Читать книгу Homilien über den ersten Brief an die Korinther - Johannes Chrysostomos - Страница 8
Dritte Homilie.
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10. Ich bitte euch aber, Brüder, durch den Namen unseres Herrn Jesus Christus, da ihr alle die nämliche Rede führet und keine Spaltungen unter euch seien, sondern daß ihr vollkommen seiet in demselben Sinne rund in derselben Meinung.
I. Was ich immer gesagt habe, daß man mit Zurechtweisungen gemach und allmälig herausrücken müsse, Das thut auch Paulus hier. Er bedient sich eines milden Ausdruckes, da er im Begriffe steht, über einen Gegenstand zu sprechen, der voll Gefahren und geeignet ist, die Kirche von Grund aus zu zerstören. Er sagt nämlich, daß er sie bitte, und zwar bitte im Namen Christi, als hielte er sich selber zu schwach zum Bitten und Überreden. — Was heißt Das aber: „Ich bitte im Namen Christi?“ Ich nehme Christum zum Gehilfen und seinen mit Schimpf und Schmach überhäuften Namen zum Beistand. Vortrefflich war Dieß geeignet, sie vor Frechheit zu bewahren; denn die Sünde bewirkt Frechheit. Wenn man daher den Sünder gleich Anfangs hart angeht, so macht man ihn verwegen und unverschämt; beschämt man ihn aber, so beugt man ihm den Nacken, benimmt ihm die Dreistigkeit und macht ihn demüthig. Dieses bezweckt auch Paulus, und darum bittet er hier im Namen Christi. Und um was bittet er denn? „Daß ihr alle die nämliche Rede führet und keine Spaltungen unter euch seien.“ Der Nachdruck, der in dem Worte „Spaltung“ liegt, und schon der bloße Name dieser Anklage enthält eine scharfe Rüge gegen sie. Denn es gab nicht viele Glieder, die unversehrt waren; auch die Einheit war vernichtet. Und hielten auch einzelne Parteien zusammen, so gab es doch vielerlei Lehrmeinungen: und gab es Spaltungen, so wär auch die Einheit verloren. Denn wird das Ganze in viele Theile zerlegt, so gibt es nicht nur nicht viele Ganze, sondern nicht eines mehr. So verhält es sich mit den Spaltungen.
Nachdem er sie durch den Ausdruck Spaltung hart angelassen, redet er wieder sanfter und gelinder: „Seid vielmehr vollkommen in demselben Sinne und in derselben Meinung.“ Nachdem er nämlich gesagt hatte: „daß ihr alle die nämliche Rede führet,“ spricht er: Glaubet nicht, daß ich nur eine Übereinstimmung in Worten meine; denn ich fordere die Übereinstimmung der Gesinnung. Weil aber auch in der Gesinnung zwar Einheit herrschen kann, aber nicht in allen Dingen, so fügt er bei: „Seid vollkommen!“ Denn wer in einer Sache übereinstimmt, in der andern nicht, der ist noch nicht vollkommen, hat noch nicht die gleiche Gesinnung. Man kann aber auch einerlei Meinung und doch nicht einerlei Grundsätze haben; so können wir z. B. einerlei Glauben haben und doch nicht Eins sein in der Liebe; denn auf diese Weise haben wir denselben Lehrbegriff (wir bekennen uns ja zu derselben Lehre), aber keineswegs einerlei Grundsätze. So war es auch dazumal, indem der Eine Diesem, der Andere einem Andern anhing. Daher sagt er, man müsse in den Gesinnungen und Grundsätzen Eins sein. Denn die Spaltungen waren nicht daraus entstanden, daß sie im Glauben uneinig waren, sondern daher, daß sie — durch menschliche Zänkerei — in ihren Grundsätzen nicht übereinstimmten. Weil aber der Angeklagte, so lange man ihm keinen Zeugen gegenüber stellt, nicht beschämt wird, siehe, so führt er Zeugen an, damit sie nicht leugnen könnten.
