Читать книгу Homilien über den ersten Brief an die Korinther - Johannes Chrysostomos - Страница 12

Siebente Homilie.

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I.

6. 7. Wohl lehren wir Weisheit unter den Vollkommenen, aber nicht Weisheit dieser Welt, noch der Fürsten dieser Welt, die zu nichte werden; sondern wir lehren Gottes geheimnißvolle und verhüllte Weisheit, die Gott von Ewigkeit her zu unserer Herrlichkeit bestimmt hat.

I. Die Finsterniß scheint den Augenkranken mehr zu behagen als das Licht; darum flüchten sie sich auch lieber in ein dunkles Gemach. Ebenso verhält es sich auch mit der geistigen Weisheit: den Heiden kam die Weisheit Gottes wie Thorheit vor, hingegen die eigene Weisheit, die in der That Thorheit war, hielten sie für wahre Weisheit. Es war ebenso, als wenn ein ganz tüchtiger Steuermann verspräche, ohne Schiff und Segel das unermeßliche Meer zu durchfahren, und dann durch Gründe beweisen wollte, daß Dieses möglich sei, hingegen ein Anderer, des Seewesens ganz unkundig, sich dem Schiffe, dem Steuermann, den Bootsleuten ganz überlassend ruhig dahinführe. Denn was an Diesem Unwissenheit scheint, wäre größere Weisheit als die Geschicklichkeit jenes Andern. Es ist zwar etwas Gutes um die Steuermannskunst, allein wenn sie mehr verspricht, als sie zu leisten vermag, ist sie eine Art Thorheit; so ist es auch mit jeder andern Kunst, die über ihre Grenzen hinaus will. Ebenso wäre auch die weltliche Weisheit eine wirklicke Weisheit gewesen, wenn sie sich dem Geiste überlassen hätte; da sie aber Alles sich selber zuschrieb und jener Hilfe nicht zu bedürfen vermeinte, ward sie zur Thorheit, obgleich sie den Schein der Weisheit an sich trug. Darum nannte sie auch der Apostel, nachdem er ihre Nichtigkeit aus der Sache selber dargethan, Thorheit; und nachdem er die Weisheit Gottes nach ihrem Urtheile Thorheit genannt hatte, zeigte er, daß diese wirklich Weisheit sei. — Denn nach solchen Beweisen kann man die Gegner erst recht gründlich beschämen. Er sagt nun: „Wohl lehren wir Weisheit unter den Vollkommenen.“ Er will sagen: „Wenn ich, der ich ein Thor zu sein und Thörichtes zu verkünden scheine, dennoch den Weisen besiege, so überwinde ich nicht die Weisheit durch Thorheit, sondern durch eine vollkomnmere Weisheit, die so groß und erhaben ist, daß jene dagegen als Thorheit erscheint.“ Nachdem er Anfangs sie mit dem nämlichen Namen genannt, den ihr die Heiden gaben, dann aber ihren Vorzug aus der Sache selber dargethan und bewiesen hatte, daß jene in hohem Grade Thoren seien, gibt er ihr nun wieder den rechten Namen und spricht: „Weisheit aber lehren wir unter den Vollkommenen.“ Weisheit nennt er die Predigt des Evangeliums und den Weg des Heiles, nämlich die Rettung durch das Kreuz; unter den Vollkommenen aber versteht er die Gläubigen. Denn vollkommen sind Diejenigen, welche die Hinfälligkeit der irdischen Dinge erkennen und, überzeugt, daß sie ihnen Nichts nützen, dieselben verachten; und Das thun die Gläubigen.

„Aber nicht Weisheit dieser Welt.“ Wozu nützt wohl die weltliche Weisheit, die sich nur mit den Dingen hienieden befaßt und nicht weiter hinaufgeht, ja nicht einmal hienieden ihren Besitzern zu nützen vermag? Unter den „Fürsten dieser Welt“ versteht er aber nicht gewisse Dämonen, wie Einige wähnen, sondern die Angesehenen, die Machthaber, welche diese Dinge für etwas Großes halten, die Philosophen, die Sophisten und Redner: denn diese hatten die Herrschaft und waren oft die Führer des Volkes. Er nennt sie aber Fürsten dieser Welt, weil ihre Herrschaft sich nicht weiter als über dieses Leben erstreckt; darum setzt er auch hinzu: „welche zu nichte werden,“ indem er die Nichtigkeit jener Weisheit an sich und an den Besitzern zeigt. Denn nachdem er bewiesen, daß sie falsch, daß sie thöricht sei, daß sie Nichts zu finden vermöge, daß sie ohnmächtig sei, zeigt er auch, daß sie nur kurze Zeit daure. „Sondern wir tragen Gottes geheimnißvolle Weisheit vor.“ Was ist hier geheimnißvoll? Sagt doch Christus: „Was euch in’s Ohr gesagt wird, Das predigt von den Dächern herab!“78 Wie nennt er nun diese Weisheit geheimnißvoll? Weil weder ein Engel, noch ein Erzengel, noch irgend ein erschaffenes Wesen Jenes wußte, bevor es geschah. Darum heißt es: „Damit den Mächten und Gewalten des Himmels die mannigfaltige Weisheit Gottes durch die Kirche bekannt werde.“79 Dieses that aber Gott, um uns zu ehren, und auf daß jene mit uns die Geheimnisse vernehmen. Sagen ja auch wir zu Denjenigen, die wir uns zu Freunden gemacht, Das sei ein Beweis der Freundschaft, daß wir Niemand eher als ihnen unsre Geheimnisse mittheilen. Das mögen Diejenigen hören, welche die Predigt (des Evangeliums) dadurch herabsetzen, daß sie Allen ohne Unterschied die Perlen und die Lehren vorlegen und so das Heilige den Hunden und Schweinen und den nutzlosen Vernünfteleien preisgeben. Das Geheimniß bedarf keines Beweises; es soll nur verkündet werden, so wie es ist. Denn sobald du von dem Deinigen Etwas hinzusetzest, ist es nicht mehr ganz ein göttliches Geheimniß. Übrigens wird auch Das ein Gebeimniß genannt, wenn wir nicht glauben, was wir sehen, sondern Anderes sehen und Anderes glauben.

So verhält es sich mit unsern Geheimnissen: einen andern Eindruck macht die Sache auf mich, einen andern auf den Ungläubigen. Ich höre, daß Christus gekreuzigt worden; sogleich bewundere ich seine Liebe zu den Menschen; auch jener hört es und steht es für Schwäche an, ich höre, daß er ein Knecht geworden, und bewundere seine Sorgfalt für uns; auch jener hört es und hält es für eine Schmach. Ich höre, daß er gestorben, und staune über seine Macht, daß er, obgleich dem Tode unterworfen, vom Tode nicht überwunden wurde, sondern denselben aufhob; auch jener hört es, und hält es für Ohnmacht. Jener hört von der Auferstehung und erklärt sie als Fabel; ich aber nehme den Beweis aus den Begebenheiten selber und bete den Rathschluß Gottes an. Jener hört vom Taufbade und hält es einfach für Wasser; ich aber schaue nicht bloß auf das Sichtbare, sondern auf die Reinigung der Seele durch den heiligen Geist. Jener meint, ich sei bloß dem Körper nach abgewaschen worden; ich aber glaube, daß die Seele rein und Heilig geworden, und denke an das Grab, an die Auferstehung, die Heiligung, die Rechtfertigung, die Erlösung, die Annahme an Kindes Statt, die Erbschaft, das Himmelreich und die Mittheilung des heiligen Geistes; denn ich beurtheile die Sache nicht nach dem äussern Scheine, sondern mit den Augen des Geistes. Ich höre vom Leibe Christi; anders verstehe ich das Gesagte, anders der Ungläubige.


