“ fügt er bei:

5. Was sind sie Anderes als Diener dessen, durch den ihr zum Glauben gelangt seid?

Das ist an sich etwas Großes und hoher Belohnung werth; aber im Hinblick auf das Urbild und die Wurzel des Guten ist es Nichts; denn nicht wer dem Guten dient, sondern wer es gibt und spendet, ist der Wohlthäter. Auch sagt er nicht: sie sind Evangelisten, sondern Diener, was mehr sagen will; sie haben nämlich nicht bloß das Evangelium gepredigt, sondern uns auch gedient; denn das Eine bezieht sich nur auf die Rede, das Andere faßt auch die That in sich. Wenn daher auch Christus bloß Diener des Guten und — als Sohn — nicht selbst Wurzel und Quelle desselben ist, so kannst du hieraus sehen, was Das heisse.


III.

Wie sagt nun aber der Apostel, „daß Christus ein Diener der Beschneidung gewesen“?121 Dort redet er von seiner menschlichen Natur und nicht auf dieselbe Weise, wie wir jetzt gesprochen haben: denn dort nennt er Diener Denjenigen, der das Gute übte, nicht Denjenigen, der es aus Eigenem mittheilte. Auch sagt er nicht: Die euch zum Glauben führen, sondern: „durch die ihr zum Glauben gelangt seid,“ wodurch er ihnen abermals Etwas mehr zugesteht und an den Tag legt, daß die Lehrer Diener seien. Wenn sie also einem Andern dienten, wie maßen sie sich denn die Herrschaft an? Betrachte mir aber, wie er sie keineswegs beschuldigt, als maßten sie sich die Herrschaft an, sondern deßhalb, daß sie diese Andern überließen: denn der Grund des Anstoßes lag im Volke; wie nämlich das Volk sich Jenen entzogen hätte, so war es um ihre Herrschaft geschehen. Zwei Dinge also hat er weislich ausgeführt, indem er ohne Erbitterung den Fehler von der entsprechenden Seite untergrub und so eine größere Kampflust von ihrer Seite vermied.

„Und zwar so, wie es der Herr einem Jeden gegeben hat.“ Denn auch das Wenige haben sie nicht aus sich selber, sondern von Gott, der es spendet. Damit sie ja nicht sagen möchten: Wie denn? Sollen wir Diejenigen nicht lieben, die uns dienen? spricht er: Allerdings; aber man muß wissen, in wie weit; denn die Sache kommt ja nicht von ihnen, sondern von Gott, der sie gegeben.

6. Ich habe gepflanzt, Apollo hat begossen, Gott aber hat das Gedeihen gegeben.

D. h. ich habe zuerst den Samen des (göttlichen) Wortes ausgestreut; damit aber die Saat nicht unter Trübsalen vertrocknen möchte, hat Apollo das Seinige beigetragen: das Ganze aber war Gottes Werk.

7. Daher ist weder Der Etwas, welcher pflanzt, noch Der, welcher begießt, sondern Gott, welcher das Gedeihen gibt.

Siehst du, wie er sie glimpflich behandelt, um sie nicht zu erbittern durch die Fragen: „Wer ist Dieser und wer ist Jener“? Denn Beides ist gehässig, sowohl die Frage: Wer ist Dieser und wer ist Jener? als der Ausdruck: Weder der pflanzt, ist Etwas, noch Der, welcher begießt. Wie mildert er also die Rede? Sowohl dadurch, daß er sich selbst als nichtig hinstellt mit der Frage: „Wer ist denn Paulus? Wer denn Apollo?“ als auch dadurch, daß er das Ganze Gott zuschreibt, der es gegeben. Denn nachdem er gesagt, daß er gepflanzt habe, und weiter, daß Der, welcher gepflanzt hat, Nichts sei, fährt er fort: „sondern nur Gott, der das Gedeihen gibt.“ Er bleibt aber auch hier noch nicht stehen, sondern mildert die Sache auch noch auf eine andere Weise, indem er sagt:

8. Der da pflanzet und der begießet, sind Eins.

Dadurch strebt er auch noch etwas Anderes an, nämlich daß der Eine sich nicht über den Andern erbebe. Daß sie Eins seien, sagt er, um darzuthun, daß sie Nichts vermögen ohne Gott, der das Gedeihen gibt. Durch diesen Ausspruch gestattet er nicht einmal Denjenigen, welche viel gearbeitet haben, sich über Jene zu erheben, die weniger leisteten, und verhütet, daß die Einen die Andern beneiden. Damit nun aber der Umstand, daß Alle, sowohl die viel, als die wenig gearbeitet haben, gleich geschätzt werden, sie nicht träger machen sollte, so macht er Dieß wieder gut mit den Worten: „Ein Jeder aber wird seinen Lohn gemäß seiner Arbeit empfangen;“ es ist, als wenn er sagte: Seid darüber unbeiorgt, daß ich gesagt habe, sie seien Eins (gleich); sie sind gleich, wenn man ihr Werk mit dem Werke Gottes vergleicht; allein hinsichtlich der Arbeiten sind sie nicht gleich, sondern Jeder wird seinen eigenen Lohn empfangen. Nachdem er nun, wie er es wollte, Jenes gut gemacht hatte, redet er noch gelinder und erweist sich im Lobe, wo es sich thun läßt, sehr freigebig:

9. Denn wir sind Gottes Mitarbeiter; ihr seid Gottes Ackerfeld, seid Gottes Gebäude.

Siehst du, wie er auch ihnen keinen geringen Antheil zuweist, da er vorher bewiesen, daß Alles Gott zukomme? Denn weil er stets zum Gehorsam gegen die Vorgesetzten ermahnt, so will er auch die Lehrer nicht tief herabsetzen. „Ihr seid Gottes Acker.“ Weil er nämlich gesagt hatte: „Ich habe gepflanzt,“ so behält er die bildliche Redensart bei. Seid ihr aber Gottes Acker, so dürft ihr euch nicht nach Denjenigen, die den Acker bebauen, sondern nach Gott benennen; denn der Acker trägt ja nicht den Namen des Bebauers, sondern den des Hausvaters. „Ihr seid Gottes Gebäude.“ Wiederum führt das Gebäude nicht den Namen des Baumeisters, sondern des Eigenthümers; seid ihr aber ein Gebäude, so dürft ihr nicht getrennt sein; denn das wäre kein Bau mehr. Seid ihr ein Acker, so dürft ihr nicht zertheilt, sondern müßt durch eine Mauer der Eintracht umfriedet sein.

10. Nach der Gnade Gottes, die mir gegeben ist, habe ich als weiser Baumeister den Grund gelegt.

Er nennt sich hier weise, nicht um sich zu erheben, sondern um sich ihnen als Muster hinzustellen und zu zeigen, daß es ein Zeichen von Weisheit sei, einen Grund zu legen. Siehe, wie er Maß hält. Er nennt sich weise, aber er schreibt sich Dieß nicht selber zu, sondern nachdem er sich erst ganz seinem Gott übergeben, nennt er sich so; denn er sagt: „Nach der Gnade Gottes die mir gegeben ist.“ Er zeigt nämlich zugleich, daß sowohl Alles Gottes Werk sei, als auch, daß die Gnade besonders darin bestehe, nicht getrennt, sondern auf einen Grund gebaut zu sein. „Ein Anderer baut darauf; aber Jeder sehe wohl zu, wie er darauf baue!“ Hier scheint er die Gläubigen, nachdem er sie vereinigt und zu einem Körper verbunden hat, zum Wetteifer in gutem Wandel anzufeuern.

11. Denn einen andern Grund kann Niemand legen, als der gelegt ist, und dieser ist Jesus Christus.

Niemand kann Dieses, solange er Baumeister ist; wurde aber ein anderer gelegt, so ist er kein Baumeister mehr.122


IV.