11. Denn durch Chloe’s Angehörige hab’ ich über euch erfahren, meine Brüder!
Auch sagt er Dieses nicht gleich Anfangs, sondern nennt vorerst die Beschuldigung, welche er auf die Aussage der Zeugen für wahr hielt; denn wäre Das nicht der Fall gewesen, so hätte er ihnen darüber auch keinen Vorwurf gemacht; denn Paulus glaubte nicht ohne Grund. Darum sagte er nicht so ohne Weiteres, daß er erfahren habe, damit es nicht scheine, als verklage er sie auf Anstiften Jener; aber er schweigt auch nicht, damit es nicht scheine, als rede er Dieses nur aus sich allein. Er nennt sie abermals Brüder. Obgleich das Vergeben offen da liegt, so hindert Das nicht, sie jetzt noch Brüder zu nennen. Betrachte aber seine Klugheit, wie er nicht eine einzelne Person, sondern das ganze Haus als Zeugen hinstellt, damit sie gegen den Angeber nicht aufgebracht würden; so nimmt er diesen in Schutz und legt die Anklage freimüthig an den Tag; denn er sah nicht bloß auf den Nutzen der Einen, sondern auch auf den Vortheil der Andern. Deßhalb sagt er nicht: Es ist mir von Einigen angezeigt worden, sondern er nennt auch das Haus, um dem Vorwurfe einer Erdichtung zu entgehen. Was wurde denn angezeigt? „Daß Uneinigkeiten unter euch sind.“ Wenn er selbst sie zurechtweist, spricht er: „daß unter euch keine Spaltungen seien.“ Wenn er hingegen die Aussage Anderer anführt, gebraucht er einen milderen Ausdruck: „Ich habe erfahren, daß Uneinigkeiten unter euch sind,“ um Diejenigen, welche Dieß angezeigt hatten, nicht auch zu treffen. Hierauf nennt er auch die Art der Uneinigkeit:
12. Daß Jeder von euch sagt: Ich halte es mit Paulus, ich mit Apollo, ich mit Kephas.
Unter Uneinigkeiten, sagt er, verstehe ich nicht gemeine Zänkereien, sondern Zwistigkeiten über wichtige Dinge. „Daß Jeder von euch sagt“; denn nicht nur ein Theil, sondern die ganze Gemeinde war von dieser Pest angesteckt. Er spricht eigentlich weder von sich selbst, noch von Petrus, noch von Apollo, sondern er zeigt, daß, wenn man sich schon auf Diese nicht berufen soll. Das um so weniger bei Andern geschehen dürfe. Daß er von Diesen nicht eigentlich rede, sagt er in der Folge: „Dieses aber habe ich übergetragen auf mich und Apollo, damit ihr an uns lernet, daß sich Keiner mehr erhebe, als geschrieben steht.“38 Denn wenn es sich schon nicht ziemte, sich die Namen des Paulus, Apollo und Kephas beizulegen, so dürfte Dieses mit fremden Namen noch viel weniger geschehen. Wenn es nicht erlaubt war, sich nach dem Namen des Lehrers und des ersten der Apostel, der ein so zahlreiches Volk unterrichtet hatte, zu nennen: so galt Dieses um so mehr von Jenen, die Nichts waren. Absichtlich also nennt er diese Namen, um sie von ihrer Krankheit zu heilen. Jedoch mildert er seine Rede, indem er Diejenigen, welche die Kirche trennten, nicht mit Namen nennt, sondern sie gleichsam hinter einer Maske, den Namen der Apostel, versteckt:
II.
„Ich halte es mit Paulus, ich mit Apollo, ich mit Kephas.“
Er nennt den Petrus zuletzt, zieht sich aber dadurch demselben nicht vor, sondern stellt sich ihm weit nach; denn er erweitert seine Rede, um den Schein zu vermeiden, als spräche er so aus Neid, und als wollte er Jenen39 aus Mißgunst die Ehre entziehen. Darum setzt er sich an den ersten Platz. Denn wer sich zuerst in Schatten stellt, thut Das nicht aus Ehrgeiz, sondern weil er diese Ehre für ganz gering hält. Daher stellt er sich dem ersten Anprall entgegen, und dann erst nennt er den Apollo, und dann erst den Kephas. Er thut also Das nicht, um sich zu erheben, sondern rügt unter seinem eigenen Namen jene ungeziemende Sprache. Da sie offenbar fehlten, indem die Einen es mit Diesem, die Andern mit Jenem hielten, so weist er sie auf eine feine Art zurecht mit den Worten: Ihr thut nicht wohl, daß ihr sprechet: „Ich halte es mit Paulus, ich mit Apollo, ich mit Kephas.“ Warum fügt er aber bei: „Ich mit Christus?“ Wenn auch Diejenigen fehlten, die es mit Menschen hielten, so fehlten doch Jene nicht, die es mit Christus hielten. Allein nicht Das tadelt er an ihnen, daß sie es mit Christus hielten, sondern Das, daß nicht Alle Dieses thaten. Ich bin der Meinung, er habe diese Worte aus sich hinzugefügt, um die Rüge zu verschärfen und zu zeigen, daß auch Christus seinen Antheil habe, obschon Jene ihm keinen Antheil gaben. Daß er darauf, hingedeutet habe, geht aus den folgenden Worten hervor:
13. Ist denn Christus getheilt?
Er will sagen: Ihr habt Christum zerstückelt und seinen Leib zertheilt. Siehst du da den Muth, du siehst die Rüge, siehst du den Unwillen, der aus seiner Rede quillt? Denn da er nicht beweist, sondern nur fragt, gibt er zu erkennen, daß die Ungereimtheit ihrer Rede einleuchtend sei. Einige sind der Ansicht, er habe durch die Worte: „Ist denn Christus getheilt?“ etwas Anderes andeuten wollen, nämlich: Christus hat sich unter die Menschen vertheilt, die Klrche zerstückelt, einen Theil sich vorbehalten, den andern ihnen überlassen. Darauf zeigt er, wie ungereimt Dieses sei, indem er sagt: „Ist denn Paulus für euch gekreuzigt worden, oder seid ihr auf den Namen Pauli getauft worden?“ Siehe da eine Seele, die von der Liebe zu Christus entflammt ist! Alles führt er aus unter seinem Namen und beweist vollgiltig, daß Niemandem ausser ihm diese Ehre zukomme. Und damit es nicht scheine, als rede er so aus Neid, nennt er immer nur sich selber. — Betrachte aber auch seine Klugheit! — Er sagt nicht: Hat denn Paulus die Welt erschaffen? Hat denn Paulus euch aus dem Nichts in’s Dasein gerufen? sondern erwähnt jene Dinge, die der Schatz der Gläubigen und Beweis der großen Fürsorge Gottes sind: das Kreuz und die Taufe und jene Güter, die daraus entspringen. Wohl ist schon die Weltschöpfung ein Beweis der Menschenfreundlichkeit Gottes, vorzugsweise aber ist Dieß seine Erniedrigung bis zum Kreuze. Der Apostel sagt nicht: Ist denn Paulus für euch gestorben? sondern: gekreuzigt worden, und zeigt so auch die Todesart an. „Oder seid ihr auf den Namen Pauli getauft worden?“ Er sagt nicht: Hat euch denn Paulus getauft? Denn er hatte wirklich Viele getauft; allein es fragte sich nicht darum, von wem, sondern auf wessen Namen sie getauft worden seien. Weil aber auch Das eine Ursache der Spaltungen war, daß sie sich nach Denjenigen nannten, von denen sie getauft worden waren; so rügt er auch Dieses durch die Frage: „Oder seid ihr auf den Namen Pauli getauft worden?“ Sage mir nicht, wer dich getauft habe, sondern auf wessen Namen es geschah; es fragt sich nämlich hier nicht um Den, der da tauft, sondern um Den, dessen Namen bei der Taufe angerufen wird; denn Dieser läßt die Sünden nach. Da bleibt er nun stehen und verfolgt den Gegenstand nicht weiter. Er sagt nämlich nicht: Hat euch denn Paulus die zukünftigen Güter verheissen? Hat euch denn Paulus das Himmelreich versprochen? Warum fügt er denn Das nicht bei? Weil es nicht einerlei ist, das Himmelreich verheissen und sich kreuzigen lassen. Jenes war nämlich mit keiner Gefahr verbunden und brachte keine Schmach, Dieses aber führte Beides mit sich. Anderswo bestätigt er das Eine durch das Andere; denn nachdem er gesagt:40 „Er, der seines eigenen Sohnes nicht geschont,“ fügt er bei: „Wie? sollte er uns mit ihm nicht Alles schenken?“ Und abermals:41 „Denn wenn wir, da wir noch Feinde waren, mit Gott durch den Tod seines Sohnes versöhnt wurden, um so mehr werden wir jetzt als Versöhnte Beseligung erlangen.“ Darum setzt er Dieses nicht bei; auch hatten sie die verheissenen Güter noch nicht erlangt, diese aber schon aus Erfahrung kennen gelernt: die einen waren nur verheissen, die andern aber schon in Erfüllung gegangen.