II.

Und gleichwie die Kinder, wenn sie ein Buch sehen, die Bedeutung der Buchstaben nicht kennen und nicht wissen, was sie sehen; ja gleichwie selbst einem Manne, der des Lesens unkundig ist, Dasselbe begegnet; wie hingegen ein des Lesens Kundiger einen vielbedeutenden Sinn in den Buchstaben findet, z. B. ganze Lebensbeschreibungen, Geschichten; gleichwie der Unerfahrene, wenn er einen Brief empfängt, nur Papier und Schwärze sieht, der Erfahrene Hingegen die Sprache versteht und sich mit dem abwesenden Schreiber unterhält und ihm hinwieder seinen Willen schriftlich bekannt macht: — so verhält es sich auch mit dem Geheimniß. Die Ungläubigen, wenn sie es auch hören, scheinen es nicht zu hören; die Gläubigen aber, welche durch den Geist belehrt sind, sehen die darin verborgene Kraft. Eben Das zeigt Paulus an, da er sagt, „daß Das, was verkündet wird, jetzt noch verborgen sei; Denjenigen, die da verloren gehen,“ sagt er, „ist es verborgen.“80 Sonst bedeutet das Wort „Geheimniß“ auch das Wunderbare der apostolischen Lehre. Denn so pflegt die Schrift Das zu nennen, was gegen alle Erwartung und gegen alle Begriffe der Menschen geschieht. Daher heißt es anderswo: „Mein Geheimniß für mich und die Meinigen.“81 Und wieder spricht Paulus: „Sehet! ich sage euch ein Geheimniß: wir werden zwar nicht alle entschlafen, aber wir werden alle verwandelt werden.“82 Wenngleich die Lehre allenthalben geprediget wird, so ist sie dennoch geheimnißvoll: und wie uns befohlen ist, von den Dächern berab zu verkünden, was uns in’s Ohr gesagt worden: so haben wir auch den Befehl, das Heilige nicht den Hunden zu geben und die Perlen nicht den Schweinen vorzuwerfen: denn die Einen sind sinnlich und verstehen es nicht; die Andern haben einen Schleier über ihrem Herzen und sehen nicht. Das ist also vorzugsweise ein Geheimniß, was überall verkündet, aber nicht verstanden wird von Denen, die nicht den rechten Sinn haben; es wird aber enthüllt, nicht durch die Weisheit, sondern durch den heiligen Geist, insoweit uns dasselbe zu erfassen gegönnt ist. Daher dürfte man wohl nicht irren, wenn man das Geheimniß etwas Verborgenes nennt; denn auch uns Gläubigen ist nicht alle Einsicht und vollkommene Erkenntniß gegeben. Daher sprach auch Paulus: „Unvollkommen ist unsere Erkenntniß, und unvollkommen unser begeisterter Vortrag.“83 „Denn jetzt sehen wir noch wie durch einen Spiegel, gleichsam räthselhaft: einst aber von Angesicht zu Angesicht.“84 Deßwegen sagt er: „Wir lehren die geheimnißvolle und verhüllte Weisheit, die Gott von Ewigkeit her zu unserer Verherrlichung bestimmt hat.“ „Verhüllt,“ d. h. die Keiner aus den himmlischen Mächten vor uns kannte und Viele auch jetzt noch nicht kennen. „Die Gott zu unserer Verherrlichung bestimmt hat.“ Anderswo heißt es aber: „zu seiner Verherrlichung;“85 denn unser Heil rechnet er sich zur Verherrlichung an, sowie er auch von seinem Reichthum spricht, wiewohl er der Schatz alles Guten ist und, um reich zu sein, keines Menschen bedarf. „Vorherbestimmt“ heißt es, um die Fürsorge Gottes für uns anzuzeigen. Denn wir glauben, daß uns Diejenigen ganz besonders ehren und lieben, die schon lange Zeit vorher Anstalten treffen, uns Gutes zu thun, wie es die Väter mit ihren Kindern machen; denn wenn sie ihnen auch das Vermögen erst später übergeben, so hatten sie doch schon lange vorher und gleich Anfangs Dieses beschlossen. Das sucht nun auch Paulus hier zu zeigen, daß Gott uns immer und von jeher geliebt habe, auch ehe wir noch geboren waren; denn hätte er uns nicht geliebt, so würde er uns diesen Reichthum nicht vorherbestimmt haben. Denke also nicht an die eingetretene Feindschaft; denn die Freundschaft ist älter als diese. „Von Anbeginn der Zeiten her“ heißt so viel als: von Ewigkeit her; denn auch anderswo sagt er: „Der da ist von Anbeginn her.“ So wird man auch finden, daß der Sohn ewig ist; denn auch von ihm heißt es: „durch den er die Welten erschaffen hat,“86 was aber ebenso viel bedeutet, als daß er von Ewigkeit gewesen; denn es ist ja offenbar, daß der Erschaffende vor dem Erschaffenen da ist.

8. Keiner von den Fürsten dieser Welt hat sie gekannt; denn hätten sie diese gekannt, so würden sie den Herrn der Herrlichkeit nicht gekreuziget haben.

Wenn sie ihn aber nicht kannten, wie konnte er denn sagen: „Ihr kennet mich und wisset, woher ich bin?“87 Denn von Pilatus sagt die Schrift, daß er ihn nicht gekannt habe; wahrscheinlich kannte ihn auch Herodes nicht. Diese dürften nun wohl unter den „Fürsten dieser Welt" verstanden werden; man könnte es aber auch, ohne zu irren, auf die Juden und die Priester beziehen; denn auch zu diesen sprach er: „Ihr kennet weder mich noch meinen Vater.“88 Wie konnte er denn aber oben sprechen: „Ihr kennet mich und wisset, woher ich bin“? Was es aber mit dieser und jener Stelle für eine Bewandtniß habe, ist bereits in der Erklärung der Evangelien gesagt worden, und wir verweisen unsere Leser dorthin, um öftere Wiederholungen zu vermeiden.


III.

Wie nun? so frägt man, ist ihnen die Sünde, die sie bei der Kreuzigung begingen, erlassen? Denn er sprach ja: „Verzeihe ihnen!“ Wenn sie sich bekehrten, wurde ihnen vergeben. Denn auch Paulus, der mit tausend Händen den Stephanus gesteinigt und die Kirche verfolgt hatte, wurde ein Vorsteher der Kirche: so wurde auch Jenen verziehen, wenn sie Buße thun wollten, wie denn auch Paulus sagt, indem er ausruft: „Ich frage also: Hatten sie denn so angestoßen, daß sie fielen?“ „Keineswegs.“89 Und wieder: „Hat denn Gott sein Volk, das er vorhergesehen, verworfen?“ „Gewiß nicht!“90 Dann führt er, um zu zeigen, daß ihre Buße nicht verworfen worden, seine eigene Bekehrung als Beweis an mit den Worten: „Ich bin ja selbst ein Israelit.“

Jenes: „Wenn sie gekannt hätten“ scheint mir nicht von Christus, sondern vom Erlösungswerke selbst gesagt zu sein; wie wenn er sagte: sie wußten nicht, was der Tod und das Kreuz zu bedeuten hatten. Auch dort sprach ja Christus nicht: Sie kennen mich nicht, sondern: „Sie wissen nicht, was sie thun,“91 d. h. sie kennen die Erlösung, die jetzt vollbracht wird, und dieses Geheimniß nicht. Denn sie wußten nicht, daß das Kreuz einen solchen Glanz erlangen, daß es das Heil der ganzen Welt, die Versöhnung Gottes mit den Menschen sein werde, daß ihre Stadt erobert werden und das äusserste Unglück über sie kommen sollte. — Unter „Weisheit“ versteht er Christum, das Kreuz und das Evangelium. Treffend nennt er ihn auch den „Herrn der Herrlichkeit“; denn da das Kreuz ein Zeichen der Schmach zu sein scheint, so zeigt er, daß es eine große Herrlichkeit ist. Allein es bedurfte einer erhabenen Weisheit, nicht nur um Gott zu erkennen, sondern auch um diese Heilsanstalt Gottes kennen zu lernen; die weltliche Weisheit war ein Hinderniß für das Eine wie für das Andere.