Siehst du, wie er den ganzen Gegenstand aus allgemeinen Begriffen bekräftigt? Er will damit sagen: Ich habe euch Christum verkündet, habe euch das Fundament gelegt: sehet nun zu, wie ihr darauf fortbauet, ob aus eitler Ruhmsucht, ob aus Begierde, euch Anhänger vor den Menschen zu gewinnen. Schließen wir uns also keiner Sekte an: „Denn einen andern Grund kann Niemand legen, als der gelegt ist.“ — Auf diesem Fundamente nun laßt uns fortbauen, an diesem uns festhalten, wie der Rebzweig am Weinstocke; Nichts soll uns von Christo trennen; denn sobald etwas Trennendes dazwischen kommt, sind wir bald verloren. Der Rebzweig saugt die Nahrung dadurch ein, daß er (am Weinstocke) haftet, und das Gebäude steht fest durch die Verbindung mit dem Fundamente; ohne dieses stürzt es zusammen, weil es keine Stütze mehr hat. Laßt uns also nicht nur Christo anhangen, sondern die innigste Vereinigung mit ihm anstreben; Κολληθμεν ατ — conglutinemur ipsi. denn sind wir von ihm getrennt, so sind wir verloren: „Die sich von dir entfernen, gehen zu Grunde,“ heißt es.123 Darum wollen wir uns mit ihm innig vereinen, und zwar durch die Werke; denn „wer meine Gebote hält, der bleibt in mir,“ spricht er.124 Durch vielerlei Beispiele stellt er uns diese Vereinigung vor Augen. Gib einmal Acht: Er ist das Haupt, wir aber sind der Leib; kann es aber zwischen dem Haupte und dem Körper einen leeren Raum geben? Er ist das Fundament, wir sind das Gebäude; er ist der Weinstock, wir sind die Rebzweige; er ist der Bräutigam, wir sind die Braut; er ist der Hirt, wir sind die Schafe; er ist der Weg, wir sind die Wanderer; wir sind der Tempel, und er ist es, der darin wohnt; er ist der Erstgeborene, und wir sind seine Brüder; er ist der Erbe, und wir sind die Miterben; er ist das Leben, und wir sind die Lebenden; er ist die Auferstehung, und wir sind die Auferstehenden; er ist das Licht, und wir sind die Erleuchteten. Dieß alles deutet auf Einheit hin und duldet auch nicht die mindeste Trennung; denn wer sich auch nur ein wenig trennt, der wird sich selbst wenn er vorwärts schreitet, bald sehr weit entfernen. Wird der Leib durch das Schwert nur ein wenig vom Haupte getrennt, so geht er zu Grunde; zeigt das Gebäude nur eine kleine Spalte, so stürzt es zusammen; und der Rebzweig, nur ein wenig vom Stocke getrennt, bringt, keine Frucht mehr. Also ist dieses Wenige nicht wenig, sondern es ist daran fast Alles gelegen. Haben wir uns also eines geringen Fehlers, einer kleinen Nachlässigkeit schuldig gemacht, so wollen wir Das nicht als eine Geringfügigkeit übersehen; denn schnell wird das Unbeachtete groß. So wird der kleine Riß im Kleide, wenn man nicht darauf achtet, sich bald über das ganze Kleid ausdehnen, und das Dach, von dem nur einige Ziegel herabfielen, die man nicht beachtete, wird das ganze Haus verderben. Das wollen wir also bedenken und die kleinen Fehler nie gering achten, damit wir nicht in große verfallen. Sollten wir sie aber vernachlässigt haben und in den Abgrund der Übel gerathen sein, so wollen wir doch den Muth nicht verlieren, damit wir nicht in Betäubung versinken. Denn es ist dann, wenn man nicht sehr auf der Hut ist, gar schwer, wieder herauszukommen, nicht nur wegen der Tiefe, sondern auch wegen der Lage selbst. Die Sünde ist ein Abgrund und drängt (den Menschen) häuptlings hinab; und gleichwie, wer in einen Brunnen gefallen, nicht leicht mehr herauskommt, sondern Anderer bedarf, die ihn herausziehen, so auch Derjenige, welcher in die Tiefe des Lasters versunken ist. Denjenigen also, die so gesunken sind, wollen wir Stricke zuwerfen und sie herausziehen; allein nicht bloß Andere bedürfen derselben, sondern auch wir, um uns daran fest zu halten und heraufzusteigen, nicht nur soweit, als wir hinabgesunken sind, sondern weit höher, wenn wir nur wollen; denn Gott steht uns bei: „Denn er will nicht den Tod des Sünders, sondern daß er sich bekehre.“125 Niemand verzweifle also. Niemand verfalle in die Krankheit der Gottlosen, deren Sünde die Verzweiflung ist: „Denn der Gottlose achtet Nichts mehr, wenn er in die Tiefe des Lasters geräth.“126 Nicht die Menge der Sünden verursacht die Verzweiflung, sondern des Gottlosen Gesinnung. Wenn du also auch jegliches Laster verübt hättest, so sprich bei dir selber: Gott ist barmherzig und verlangt nach unserem Heile: „Wenn euere Sünden roth sind, wie Scharlach,“ spricht er, „so will ich sie weiß machen wie Schnee“ und ihnen eine ganz andere Gestalt geben. Wir wollen daher nicht muthlos werden; denn fallen ist nicht so schlimm, als nach dem Falle liegen bleiben; verwundet sein ist nicht so arg, als nach der Verwundung kein Heilmittel annehmen wollen. „Wer darf sich wohl rühmen, daß er ein reines Herz habe? Oder wer darf sagen, daß er frei von Sünde sei?“127 Das sage ich nicht, daß ihr lässiger werden sollt, sondern um euch vor der Verzweiflung zu bewahren.