14. Ich danke Gott, daß ich Keinen von euch ausser Crispus und Cajus getauft habe.
Was rühmt Ihr euch denn wegen des Taufens, da ich danke, Das nicht gethan zu haben? Durch diese Worte beseitigt er auf kluge Weise ihren Stolz, den sie darein setzten, hebt aber nicht die Kraft der Taufe auf; Das sei ferne! Nur den Übermuth Derjenigen greift er an, die sich auf das Taufen viel einbildeten, indem er vorerst zeigt, daß dieselbe nicht Ihr Geschenk sei, und dann auch, indem er Gott dankt. Die Taufe ist zwar etwas Großes, aber nicht, der da tauft, macht sie groß, sondern der, dessen Namen bei der Taufe angerufen wird. Taufen ist Nichts, wenn man dabei nur auf die menschliche Thätigkeit sieht: ja es ist noch viel weniger, als das Evangelium predigen. Die Taufe ist etwas Großes, ich wiederhole es, und ohne Taufe können wir das Himmelreich nicht erlangen; allein dieselbe ertheilen kann auch ein minder ausgezeichneter Mann, während die Verkündigung des Evangeliums große Mühe kostet.
III.
Er gibt auch den Grund an, warum er Gott danke, daß er Keinen getauft habe. Welches ist nun dieser?
15. Damit doch Niemand sagen könne, daß ihr auf meinen Namen getauft seid.
Wie aber? Wirft er ihnen Dieses wirklich vor? Keineswegs, sondern er will sagen: Ich fürchte, es möchte mit der Krankheit so weit kommen. Denn wenn schon eine Spaltung entstand, da gemeine und unberühmte Männer tauften; so wären vielleicht, wenn ich, der ich die Taufe Predigte, selbst Viele getauft hätte, Menschen zusammengetreten, um sich nach meinem Namen zu nennen oder gar die Kraft der Taufe mir zuzuschreiben. Wenn schon geringere Personen ein so großes Übel verursachten, so hätten höhere ohne Zweifel noch ein weit größeres veranlaßt.
Nachdem er so die Übelgesinnten zurechtgewiesen und hinzugefügt hatte:
16. Doch ja, die Familie des Stephanas habe ich getauft;
demüthigt er wieder ihren Hockmuth, indem er spricht: „Übrigens weiß ich nicht, ob ich irgend einen Andern getauft habe.“ Dadurch zeigt er, daß er sich hiermit weder Ehre vor dem großen Haufen erwerben wollte noch des Ruhmes wegen dorthin gekommen sei. Doch nicht nur dadurch, sondern auch durch das Folgende schlägt er ihren Übermuth nieder mit den Worten:
17. Denn Christus hat mich nicht gesandt zu taufen, sondern das Evangelium zu verkünden.
Denn dieses Amt war beschwerlicher, erforderte eine große Mühe und einen eisernen Muth und umfaßte Alles; darum verwaltete Paulus dasselbe.