9. Allein, wie geschrieben steht, kein Auge hat es gesehen, kein Ohr gehört und in keines Menschen Herz ist es gekommen, was Gott Denen bereitet hat, die ihn lieben.

Wo steht Dieses geschrieben? Man sagt, „es steht geschrieben,“ wenn Etwas der Hauptsache nach, wenngleich nicht wörtlich, in der Erzählung liegt, oder wenn derselbe Sinn, wenn auch nicht mit denselben Worten, darin enthalten ist, wie hier. Jene Stelle: „Was ihnen nicht verkündet war, werden sie sehen, und was sie nicht gehört, werden sie vernehmen“92 — ist Eins mit dieser: „Was kein Auge gesehen und kein Obr gehört hat.“ Er hat nun entweder diese Stelle im Sinne, oder es stand wahrscheinlich in Büchern, die verloren gegangen sind; denn viele Bücher gingen verloren, und wenige wurden erhalten, schon bei der ersten Gefangenschaft. Das ist deutlich zu ersehen aus den Büchern der Chronik. Auch sagt der Apostel, daß „von Samuel’s Zeiten herab alle Propheten von ihm geweissasst haben.“93 Von all Dem besitzen wir aber Nichts mehr; Paulus aber, der ein Gesetzkundiger war und aus Eingebung des heiligen Geistes redete, wußte Dieses ohne Zweifel genau. Und was sage ich von der Gefangenschaft? Schon vor derselben waren viele Bücher verloren gegangen, da die Juden in die äusserste Gottlosigkeit versunken waren. Das ergibt sich offenbar aus dem Schlusse des vierten Buches der Könige: denn das Gesetzbuch wurde mit Mühe aus einem Misthaufen, worunter es vergraben lag, aufgefunden. Übrigens gibt es auch an vielen Stellen doppelte Prophezeiungen, welche von Einsichtsvollern leicht verstanden werden, und woraus sich viele dunkle Stellen beleuchten lassen.

Wie nun? „Hat also kein Auge gesehen, was Gott bereitet hat?“ Nein; denn welcher Mensch wußte die Heilsordnung, die Gott ausführen wollte? Also „hat“ auch „kein Ohr es gehört, und in keines Menschen Herz ist es gekommen.“ Aber wie so? Wenn die Propheten Dieß gesagt haben, wie kann er denn sprechen: „Kein Obr hat es gehört, und in keines Menschen Herz ist es gekommen?“ Es ist in keines Menschen Herz gekommen; denn der Apostel spricht nicht bloß von jenen Menschen, sondern von der ganzen menschlichen Natur. — Wie? haben es denn die Propheten nicht gehört? Wohl haben sie es gehört; aber das Propheten-Ohr war kein Menschen-Ohr; denn sie hörten es nicht als Menschen, sondern als Propheten. Daher heißt es: „Der Herr öffnete mir das Ohr, auf daß ich höre,“94 worunter er die Eröffnung durch den Geist versteht. Daraus leuchtet ein, daß es, bevor es gehört wurde, in keines Menschen Herz gekommen war. Denn nach der Mittheilung des heiligen Geistes war es nicht mehr ein Menschenherz, sondern ein Geistesherz, ein Prohhetenherz, wie denn auch der Apostel spricht: „Wir haben Christi Sinn.“95 Er will damit sagen: Ehe wir den heiligen Geist empfangen und jene geheimnißvollen Dinge gelernet, hatte weder aus uns noch aus den Propheten irgend Einer davon Kenntniß, ja nicht einmal die Engel wußten darum. Was soll man dann von den Fürsten dieser Welt sagen, da weder ein Mensch noch die himmlischen Mächte Dieß wußten? Und was sind das für Dinge? Daß durch die thöricht scheinende Lehre des Evangeliums der Erdkreis besiegt, die Völker zum Glauben bekehrt, die Menschheit mit Gott versöhnt und so große Güter uns zu Theil werden sollten. — Wie sind wir also zu dieser Kenntniß gelangt?

10. Uns aber, heißt es, hat es Gott durch seinen Geist geoffenbaret.

Nicht durch die weltliche Weisheit; denn diese als eine niedrige Magd wurde nicht zugelassen, die Geheimnisse des Herrn zu schauen.


IV.

Siehst du, wie groß der Unterschied ist zwischen dieser Weisheit und jener ? Was die Engel nicht wußten, Das hat uns diese gelehrt. Die Weltweisheit hat das Gegentheil gethan: sie lehrte nicht nur nicht, sondern hinderte auch und hemmte die Lehre, suchte das Geschehene herabzusetzen und das Kreuz zu vernichten. Er zeigt also, daß wir nicht bloß dadurch geehrt wurden, daß wir jene Kenntniß erlangt, und zwar mit den Engeln erlangt haben, sondern auch dadurch, daß sie uns vom heiligen Geiste selbst ist mitgetheilt worden. Hierauf zeigt er ihre Größe und spricht: Wir würden sie nicht erreicht haben, wenn nicht der Geist, der das Unerforschlicke in Gott durchschaut, es geoffenbart hätte. Die Sache war Gott so angelegen, daß sie unerforschlich blieb. Gerade darum bedurften wir jenes Lehrers, der sie klar durchschaute. „Denn der Geist durchschauet Alles, selbst das Unerforschliche in Gott.“

11. 12. Denn welcher Mensch kennt das Innere des Menschen als nur der Geist des Menschen, der in ihm ist? Ebenso weiß auch Niemand, was in Gott ist, ausser Gottes Geist. Wir aber haben nicht den Geist der Welt empfangen, sondern den Geist, der aus Gott ist, um zu wissen, was Gott uns verliehen hat.

Jenes „Durchschauen“ deutet hier nicht auf Unwissenheit, sondern auf genaue Kenntniß hin; er bedient sich darum dieses Ausdrucks auch von Gott, indem er spricht: „Er, der die Herzen durchschaut (durchforscht), versteht das Verlangen des Geistes.“96 Nachdem er sich nun über die Erkenntniß des Geistes genau ausgesprochen und gezeigt hat, daß sich dieselbe zur Erkenntniß Gottes so verhalte, wie die Erkenntniß des Menschen zu sich selber, und daß wir durch den Geist, und zwar nothwendig durch ihn Alles gelernet haben, fügt er bei:

13. Und Das lehren wir euch, nicht in Worten, wie menschliche Weisheit, sondern wie der Geist sie uns lehrt, und erläutern Geistiges mit Geistigem.