V.

Willst du wissen, wie gut unser Herr ist? Der Zöllner ging (zum Tempel) hinauf, belastet mit zahllosen Sünden; er sprach nur; „Sei mir gnädig!“128 und ging gerechtfertigt! von dannen. Auch durch den Propheten spricht Gott: „Wegen der Sünde bestrafte ich mein Volk auf kurze Zeit: und ich sah, daß es betrübt war und traurig einher ging, und ich heilte seine Wege.“129 Was gleicht wohl dieser Güte? Bloß darum, daß es traurig war, spricht er, vergab ich ihm die Sünden. Doch wir thun nicht einmal so viel, dadurch reizen wir aber Gott ganz besonders. Denn da er sich schon wegen einer kleinen Traurigkeit gnädig erwies, so zürnet er, wenn er nicht einmal diese findet, mit Recht und verhängt über uns die härtesten Strafen; denn das ist doch ein Zeichen der größten Verachtung. Wer hat sich je der Sünde wegen betrübt? wer hat darüber geseufzt ? Wer hat an die Brust geschlagen? wer sich darum bekümmert? Ich glaube, Niemand; aber lange Zeit trauern die Menschen um verstorbene Sklaven, um den Verlust ihrer Habe; an die Seele hingegen denken wir nicht, wenn wir sie auch tagtäglich morden. Wie wirst du nun Gott zu versöhnen vermögen, wenn du nicht einmal einsiehst, daß du gesündiget hast? „Ja freilich“, sagst du, „hab’ ich gesündigt.“ Nun, mit der Zunge sagst du Das wohl; sage mir’s auch mit dem Herzen und mit seufzendem Munde, damit du beständig froh werdest. Würden wir über die Sünden trauern und über die Fehltritte seufzen, so würde uns nichts Anderes betrüben, weil dieser Schmerz jede andere Trauer verscheucht. Dieses Bekenntniß130 würde uns auch noch einen andern Vortheil gewähren: die Trübsale dieses Lebens würden uns nicht muthlos, das Glück uns nicht hochmüthig machen, und dadurch würden wir uns Gott mehr versöhnen, sowie wir ihn jetzt durch unser Benehmen immer mehr zum Zorne reizen. Denn sage mir, wenn du einen Knecht hättest, der von seinen Mitknechten Vieles leiden müßte, aber darauf nicht achtete, sondern einzig darauf bedacht wäre, seinen Gebieter nicht zu erzürnen: wäre nicht Das allein schon genügend, deinen Zorn zu besänftigen? Wie aber, wenn sich derselbe um die Fehltritte gegen dich gar nicht bekümmerte, wohl aber sich hütete, die Mitknechte zu beleidigen: würdest du ihn darum nicht härter bestrafen? So macht es auch Gott: wenn wir seine Strafe nicht achten, so verschärft er dieselbe; achten wir aber darauf, so mildert er sie, ja hebt sie wohl ganz auf; denn er will, daß wir selber an uns die Sünde bestrafen, und er bestraft sie dann nicht mehr. Darum droht er auch mit der Strafe, um durch die Furcht der Geringschätzung vorzubeugen. Woferne wir durch die bloße Drohung in Furcht gerathen, so läßt er uns das Angedrohte nicht wirklich erfahren. Betrachte, was er zu Jeremias spricht: „Siehst du nicht, was sie thun? Die Väter zünden Feuer an, und die Kinder sammeln Holz; ihre Weiber kneten Teig.