Aber warum taufte er denn, wenn er nicht gesandt war zu taufen? Das that er nicht gegen den Willen dessen, der ihn gesandt hatte, sondern er that es noch nebenher; denn er sagt nicht: Es ist mir verboten worden, sondern: Ich bin nicht dazu gesandt worden, sondern zu Etwas, was weit wichtiger ist. Denn das Evangelium verkünden kann nur der Eine oder der Andere, taufen aber kann Jeder, der die Priesterwürde hat.42 Wenn ein Mensch unterrichtet und überzeugt ist, so kann ihn Jedermann taufen, da nun Alles auf den Willen des Täuflings und auf die Gnade Gottes ankommt. Handelt es sich aber darum, Ungläubige zu unterrichten, so erheischt Das viele Arbeit und große Weisheit; damals war es auch noch mit Gefahr verbunden. Im ersteren Falle ist schon Alles gethan: der Täufling ist überzeugt, und es ist nun nichts Großes, denselben, wenn er überzeugt ist, zu taufen. Hier aber kostet es viele Mühe, seinen Willen anders zu lenken, ihm eine andere Gesinnung beizubringen, den Irrthum auszurotten und die Wahrheit einzupflanzen. Jedoch drückt er sich nicht auf diese Weise aus, beweist die Sache nicht so und sagt das Taufen mache keine Mühe, anders verhalte es sich mit dem Predigen (denn er weiß immer den rechten Ausdruck zu wählen): sondern er läßt sich tiefer ein in eine Vergleichung mit der weltlichen Weisheit und kann so eine kräftigere Sprache führen. Er taufte also nicht gegen den Willen dessen, der ihn gesandt hatte, sondern verfuhr hierin, wie er es auch in Betreff der Wittwen machte, wovon die Apostel gesagt hatten: „Es geht nicht an, daß wir das Wort Gottes hintansetzen und für den Unterhalt der Armen sorgen.“43 Er sorgte doch dafür, nicht den Aposteln widerstrebend, sondern aus Übermaß der Liebe. So ist es nun auch hier. Wir übertragen nämlich auch jetzt noch den weniger gelehrten Priestern das Amt zu taufen, den gelehrtern aber das Predigtamt; denn dieses kostet Arbeit und Schweiß. Darum sagt er auch selbst: „Priester, die würdig vorstehen, halte man doppelter Ehre werth, vorzüglich die, welche sich mit Lehre und Unterricht beschäftigen.“44 Denn gleichwie nur ein tüchtiger und geschickter Fechtmeister die jugendlichen Fechter unterrichten, hingegen auch ein im Fechten Unerfahrener dem Sieger die Krone aufsetzen kann und die Klone doch den Sieger verherrlicht: so verhält es sich auch mit der Taufe; denn ohne diese ist es nicht möglich, selig zu werden, und dennoch thut der Taufende nichts Großes, da er den Täufling schon vorbereitet und und willig findet.
„Nicht mit Rednerkunst, damit das Kreuz Christi nicht entkräftet werde.“ Nachdem er den Hochmuth Derjenigen, welche sich wegen des Taufens viel einbildeten, niedergeschlagen, kommt er nun an Diejenigen, die mit ihren Redekünsten prahlten, und gegen diese kämpft er nun deftiger an. Denn zu Denjenigen, die auf das Taufen stolz waren, sagt er: „Ich danke, daß ich Keinen getauft habe,“ und: „Christus hat mich nicht gesandt, um zu taufen.“ Er bedient sich keiner so kräftigen und strengbeweisenden Sprache, sondern deutet das Wenige, was er sagen wollte, nur im Vorübergeben an. Hier aber führt er gleich Anfangs einen gewaltigen Schlag, indem er sagt: „damit das Kreuz Christi nicht entkräftet werde.“ Was prahlst du nun mit einer Sache, deren du dich schämen solltest? Denn wenn diese Rednerkunst das Kreuz Christi bekriegt und die Evangelien bekämpft, so solltest du dich derselben nicht rühmen, sondern schämen. Das war nämlich der Grund, warum die Apostel keine Redekünstler waren, nicht als wäre die Gnade hiezu nicht mächtig gewesen, sondern damit das Predigtamt dadurch nicht geschädigt würde. Also nicht jene Redekünstler halfen dem Worte Gottes auf, sondern sie schadeten vielmehr; hingegen die Ungeübten verschafften ihm Aufnahme. Das war im Stande, ihren Stolz zu brechen, ihre Aufgeblasenheit zu dämpfen und sie zu lehren, bescheiden zu sein. Aber, heißt es, wenn nicht mit Rednerkunst, — warum sandten sie den gewandten Redner Apollo? Nicht weil sie auf die Kraft seiner Rede vertrauten, sondern, weil er sehr schriftkundig war und die Juden überwies. Übrigens ist ja nur davon die Rede, daß die vornehmsten und ersten Verkündiger des Wortes keine glänzenden Redner gewesen. Denn gerade diese waren es, welche großer Stärke bedurften, um gleich Anfangs den Irrthum zu stürzen; grosser Kraft bedürfte es damals, um sich Eingang zu verschaffen.