Siehst du, wie hoch er uns erhebt durch das Ansehen des Lehrers? Wir sind um so weiser als Jene, wie groß der Abstand ist zwischen Platon und dem heiligen Geist. Jene haben weltliche Redner zu Lehrern, wir aber als solchen den heiligen Geist. — Was heißt aber Das: „Geistiges mit Geistigem erläutern?“ Wenn etwas geistig und geheimnißvoll97 ist, so nehmen wir die Beweise dafür aus geistigen Dingen; so z. B. wenn ich sage: Christus sei auferstanden, er sei von einer Jungfrau geboren worden, so führe ich Zeugnisse, Vorbilder und Beweise an — des Jonas Aufenthalt im Bauche des Fisches und seine Befreiung, das Gebären von Seite Unfruchtbarer, wie von Sara, Rebekka und Anderen; wie im Paradiese die Bäume gewachsen, ohne gepflanzt, ohne vom Regen befeuchtet oder umgraben zu sein. Denn wie in einem Schattenriß wurde das Zukünftige durch das Frühere vorgebildet und dargestellt, damit es geglaubt würde, wenn es erschiene. Und wieder zeige ich, wie der Mensch aus der Erde, und wie das Weib aus dem Manne allein, ohne Beiwohnung hervorgegangen; wie die Erde selbst aus Nichts entstanden, indem die Macht des Schöpfers überall und zu Allem genügte. So erläutere ich Geistiges mit Geistigem und bedarf keiner Weltweisheit, keiner Schlüsse und keiner künstlichen Beweise. Jene hingegen (die Heiden) verwirren noch mehr den schwachen Verstand und machen ihn wankend; sie können keine deutlichen Beweise beihringen, sondern im Gegentheil machen sie irre, erfüllen mit Dunkelheit und vielerlei Ungewißheit; darum sagt er: „Wir erläutern Geistiges mit Geistigem.“ Siehst du, wie er zeigt, daß jene Weisheit unnütz, ja nicht nur unnütz, sondern auch feindlich und verderblich sei? Denn Das gab er kund durch die Worte: „damit das Kreuz Christi seiner Kraft nicht beraubt werde“ und: „damit unser Glaube nicht auf Menschenweisheit beruhe.“ Hier aber zeigt er, daß Diejenigen, welche auf diese Weisheit bauen und Alles auf sie ankommen lassen, unmöglich etwas Nützliches lernen können.

14. Denn der sinnliche (natürliche) Mensch, heißt es, nimmt Das nicht auf, was vom Geiste kommt.

Darum muß man also jene zuerst ablegen.

„Wie? ist also die weltliche Weisheit verwerflich? Sie ist ja doch Gottes Werk.“ Woher weißt du Das? Er hat sie nicht gemacht, sondern du hast sie erfunden; denn unter Weisheit versteht er hier die unnütze Forschung und eitle Beredsamkeit. Wollte man aber auch annehmen, daß er die menschliche Klugheit darunter verstehe, so gereichte dir auch Dieses zum Tadel. Denn du schändest sie durch Mißbrauch, indem du Gott zuwider und zum Trotze von ihr verlangst, was sie nicht geben kann. Darum nun, weil du dich derselben rühmst und dadurch Gott beleidigst, zeigt er ihre Nichtigkeit. Auch die Körperstärke ist etwas Gutes; weil aber Kain dieselbe mißbrauchte, so lähmte ihn Gott, daß er zitterte. Auch der Wein ist etwas Gutes; weil aber die Juden denselben übermäßig genoßen, so verbot Gott den Priestern durchaus dessen Genuß. Weil nun auch du die Weisheit mißbraucht und von ihr mehr gefordert hast, als sie aus eigener Kraft zu leisten vermag: so zeigt er ihre Ohnmacht, um dich von der bloß menschlichen Hoffnung abzulenken. Sinnlich ist nämlich Derjenige, der Alles auf kalte Vernunftschlüsse98 baut und keiner Hilfe von oben zu bedürfen wähnt, was eine Thorheit ist. Denn Gott hat sie gegeben, daß sie von ihm lernen und das Seinige aufnehmen, nicht aber, daß sie wähnen soll, sich selbst zu genügen. Auch die Augen sind schön und nützlich; wenn sie aber ohne Licht sehen wollen, so kann ihnen weder die Schönheit noch die eigene Kraft Etwas nützen, sondern schadet vielmehr. Ebenso verhält es sich mit der Seele (Vernunft): wenn sie ohne den heiligen Geist sehen will, so steht sie sogar sich selber im Wege.

„Wie aber“, wirst du sagen, „hat denn die Weltweisheit früher Alles aus sich selber eingesehen?“ nicht aus sich selber hat sie es eingesehen, sondern diese Weltweisen hatten die Schöpfung wie ein Buch vor sich liegen. Als sie aber den Weg, den ihnen Gott vorgezeichnet hatte, um aus der Schönheit der sichtbaren Dinge den Schöpfer zu erkennen, verließen und die Vernunftschlüsse obenan setzten: versanken sie, ohnmächtig, in ein Meer von Gottlosigkeit und fielen sofort in den Abgrund aller Übel, indem sie behaupteten, aus Nichts könne Nichts werden, sondern Alles sei aus einem unerschaffenen Urstoff entstanden; woraus unzählige Sekten hervorgingen. Und zwar stimmten sie in Dem, was höchst ungereimt war, überein; hingegen wo sie auch nur dunkel und gleichsam träumend etwas Vernünftiges sahen, waren sie unter einander entzweit, so daß sie beiderseits lächerlich wurden. Denn daß aus Nichts auch Nichts werden könne, sagten und schrieben fast Alle einstimmig und mit großem Eifer. In Dem also, was ungereimt war, trieb sie der Teufel zusammen; in nützlichen Dingen aber, wenn sie auch nur räthselbaft Etwas gefunden zu haben wähnten, bekämpften sie sich einander, wie z. B. daß die Seele unsterblich sei, daß die Tugend keines äussern Dinges bedürfe, daß es nicht von zwingender Nothwendigkeit und nicht vom Schicksal abhänge, ob man tugendhaft oder lasterhaft werde.


V.