“131 Es ist zu befürchten, es möchte auch von uns etwas Ähnliches gesagt werden. Siehst du nicht, was die Menschen thun? „Alle suchen das Ihrige, Keiner die Sache Christi.“132 Ihre Söhne laufen der Wollust nach, ihre Väter dem Geiz und der Habsucht; ihre Weiber jagen den eitlen Trugbildern dieses Lebens nach, und statt die Männer davon abzuhalten, feuern sie dieselben nur noch mehr dazu an. Stelle dich einmal auf den Markt, frage die auf und ab Gehenden, und du wirst Keinen finden, der irgend einem geistigen Geschäfte nachstrebt; Alle laufen nach zeitlichen Dingen. Wann werden wir endlich zur Vernunft kommen? wie lange uns noch dem tiefen Schlafe hingeben? Sind wir der Übel noch nicht satt? Und dennoch genügt schon, ohne alle Worte, die bloße Erfahrung, uns über die Nichtigkeit der gegenwärthigen Dinge zu belehren und zu zeigen, wie schlimm Alles ist. Heidnische Philosophen, die von den zukünftigen Dingen Nichts wußten, haben sich von den gegenwärtigen schon darum losgesagt, weil sie ihre wirkliche Nichtigkeit einsahen. Welche Vergebung wirst denn du erlangen, wenn du auf der Erde kriechst und das Niedrige und Vergängliche nicht verschmähest gegenüber dem Hohen und Ewigen, da du doch hörst, daß Gott selbst dir dieses zeigt und offenbaret, und da du von ihm eine solche Verheissung hast? Daß aber diese Güter den Menschen nicht befriedigen, beweisen Diejenigen, welche, ohne Verheissung der höhern, dieselben verlassen haben; denn welchen Reichthum erwarteten sie wohl, indem sie die Armuth erwählten? Sie erwarteten keinen Reichthum, sondern thaten es bloß darum, weil sie wußten, daß eine solche Armuth vor dem Reichthum den Vorzug verdiene. Was für ein Lebensglück hofften sie, als sie den Weltfreuden entsagten und sich einer strengen Lebensweise hingaben? Keines; sie thaten es, weil sie die Natur der Dinge erkannten und wußten, daß Dieses sowohl zur Bildung der Seele als für die Gesundheit des Leibes ersprießlicher sei.

Das wollen nun auch wir erwägen und die zukünftigen Güter stets vor Augen habend uns von den gegenwärtigen losreissen, damit wir jene erlangen durch die Gnade und Menschenfreundlichkeit unseres Herrn Jesus Christus, dem zugleich mit dem Vater und dem heiligen Geiste sei Ruhm, Herrschaft und Ehre jetzt und allezeit und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

Homilien über den ersten Brief an die Korinther

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