IV.
Wenn also Gott, der beim Anfange keiner Gelehrten bedurfte, später geübte Redner sich wählte, so geschah Dieß nicht aus Bedürfniß, sondern weil es ihm einerlei war. Wie er aber zur Ausführung seines Planes keiner Sophisten bedurfte, so schloß er sie auch nicht aus, als sie sich fanden Du aber sollst mir zeigen, ob Petrus und Paulus geübte Redner gewesen; allein Das kannst du nicht; denn sie waren ungelehrt und unstudiert. Wie nun Christus, als er seine Jünger in die Welt aussandte, ihnen zuerst in Palästina seine Macht zeigte, indem er sprach: „Als ich euch ohne Beutel, ohne Reisetasche, ohne Schuhe ausgeschickt habe, hat euch Etwas gemangelt?“ Und wie er ihnen künftig Reisetasche und Beutel zu haben erlaubte, so machte er es auch hier. Denn hier handelte es sich darum, die Kraft Christi zu zeigen, nicht aber durch Weltweisheit Diejenigen, die da glauben wollten, abzuschrecken. Wenn daber die Heiden den Jüngern Unwissenheit vorwerfen, so können wir mit mehr Grund sie selbst beschuldigen. Niemand sage auch, Paulus sei ein Weltweiser gewesen; vielmehr wollen wir jene Männer, welche bei den Heiden als große Weise und hochgefeierte Redner gelten, erheben und sagen, die Unsrigen seien alle ungelehrt gewesen. Denn auch von dieser Seite werden wir über sie keinen geringen Vortheil gewinnen, denn so wird der Sieg ein glänzender sein.
Dieses habe ich gesagt, weil ich selbst einmal zugehört habe, wie ein Christ und ein Heide einen lächerlichen Wortstreit führten und eben Dasjenige bekämpften, was ihnen günstig war. Denn der Heide sagte, was der Christ hätte sagen sollen; und was zum Vortheil des Heiden war, Das brachte der Christ vor. Die Rede war von Paulus und von Platon; der Heide suchte zu beweisen, daß Paulus unwissend und ungelehrt gewesen sei; der Christ aber bemühte sich aus Einfalt zu zeigen, daß Paulus gelehrter, beredter gewesen. Wäre diese Behauptung richtig, so stände der Sieg auf Seite des Heiden; denn wofern Paulus den Platon an Beredsamkeit übertraf, so konnten Viele billig die Einwendung machen, er babe nicht durch Gottes Gnade, sondern durch Rednerkunst gesiegt. Also war Das, was der Christ behauptete, dem Heiden günstig; und was der Heide sagte, war zum Vortheil des Christen. Denn wenn Paulus ungelehrt war und dennoch den Platon übertraf, so war ja Dieß, wie gesagt, ein glänzender Sieg; denn dieser Ungelehrte überzeugte alle Anhänger Platon’s und zog sie an sich. Daraus erhellet, daß die Verkündigung des göttlichen Wortes nicht durch menschliche Weisheit, sondern durch die Gnade Gottes geschah. — Damit uns also nicht Dasselbe begegne, und damit wir uns durch dergleichen Dispute mit den Heiden nicht lächerlich machen, so wollen wir von den Aposteln gestehen, daß sie ungelehrt waren denn dieser Vorwurf ist Lob. Und wenn Jene sagen, die Apostel seien ungebildete Leute gewesen, so wollen wir noch hinzusetzen und sagen, sie seien unwissende, unstudierte, arme, niedrige und unberühmte Männer gewesen. Das gereicht den Aposteln nicht zur Schande, sondern zur Ehre, daß sie, da sie solche Männer waren, berühmter geworden sind als Alle auf dem ganzen Erdkreise. Denn diese Unwissenden, Ungebildeten und Ungelehrten haben die Weisen und die Mächtigen, die Tyrannen und die von Reichthum, Ehre und andern äussern Gütern Aufgeblasenen, als wären diese keine Männer gewesen, aus dem Felde geschlagen. Daher ist es offenbar, daß die Kraft des Kreuzes groß ist, und daß Dieses nicht durch menschliche Kraft geschehen konnte. Denn was geschah, war nicht natürlich, sondern