Siehst du die Bosheit des Teufels? Wo immer er merkte, daß sie etwas Scklechtes behaupteten, da bewirkte er, daß sie alle übereinstimmten; wo er aber sah, daß sie etwas Gesundes lehrten, da hetzte er sie gegen einander, damit das Unvernünftige, durch Übereinstimmung bekräftigt, bestehen, das Nützliche aber durch die Verschiedenheit der Meinungen zerfallen sollte. Siehe da, wie die Seele überall schwach ist und sich allein nicht genügt! Das ist aber mit Recht so geschehen; denn woferne sie in dem Zustande, in dem sie geschaffen ist, dennoch darauf besteht, daß sie keines Andern bedürfe, und sich so von Gott abzieht: in welchen Wahnsinn würde sie nicht verfallen sein, wenn sie nicht so geschaffen wäre! Wenn sie, mit einem sterblichen Leibe versehen, von der lügenhaften Verheissung des Teufels viel Größeres erwartete („denn ihr werdet wie die Götter sein,“99 sprach er): wie tief würde sie nicht gesunken sein, hätte sie gleich Anfangs einen unsterblichen Leib erhalten! Denn selbst nach Diesem behauptete sie durch den stinkenden Mund der Manichäer, sie sei unerschaffen und aus dem Wesen der Gottheit; und aus diesem Irrwahne bildete sie auch bei den Heiden die Götter. Deßwegen, scheint mir, habe Gott die Tugend mühsam gemacht, um die Seele zu lenken und zur Bescheidenheit zu führen. Und damit du einsehest, daß Dieses wahr sei, so wollen wir, — um Grösseres aus Kleinerem zu beurtheilen — Dieses von den Israeliten lernen. Als diese ein bequemes und ruhiges Leben führten, konnten sie Ihr Glück nicht ertragen und verfielen in Gottlosigkeit. Was that nun Gott? Er legte ihnen eine Menge Gesetze auf, um ihre Ausgelassenheit zu zügeln. Und damit du lernest, daß diese Satzungen nicht etwa Tugend bezweckten, sondern ihnen nur als Zaum gegeben waren, und um sie in Thätigkeit zu erhalten, so höre, was der Propbet darüber sagt: „Ich gab ihnen Gebote, die nicht gut waren.“ Was heißt das: die nicht gut waren? Solche, welche zur Tugend nicht viel beitrugen. Darum sagt er ferner: „Rechte, durch die sie nicht leben konnten.“100 „Freilich nimmt der natürliche (sinnliche) Mensch Das nicht auf, was vom Geiste kommt.“ Ganz richtig; denn wie mit diesen Augen Niemand schauen kann, was im Himmel ist, ebenso wenig kann auch die Seele für sich allein begreifen, was des Geistes ist. Doch was rede ich von Dem, was im Himmel ist? Wir sehen nicht einmal Alles, was auf Erden ist. Denn sehen wir in der Ferne einen viereckigen Thurm, so halten wir ihn für rund. Diese Meinung ist aber eine optische Täuschung. Ebenso würde man sich höchst lächerlich machen, wollte man Dinge, die weit von uns abliegen, mit dem bloßen Verstande prüfen. Denn man würde die Dinge nicht nur nicht sehen, wie sie sind, sondern sie sogar für das Gegentheil von Dem, was sie sind, halten. Darum fügt er bei: „Denn ihm ist es Thorheit;“ nicht wegen der Natur der Sache, sondern wegen der Schwachheit Desjenigen, der ihre Größe durch den Blick der Seele nicht erreichen kann. Darauf gibt er auch die Ursache davon an mit den Worten: „Und er faßt es nicht, weil es nur geistig gefaßt werden kann;“ d. h. es wird Glauben dazu erfordert, und durch Vernunftgründe läßt es sich nicht begreifen; denn die Große desselben geht weit über die Grenzen unseres schwachen Verstandes. Darum sagt er:

15. Der Geistige aber beurtheilt Alles, er selbst aber wird von Niemandem beurtheilt.

Wer das Augenlicht hat, der sieht selber Alles, selbst Das, was einem Blinden gehört; kein Blinder aber sieht Das, was des Andern ist. So kennen wir jetzt genau sowohl unsere Lage als die der Heiden, diese aber kennen die unsrige nicht; denn wir kennen die Natur der gegenwärtigen und den Werth der zukünftigen Dinge, wir wissen, was dann aus dieser Welt werden wird, welche Strafe die Sünder erleiden und welche Belohnung die Gerechten empfangen werden; wir wissen und sind überzeugt, daß die gegenwärtigen Dinge nichtig und hinfällig, die zukünftigen aber ewig und unwandelbar seien. Dieß alles weiß der Geistige; er weiß auch, welche Strafe nach seinem Tode auf den Sinnlichen, welche Belohnung nach seinem Hinscheiden auf den Gläubigen warte. Davon aber weiß der Sinnliche Nichts. Darum spricht der Apostel, indem er das Gesagte klar beweist:

16. Denn wer kennt den Sinn des Herrn, daß er ihn belehren könnte? Wir aber haben Christi Sinn.

Das heißt: Wir wissen, was Christus im Sinne hat, und was er will. Das hat er auch geoffenbart. Da, er gesagt hatte, daß es uns der Geist geoffenbart habe, so fügt er, damit Niemand den Sohn ausschließe, hinzu, daß auch Christus Dieses gezeigt habe, womit er aber nicht sagen will, daß wir Alles wissen, was Christus weiß, sondern daß Alles, wäs wir wissen, nicht menschlich und somit zweifelhaft, sondern nach Christi Sinn und geistig sei.


VI.

Denn die Ansicht, die wir hierüber haben, haben wir von Christus erlangt, d. h. die Kenntniß, die wir in Glaubenssachen haben, ist eine geistige Kenntniß, so daß wir also mit Uecht von Niemandem beurtheilt werden können, denn unmöglich kann ein sinnlicher (natürlicher) Mensch das Göttliche kennen. Darum sprach auch der Apostel: „Wer kennt den Sinn des Herrn?“ womit er sagt, daß unsere Begriffe bezüglich jener Dinge Christi Sinn erreichen. Auch jenes: „daß er ihn belehren könnte“ setzt er nicht umsonst bei, sondern mit Rücksicht auf das schön Gesagte, nämlich daß Keiner den Geistigen beurtheilen könne; denn wenn schon Niemand den Sinn Gottes wissen kann, um so viel weniger wird Jemand denselben zu belehren und zu lenken vermögen. Das heissen die Worte: „daß er ihn belehren könnte.“

Siehst du, wie er die weltliche Weisheit von allen Seiten zurückweist und zeigt, daß die geistige mehr wisse und erhabener sei? Da nun jene Gründe, nämlich: „daß kein Sterblicher sich rühmen könne; daß Gott die Thoren erwählt habe, um die Weisen zu beschämen; und damit das Kreuz Christi seiner Kraft nicht beraubt werde,“ — den Ungläubigen nicht sehr glaubwürdig und weder anziehend noch nothwendig und nützlich zu sein schienen, so führt er jetzt die allerwichtigste Ursache an, nämlich daß wir auf diese Weise die beste Einsicht gewinnen, indem wir so auch das Erhabene, das Geheimnißvolle, und was über unsere Begriffe geht, zu erreichen vermögen. Denn die Vernunft erschien kraftlos, da wir die Dinge, die unsern Verstand übersteigen, durch die weltliche Weisheit nicht zu erfassen vermochten. Siehst du, daß es ersprießlicher war, von dem Geiste zu lernen? Denn dieser Unterricht ist der leichteste und zugleich klarste: „Wir aber haben Christi Sinn“ d. h. einen geistigen, göttlichen Sinn, der nichts Menschliches an sich trägt. Denn es ist nicht des Platon und des Pythagoras Weisheit, sondern Christus hat das Seinige unserem Verständnisse zugänglich gemacht. Diese Weisheit also, Geliebte, wollen wir in Ehren halten und einen ganz untadeligen Wandel führen; denn er selber macht Dieß zum Zeichen einer großen Liebe, indem er spricht: „Ich nenne euch nicht mehr Knechte, sondern Freunde; denn ihr seid alle meine Freunde, weil ich Alles, was ich von meinem Vater hörte, euch bekannt gemacht d. h. euch anvertraut habe.“101 Wenn nun schon das bloße Anvertrauen ein Beweis der Freundschaft ist, so bedenke, welch’ eine Liebe Das ist, daß er ihnen die Geheimnisse nicht nur mit Worten anvertraut, sondern uns eben dieselben wirklich geschenkt hat! Diese also laßt uns in Ehren halten! Und wenn wir uns auch vor der Hölle nicht gar so sehr fürchten, so sei uns Dieses fürchterlicher als die Hölle, daß wir gegen einen solchen Freund und Wohlthäter unerkenntlich und undankbar sind: nicht wie Lohnknechte, sondern wie Söhne und Freie laßt uns Alles thun wegen der Freundschaft des Vaters und doch einmal aufhören, uns an das Irdische zu klammern, damit wir auch die Heiden beschämen. Denn eben jetzt, da ich sie wieder bekämpfen will, besorge ich, wir möchten uns, ungeachtet wir sie durch Gründe und die Wahrheit der Lehre besiegen, dennoch bei ihnen höchst lächerlich machen, wenn man unsern Wandel mit der Lehre vergleicht, da sie, im Irrthum befangen und ohne diese Überzeugung, an einem vernünftigen Wandel festhalten, wir aber ganz das Gegentheil thun. Jedoch, ich will immerhin sprechen; vielleicht, ja vielleicht werden wir, indem wir sie mit Worten zu bekämpfen suchen, uns bestreben, sie auch in Bezug auf den Lebenswandel zu übertreffen.

Ich habe neulich gesagt, es hätte den Aposteln nie in den Sinn kommen können zu predigen, was sie wirklich geprediget haben, wenn sie sich nicht einer göttlichen Gnade erfreut hätten, ja sie hätten nicht einmal einen solchen Plan fassen, geschweige denn ihn ausführen können. Wohlan denn, wir wollen heute diesen Gegenstand wieder vornehmen und zeigen, daß sie ohne den Beistand Christi Dieses unmöglich denken und beschließen konnten: nicht, weil sie als Schwache gegen Mächtige, als ein kleines Häuflein gegen Viele, als Arme gegen Reiche, als Unwissende gegen Weltweise zu kämpfen hatten, sondern weil die Macht des Vorurtheils groß war. Denn ihr wisset, daß bei den Menschen Nichts so mächtig ist als die Tyrannei alter Gewohnheit. Wenn sie auch nicht bloß zwölf, nicht bloß so unansehnliche Menschen, wie sie es in der That waren, gewesen wären, sondern eine ganz andere Welt vor sich und eine zahlreiche und ihren Gegnern überlegene Partei gehabt hätten, so wäre es dennoch ein schwieriges Unternehmen gewesen. Denn jenen stand das alte Herkommen zur Seite, diesen die Neuheit entgegen: Nichts verwirrt die Seele so sehr, als das Neue und Fremde, selbst wenn es Gutes bezweckt, zumal wenn es die Religion und Gottesverehrung betrifft. Ehe ich euch zeige, wie groß die Macht einer solchen Gewohnheit sei, muß ich noch von einer andern Schwierigkeit reden, die ihnen von Seite der Juden entgegenstand. Bei den Griechen stürzten sie nämlich die Götter und die ganze Götterlehre; bei den Juden aber verfuhren sie nicht so, sondern da schafften sie wohl viele Lehren ab, geboten aber den Gott, der das Gesetz gegeben hatte, anzubeten. Und während sie nun lehrten, daß man den Gesetzgeber ehren müsse, fassten sie aber auch: „Du sollst dem Gesetze, das er gegeben, nicht in Allem gehorchen,“ z. B. in Betreff der Sabbatsfeier, der Beschneidung, der Opfer und ähnlicher Gebräuche. Daber standen ihnen nicht nur die Opfer im Wege, sondern auch der Umstand, daß sie Gott anzubeten befahlen, aber viele seiner Gesetze zu übertreten lehrten. Bei den Heiden aber war die Tyrannei der Gewohnheit mächtig.


VII.

Hätten die Apostel auch nur eine Gewohnheit von zehn Jahren, geschweige von so langer Zeit her, und hätten sie nur wenige Menschen und nicht die ganze Welt gegen sich gehabt: so war die Umwandlung dennoch gar schwierig. Nun aber waren Sophisten und Redner, Väter, Großväter und Urahnen von undenklichen Zeiten her, Land und Meer, Berge und Thäler und alle Geschlechter der Barbaren und alle Stämme der Griechen, Weise und Ungelehrte, Herrscher und Unterthanen, Männer und Weiber, Jünglinge und Greise, Herren und Sklaven, Bauern und Handwerker, Städtebewohner und Landleute — Alle waren in diesem Irrthum befangen. Man hätte denken sollen, die Katechumenen würden zu den Aposteln gesagt haben: „Was ist doch Das? Sind denn die Bewohner der ganzen Wett betrogen? Sophisten und Rhetoren, Philosophen und Geschichtschreiber dieser und der verflossenen Zeit — ein Pythagoras, ein Platon, Feldherren, Konsuln und Könige, Bewohner und Gründer uralter Städte, Barbaren und Griechen? Und sind denn diese zwölf Fischer, Zeltmacher und Zöllner weiser als Diese alle? Wer sollte denn Dieses ertragen?“ Und doch sprachen und dachten sie nicht so, sondern hörten den Unterricht an und erkannten, daß die Apostel weiser seien als Alle: darum siegten sie auch über sie. Und damit du einsehest, wie groß die Macht der Gewohnheit sei, so bedenke, daß sie oft über die Befehle Gottes, ja was sage ich über die Befehle, ja sogar über seine Wohlthaten die Oberhand behauptet. Denn als die Juden Manna hatten, verlangten sie Knoblauch, und als sie der Freiheit genoßen, gedachten sie der Sklaverei und sehnten sich, ob der Gewohnheit, immer wieder nach Ägypten: so tyrannisch ist die Gewohnheit. Willst du ihre Macht auch bei den Heiden kennen lernen, so höre, was man von Platon erzählt: obgleich er wohl wußte, daß die Götterlehre Irrthum sei, so ließ er sich doch zu den Festen und zu allem Übrigen herbei, weil er die Gewohnheit nicht zu bekämpfen vermochte und Dieß durch die Erfahrung an seinem Lehrer erprobt hatte. Denn als dieser wegen einer ähnlichen Neuerung in Verdacht gekommen war, so verlor er das Leben, obgleich er sich durch eine Schutzrede zu vertheidigen suchte: weit gefehlt, daß ihm sein Unternehmen gelang. Wie viele Menschen sehen wir auch jetzt noch durch Vorurtheil im Heidenthume zurückgehalten, und die, wenn man sie darüber zur Rede stellt, keinen vernünftigen Grund anführen können, sondern sich nur auf ihre Väter und Großväter berufen! Darum haben auch Einige aus den heidnischen Schriftstellern die Gewohnheit eine zweite Natur genannt. Betrifft aber die Gewohnheit die Religion, so ist sie um so stärker; denn Alles läßt sich leichter umstoßen als Religionsgebräuche. Nebst der Gewohnheit war aber auch noch die Scham ein großes Hinderniß und der Schein, daß man in seinem Alter und sogar von Unwissenden sich eines Bessern müsse belehren lassen. Und was Wunder, wenn Dieses in Betreff des Geistes geschah, da die Gewohnheit sogar auf den Körper einen mächtigen Einfluß ausübt!