es überstieg die Kräfte der Natur. Wo aber Etwas die Kräfte der Natur übersteigt und weit übertrifft und zugleich gut und nützlich ist, da ist es klar, daß Dieses durch göttliche Kraft und Mitwirkung geschieht. Erwäge einmal: der Fischer, der Zeltmacher, der Zöllner, der Unwissende, der Ungelehrte — sie kamen aus dem fernen Palästina, brachten die Philosophen und die gewandtesten Redner alle zum Weichen und überwanden sie in kurzer Zeit, ungeachtet der vielen Gefahren und des Widerstrebens der Völker und Könige, ungeachtet sie die Natur und das Alterthum zu bekämpfen hatten; ungeachtet ihnen die verjährte Gewohnheit mächtig entgegenstand; unbeachtet die Dämonen bewaffnet waren und der Teufel, zum Kampfe gerüstet, Alles aufbot, — Könige, Fürsten, Völker, Nationen, Städte, Barbaren, Griechen, Philosophen, Rhetoren, Sophisten, Geschichtschreiber, Gesetze, Gerichte, mannigfache Strafen, zahllose und vielgestaltige Todesarten. Dennoch ward Dieß alles durch die Predigt jener Fischer besiegt und zerstreut wie leichter Staub, der dem Sturmwinde nicht zu widerstehen vermag. Lernen wir also mit den Heiden so disputiren, daß wir nicht wie Rinder und Schafe erscheinen, sondern bereit seien, Rechenschaft von unserer Hoffnung zu geben. Einstweilen wollen wir über diesen nicht unwichtigen Punkt nachdenken und zu ihnen sprechen: Woher kam es, daß die Schwachen die Starken, die Zwölfe den ganzen Erdkreis besiegt haben, da sie doch nicht gleiche Waffen hatten, sondern wehrlos gegen Bewaffnete standen?
V.
Denn sage mir, wenn zwölf des Krieges unkundige Männer, dazu noch wehrlos und schwächlichen Körpers, sich in ein zahlloses Heer von Bewaffneten stürzten und Nichts dabei litten; wenn sie von tausend Pfeilen getroffen dennoch nicht verwundet würden; wenn sie nacht und mit Geschoßen bedeckt, ohne Waffen, mit der bloßen Hand Alles vor sich hertrieben, und die Einen tödteten, die Andern gefangen nahmen, ohne selbst verwundet zu werden: wer würde behaupten, daß Dieß eine menschliche That sei? Und doch ist der Sieg der Apostel noch weit wunderbarer als Jenes. Denn daß Unwissende, Ungelehrte, Fischer eine solche Rednerweisheit überwanden, und daß weder ihre geringe Anzahl noch die Armuth, weder die Gefahren noch die herrschende Gewohnheit, weder die strengen Gebote, die sie gaben, noch die täglichen Todesgefahren, weder die Menge der Irregeführten, noch das Ansehen der Irreführenden sie verhindern konnten. Das ist weit wunderbarer, als daß ein Wehrloser ohne Wunden davon komme. So also wollen wir die Heiden bekämpfen und überwinden, aber mehr noch durch unsern Wandel als durch Worte laßt uns sie schlagen; denn das ist die große Art des Kampfes, das der unwiderlegliche Beweis, der Beweis der That; denn wenn wir auch noch so viel mit Worten philosophiren, in unserm Lebenswandel uns aber nicht besser zeigen als die Heiden, so werden wir Nichts gewinnen. Die Heiden achten nicht auf unsere Worte, sondern sie prüfen unsere Handlungen und sagen: Folge du zuerst deinen Worten, und dann ermähne Andere! Wenn du von tausend zukünftigen Gütern sprichst und doch so sehr an den irdischen haftest, als wären jene gar nicht vorhanden, so sind mir deine Handlungen glaubwürdiger als deine Worte. Denn wenn ich sehe, daß du fremdes Eigenthum raubst, daß du die Verstorbenen unmäßig betrauerst und viele andere Ungebührlichkeiten begehst: wie soll ich dir glauben, daß es eine Auferstehung gibt? Wenn sie Das auch nicht sagen, so denken sie es doch und bewahren es im Herzen; und Das hält die Ungläubigen