Zur Zeit der Apostel gesellte sich noch ein anderes mächtiges Hinderniß dazu, daß sie nämlich nicht nur eine uralte Gewohnheit umstürzten, sondern daß dieser Umsturz auch mit Gefahren verknüpft war. Denn sie zogen die Zuhörer nicht von einer Gewohnheit zu einer andern, sondern von einer mit Sicherheit verbundenen Gewohnheit zu Dingen, welche Gefahren drohten. Denn wer da glaubte, mußte alsbald Einziehung der Güter, Verfolgung Verbannung aus dem Vaterlande erwarten, das Schrecklichste ertragen, von Allen gehaßt, von Angehörigen und Fremden als gemeinsamer Feind angesehen werden. Hätten sie die Menschen vom Neuen zur alten Gewohnheit gerufen, so wäre Das schon eine schwierige Sache gewesen; da sie nun aber dieselben von dem Gewohnten zum Neuen beriefen und dieses Schreckliche noch dazu kam, so kannst du dir denken, wie groß dieses Hinderniß war. Zu dem Gesagten trat aber noch ein anderer ebenso wichtiger Umstand, wodurch die Veränderung erschwert wurde. Nebst der Macht der Gewohnheit und nebst den Gefahren waren auch die Forderungen, die sie an die Menschen stellten, strenger, hingegen die Satzungen der Religion, von der sie dieselben abzogen, einfach und leicht. Denn sie riefen dieselben von der Unzucht zur Keuschheit, von der Trunksucht zur Nüchternheit, vom Lachen zu Thränen und zur Buße, von der Habsucht zur Armuth, von der Lebenslust zum Tode, von der Sicherheit zu den Gefahren, und sie forderten in Allem die größte Lebensstrenge; denn Paulus spricht: „Schamloses und thörichtes Gerede und Possen sollen nicht aus eurem Munde kommen.“102 Und Das sprach der Apostel zu Denen, die nichts Anderes kannten, als sich zu berauschen und zu schmausen, und welche Feste feierten, die in nichts Anderem bestanden als in unanständigen Dingen, in Gelächter und allerlei Possen. Es war also die Lehre, die da vorgetragen wurde, nicht allein darum schwer, weit sie strenge war, sondern auch, weil sie Leuten geprediget wurde, die von Jugend auf an Ungebundenheit, an Schamlosigkeit, an Zoten, Gelächter und Possen gewohnt waren. Wer von Denen, die ein solches Leben führten, mußte nicht zurückgeschreckt werden, wenn er hörte: „Wer sein Kreuz nicht auf sich nimmt und mir nachfolgt. Der ist meiner nicht werth;“103 und: „Ich bin nicht gekommen, den Frieden zu bringen, sondern das Schwert, und den Sohn mit seinem Vater und die Tochter mit ihrer Mutter zu entzweien?“104


VIII.

Und wer mußte nicht wanken, nicht widerstreben, wenn er hörte: „Wer Haus und Heimath, Hab’ und Gut nicht verläßt, ist meiner nicht werth?“105 Allein sie wurden nicht nur nicht abgeschreckt, wiesen Das, was sie hörten, nicht nur nicht ab, sondern eilten herbei, stürzten sich in die Gefahren und beeiferten sich, diese Vorschriften zu erfüllen. Welchen der damaligen Zeitgenossen sollte es nicht abschrecken, wenn er den Ausspruch hörte, daß wir von jedem unnützen Worte werden Rechenschaft ablegen müssen; und: daß, wer ein Weib ansieht mit sinnlicher Begierde, mit Ihr einen Ehebruch begangen hat;106 und: daß, wer ohne Grund zürnet, der Hölle verfallt?107 Und doch eilten Alle berbei, und Viele thaten sogar mehr, als geboten war.108 Was zog sie also an? War es nicht offenbar die Kraft des Verkündeten? Wäre Das nicht so gewesen, sondern das Gegentheil, und wären die Apostel an der Stelle der Heiden, und diese an der Stelle jener gewesen: war es da leicht, die Widerstrebenden zu gewinnen und festzuhalten? Das läßt sich wohl nicht behaupten.

Daher leuchtet aus Allem hervor, daß da eine göttliche Kraft gewirkt hat; denn sage mir, wodurch sonst konnten sie die trägen, in Wollust zerfließenden Menschen für das harte und strenge Leben gewinnen? „Aber vielleicht war die Lehre darnach angethan?“ Schauen wir einmal, ob die Lehre etwas Anziehendes hatte. Ja diese allein genügte schon, die Ungläubigen zurückzuschrecken. Denn was lehrten die Verkünder des Evangeliums? Daß man den Gekreuzigten anbeten und den von einem jüdischen Weibe Gebornen für Gott halten müsse. Wer würde ihnen wohl geglaubt baben, wenn nicht eine göttliche Kraft vorausgegangen wäre? Denn daß er gekreuzigt und begraben worden, hatten Alle gesehen; daß er aber auferstanden und gen Himmel gefahren, hatte ausser den Aposteln Niemand gesehen.

„Allein“, heißt es, „sie rissen die Menschen durch ihre Verheissungen hin und täuschten sie durch erhabene Worte.“ Gerade Das aber zeigt am meisten, daß unser Glaube keine Täuschung ist; denn hienieden brachte er alles Unangenehme mit sich, das Angenehme aber verhieß er erst nach der Auferstehung; somit, ich wiederhole es noch einmal, beweist eben Dieses, daß unsere Lehre göttlich ist. Denn warum sagte denn Keiner der Glaubenden: „Ich stimme nicht bei, ich kann Das nicht annehmen: die Leiden drohst du mir hier auf Erden, und das Gute verheissest du mir nach der Auferstehung? Woher kann ich denn erkennen, daß es eine Auferstehung geben wird? Wer von den Abgeschiedenen ist denn zurückgekommen? Wer von den Begrabenen ist denn auferstanden? Wer von ihnen hat denn gesagt, was nach dem Hinscheiden geschieht?“ Aber sie dachten an nichts Dergleichen und gaben selbst ihr Leben für den Gekreuzigten hin. Also gerade Das war ein Beweis einer großen Kraft, Menschen, welche nie etwas Solches gehört hatten, von so erhabenen Dingen zu überzeugen und sie zu vermögen, daß sie das Unangenehme wirklich ertrugen, das Gute aber erst abwarteten. Hätten die Apostel täuschen wollen, so würden sie würden das Gute als etwas hier zu Genießendes verheissen und das Schreckliche, sowohl das gegenwärtige als das zukünftige, mit Stillschweigen übergangen haben. Denn so machen es die Betrüger und Schmeichler: nichts Hartes, nichts Lästiges, nichts Beschwerliches stellen sie vor. Das ist dann Täuschung.

„Aber“, heißt es, „die Thorheit des großen Haufens war Ursache, daß man ihren Worten Glauben schenkte.“ Was sagst du? Waren sie, solange sie unter den Heiden lebten, keine Thoren, und sind sie erst Thoren geworden, als sie zu uns übergingen? Nahmen ja doch die Apostel keine andern Menschen, und aus keiner andern Welt her, um sie zu belehren. In der heidnischen Religion konnten sie ruhig fortleben; die unsrige aber nahmen sie mit Gefahr an; hätten sie also für die Beibehaltung der heidnischen triftigere Gründe gehabt, so würden sie, nachdem sie so lange darin gelebt, dieselbe nicht verlassen baben, besonders da der Abfall nicht ohne Gefahr war. Weil sie aber aus der Natur der Sache erkannten, daß jene falsch und lächerlich sei, darum verließen sie, auch mit Todesgefahr, das Gewohnte und gingen zum Neuen über, da dessen Lehren naturgemäß sind, jene hingegen widernatürlich.

„Aber Diejenigen, welche von den Apostel überzeugt wurden,“ heißt es, „waren Sklaven, Weiber, Ammen, Wehmütter, Eunuchen.“ Für’s Erste ist es Allen bekannt, daß die Kirche nicht bloß aus Solchen bestand. Wäre aber Das auch der Fall gewesen, so würde auch Dieses wieder die wunderbare Kraft der Predigt besonders beweisen, da die unwissendste Menschenklasse durch die Fischer auf einmal zur Annahme solcher Lehren überredet werden konnte, welche Platon und seine Zeitgenossen nicht zu ergründen vermochten. Es wäre nicht so wunderbar gewesen, wenn sie nur gebildete Leute überzeugt hätten: dadurch aber, daß sie Sklaven, Ammen und Eunuchen zu einer solchen Reinheit des Wandels führten, daß sie mit den Engeln wetteiferten, lieferten sie den stärksten Beweis von der Mitwirkung des göttlichen Geistes. Denn hätten sie ihnen nur etwas Leichtes vorgeschrieben, so dürfte man wohl denken, ihre Überredungsgabe hätte zur Empfehlung des Gesagten beigetragen; da sie aber wichtige, erhabene und fast übermenschliche Lehren, die einen hohen Geist erfordern, vortrugen, so folgt daraus, daß die Überredenden um so weiser und voll der göttlichen Gnade gewesen, je größer die Thorheit der Glaubenden war.