vom Christenthum ab; suchen wir also sie durch unsern Lebenswandel anzuziehen! Auf diese Weise haben selbst viele Ungebildete die Spitzfindigkeiten von Philosophen besiegt, indem sie durch ihre Handlungen ihre Weisheit an den Tag legten und sie durch ihren Tugendwandel lauter als eine Drommete verkündeten; denn Thaten sind stärker, als Worte. Wenn ich nämlich sage, man solle nicht Böses mit Bösem vergelten, und füge dann dem Heiden tausendfaches Unrecht zu: wie kann ich ihn da durch Worte gewinnen, während ich ihn durch meine Handlungen zurückstoße? Laßt uns also durch unsern Wandel die Heiden bekehren45 und aus diesen Seelen die Kirche aufbauen und solchen Reichthum sammeln! Nichts kommt an Werth einer Seele gleich, nicht einmal die ganze Welt. Wenn du den Armen auch zahllose Almosen spendest, so hast du noch nicht so viel gethan als Der, welcher eine einzige Seele bekehrt; „denn wer Edles vom Schlechten absondert, wird wie mein Mund sein.“46 heißt es. Es ist ist zwar etwas Großes, sich der Dürftigen erbarmen, aber nichts der Art, wie einen Menschen vom Irrthum befreien; denn wer Dieses thut, der wird dem Paulus, dem Petrus ähnlich. Wir können ihnen im Predigtamte nachfolgen, ohne uns in dieselben Gefahren zu wagen und Hunger und Elend und anderes Ungemach auszustehen, denn es ist jetzt eine ruhige Zeit; nur denselben Eifer der guten Gesinnung sollen wir zeigen. Wir können zu Hause sitzen und doch diesen Fischfang betreiben. Hat Jemand einen Freund, einen Verwandten, einen Hausgenossen, der rede, der handle so, und er wird dem Petrus und dem Paulus ähnlich sein; ja, was fasse ich, dem Petrus und Paulus ähnlich sein? er wird Christi Mund sein; „denn wer Edles vom Schlechten absondert, wird wie mein Mund sein,“ — heißt es. Und wenn du ihn heute nicht überredest, so wirst du ihn morgen überreden; und wenn du ihn gar nicht überreden kannst, so wirst du doch deinen Lohn vollkommen erhalten. Und wenn du auch nicht Alle gewinnst, so wirst du doch aus den Vielen Einige überreden können; denn auch die Apostel haben nicht Alle bekehrt, aber sie redeten zu Allen und wurden auch wegen Aller belohnt. Denn Gott pflegt die Kronen auszutheilen nicht nach dem Erfolge der guten Werke, sondern nach der guten Absicht, die man dabei hat. Hast du auch nur zwei Pfennige geopfert, so nimmt er sie an, und wie er es mit jener Wittwe machte, so verfährt er auch mit Denen, die da lehren. Da du also die ganze Welt nicht zu retten vermagst, so verschmähe die Wenigen nicht, und entziehe dich dem Kleinen nicht aus Verlangen nach dem Großen! Kannst du nicht für hundert sorgen, sorge für zehn, und kannst du nicht für zehn sorgen, so verschmähe nicht fünf; und kannst du nicht fünf gewinnen, so verachte auch Einen nicht; und kannst du auch den Einen nicht retten, so laß den Muth nicht sinken und es an deiner Mitwirkung nicht fehlen! Siehst du nicht, daß die Handelsleute bei ihrem Gewerbe nicht nur mit Gold, sondern auch mit Silber Geschäfte machen? Denn wenn wir das Kleine nicht verschmähen, so werden wir auch das Größere erlangen; vernachlässigen wir aber das Kleine, so werden wir selbst Dieses nicht leicht erhalten. So wird Jeder reich, der das Kleine und Große sammelt. So sollen es auch wir machen, damit wir reich an allen Gütern den Himmel erlangen durch die Gnade und Menschenfreundlichkeit unseres Herrn Jesus Christus, durch welchen und mit welchem dem Vater und dem heiligen Geiste sei Ruhm, Herrschaft und Ehre jetzt und allezeit und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.