„Aber“, wendet man ein, „die Apostel überredeten sie durch die Größe der Verheissungen.“ Sage mir, wundert dich nicht gerade Das, wie sie doch Jene zu bereden vermochten, den Kampfpreis und die Belohnungen erst nach dem Tode zu erwarten? Ich einmal staune eben hierüber.

„Auch Das geschah“, heißt es, „aus Thorheit.“ Sage mir: welche Thorheit enthalten denn diese Lehren: daß die Seele unsterblich ist, daß ein unerbittliches Gericht nach diesem Leben auf uns wartet, daß wir vor Gott, der das Verborgene durchschaut, werden Rechenschaft ablegen müssen über Gedanken, Worte und Werke, daß wir sehen werden, wie die Bösen bestraft, die Guten hingegen belohnt werden? Darin liegt keine Thorheit, sondern die größte Weisheit.


IX.

Und ist nicht eben Das hohe Weisheit: — das Gegenwärtige verachten, die Tugend hochschätzen, den Lohn nicht hienieden suchen, sondern seine Hoffnungen höher erheben, eine solche Seelenstärke und Festigkeit des Glaubens besitzen, daß man durch kein Übel dieses Lebens in der Hoffnung des zukünftigen wankend werde?

Willst du aber die Kraft der Verheissungen und Weissagungen und die Wahrheit Dessen, was geschehen ist, und was noch erst geschehen soll, kennen lernen? Betrachte, wie Alles vom Anfange an gleich einer goldenen Kette mannigfach in einander geschlungen erscheint. Christus sagte den Aposteln Manches über seine eigne Person, über die Kirche, über zukünftige Dinge, und da er Dieses sagte, wirkte er auch Wunder. Aus der Erfüllung jener Vorhersagungen ist somit offenbar, daß auch die Wunder und die künftigen Verheissungen wahr sind. Damit das Gesagte noch deutlicher werde, will ich es aus der Sache selber erläutern. Durch ein einziges einfaches Wort erweckte er den Lazarus und stellte ihn den Anwesenden lebendig vor Augen; wiederum sagte er: „Die Pforten der Hölle werden die Kirche nicht überwältigen;“ und: „Wer Vater oder Mutter verläßt, wird es in dieser Welt, hundertfältig wieder erhalten und das ewige Leben erben.“109 Da ist nun ein Wunder, die Auferweckung des Lazarus, aber zwei Vorhersagungen, wovon die eine in diesem, die andere im zukünftigen Leben erfüllt wird. Nun sieh’, wie das Eine durch das Andere bestätiget wird! Wollte nämlich Jemand an der Auferstehung des Lazarus zweifeln, so soll ihm das Wunder glaubwürdig werden aus der Verheissung in Betreff der Kirche. Denn was vor so langer Zeit vorausgesagt worden, ist eingetroffen und in Erfüllung gegangen: denn die Pforten der Hölle haben die Kirche nicht überwältigt. Derjenige nun, der bei dieser Verheissung die Wahrheit gesprochen, hat nun offenbar auch jenes Wunder gewirkt. Und wenn er Wunder gewirkt und seine Verheissung erfüllt hat, so ist offenbar, daß er auch Wahrhaft ist in der Verheissung des Zukünftigen, da er sagt, daß, „wer das Gegenwärtige verachtet, es hundertfach wieder erhalten und das ewige Leben erben werde.“ Denn was schon verheissen und in Erfüllung gegangen, ist das sicherste Unterpfand, daß auch das Zukünftige werde erfüllt werden. Dieß alles und Ähnliches wollen wir aus den Evangelien sammeln, damit den Heiden antworten und ihnen den Mund stopfen.

Wenn aber Jemand die Frage aufwerfen sollte, warum denn der Irrthum nicht gänzlich vertilgt worden sei, so können wir antworten: Daran seid ihr selbst Schuld, da ihr euch euerem eigenen Heil widersetzet; denn Gott hatte die Sache so eingerichtet, daß keine Spur des Heidenthums mehr übrig bleiben sollte. — Laßt uns nun das Gesagte nochmal kurz wiederholen. Was ist also natürlicher: daß die Schwachen von den Starken besiegt werden, oder das Gegentheil? Welche siegen denn eher, die da Leichtes oder die Schweres gebieten? die zu einer gefahrvollen, oder die zu einer gefahrlosen Religion hinüberziehen? die, welche Neuerungen einführen, oder die, welche das Gewohnte festhalten? die, welche einen rauhen, oder die, welche einen bequemen Weg vorschreiben? die, welche von der Religion der Väter abziehen, oder die, welche keine neuen Gesetze einführen? die, welche alles Gute erst nach dem Tode versprechen, oder die, welche es in diesem Leben verheissen? Siegt die größere Anzahl über die Wenigen, oder umgekehrt? — „Aber auch ihr“, heißt es, „habt ja Verheißungen für das gegenwärtige Leben.“ Was haben wir denn hier für Verheissungen? Die Vergebung der Sünden und das Bad der Wiedergeburt. Jedoch die Taufe zeigt erst im zukünftigen Leben ganz besonders ihre Vortheile; auch Paulus ruft aus: „Ihr feid abgestorben, und euer Leben ist mit Christo verborgen bei Gott. Wenn aber euer Leben erscheinen wird, dann werdet auch ihr mit ihm in Herrlichkeit erscheinen.“110 Wenn aber die Taufe auch hier schon Gutes mit sich bringt, wie sie es thatsächlich thut, so ist auch Das ein Beweis eines großen Wunders, daß sie Menschen, welche zahllose Missethaten begangen und darin ihres Gleichen nicht hatten, überreden konnten, daß ihnen Alles erlassen sei und für sie keines ihrer Vergehen mehr Rechenschaft zu geben haben würden. Sie verdienen daher gerade darum die höchste Bewunderung, daß sie Barbaren bewogen, einen solchen Glauben anzunehmen, in Betreff der zukünftigen Dinge gute Hoffnungen zu hegen und dann nach Ablegung der frühern Sündenlast um der Tugend willen sich freudigen Muthes den Mühseligkeiten zu unterziehen; daß diese (Barbaren) nicht mehr an sinnlichen Dingen hangend und über alles Körperliche erhaben die geistigen Gaben empfingen, und daß Perser, Sarmaten, Mauren und Inder mit der Lehre von der Reinigung der Seele, von der Kraft Gottes und seiner unaussprechlichen Güte, mit der Philosophie des Glaubens, der Herabkunft des Heiligen Geistes, der Auferstehung der Leiber und vom ewigen Leben bekannt wurden. Denn in allen diesen Lehren und in noch mehreren unterrichteten die Fischer die barbarischen Völker bei ihrer Einweihung durch die Taufe. Dieß alles wollen wir daher genau behalten und den Heiden zur Antwort geben, nebstdem aber auch durch unsern Wandel die Sache beweisen, damit einerseits wir gerettet werden, andererseits aber auch Jene heranziehen zur Verherrlichung Gottes; denn ihm gebührt die Ehre in Ewigkeit. Amen.

Homilien über den ersten Brief an die Korinther

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