Читать книгу Homilien über den ersten Brief an die Korinther - Johannes Chrysostomos - Страница 14

Neunte Homilie.

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I.

12. 13. 14. 15. Wenn nun Jemand auf diesen Grund fortbauet, Gold, Silber, kostbare Steine, Holz, Heu, Stoppeln, so wird eines Jeden Werk offenbar werden; denn der Tag (des Herrn) wird es zeigen; die Feuerprobe wird entscheiden, wie eines Jeden Werk beschaffen ist. Hat das Werk, das Jemand darauf gebaut hat, Bestand, so wird er Lohn erhalten; geht aber Jemandens Werk in Feuer auf, so wird er Schaden leiden; er selbst wird wohl gerettet werden, doch nur wie durch das Feuer.

I. Nicht unbedeutend für uns ist der vorliegende Gegenstand; er gehört vielmehr unter die allerwichtigsten Fragen, die alle Menschen stellen: ob das Feuer der Hölle ein Ende nehme. Daß es kein Ende nimmt, hat Christus ausgesprochen mit den Worten: „Ihr Feuer wird nicht erlöschen, und ihr Wurm nicht sterben.“133 Ich weiß zwar, daß euch diese Worte erschrecken; aber was soll ich thun? Denn Gott befiehlt, Dieß ohne Unterlaß zu predigen, indem er spricht: „Verkünde diesem Volke!“ Wir aber sind als Diener des Wortes aufgestellt und müssen nothwendiger Weise, wiewohl ungerne, den Zuhörern lästig fallen. Jedoch wenn ihr wollt, so werden wir euch nicht lästig sein; „denn,“ heißt es, „thust du, was recht ist, so fürchte nicht!“134 Ihr könnt uns also nicht nur ohne Abneigung, sondern auch mit Vergnügen anhören.

Daß jenes Feuer kein Ende nehme, hat Christus selbst ausgesprochen, sowie auch Paulus zeigt, daß die Strafe ewig sei, indem er sagt, daß die Sünder „Strafe und ewiges Elend erleiden werden“;135 und wieder: „Täuschet euch nicht! Weder Hurer noch Ehebrecher noch Weichlinge werden das Himmelreich besitzen.“136 Und zu den Hebräern spricht er: „Strebet nach Frieden mit Allen und nach der Heiligkeit, ohne welche Niemand den Herrn sehen wird.“137 Auch Christus spricht zu Denjenigen, welche da sagten: „In deinem Namen haben wir viele Wunder gewirkt:“ „Weg von mir, ihr Übelthäter, ich kenne euch nicht.“138 So wurden auch die Jungfrauen ausgeschlossen und nicht eingelassen; und von Denjenigen, die ihn nicht gespeist, sagt der Herr: „Sie werden der ewigen Strafe verfallen.“139 Sage mir nicht: Wie wird denn aber auf die Gerechtigkeit Rücksicht genommen, wenn die Strafe kein Ende nimmt? Denn wenn Gott Etwas thut, so gehorche seinem Ausspruch und unterwirf die Worte nicht menschlichen Spitzfindigkeiten. Wie sollte es übrigens ungerecht sein, wenn Derjenige, welcher Anfangs zahllose Wohlthaten empfing dann aber strafwürdig handelt und sich weder durch Drohungen noch Wohlthaten bessern läßt, der Strafe verfällt? Wenn du nach dem Rechte fragst, so hätten wir nach Recht und Billigkeit gleich Anfangs zu Grunde gehen müssen; ja es wäre auch damals nicht bloß recht und billig gewesen, wenn uns Das begegnet wäre: es wäre sogar ein Zeichen der Liebe gewesen; denn wenn Jemand einen Andern beschimpft, der ihm Nichts zu Leide gethan, so ist es ganz recht, daß er bestraft werde. Wenn aber Jemand den Wohlthäter, dem er nie etwas Gutes gethan, der aber ihm unzählige Gutthaten erwiesen, und welcher der einzige Grund seines Daseins und Gott ist, der ihm das Leben gegeben und die Seele eingehaucht und tausend Gnaden erzeigt hat und ihn in den Himmel aufnehmen will, — wenn Jemand diesen nach so großen Wohlthaten nicht nur beschimpfte, sondern ihn auch Tag für Tag durch seine Werke verhöhnte: welcher Verzeihung wär’ er wohl würdig? Siehst du nicht, wie Gott den Adam wegen einer einzigen Sünde bestraft hat? „Ja“, sagst du, „Diesem hatte er das Paradies gegeben und große Liebe erwiesen.“ Und dennoch ist es nicht gleich, im Glücke zu sündigen oder dieses mitten in großem Unglück zu thun. Darin liegt das Schlimme, daß du nicht im Paradiese sündigest, sondern umgeben von tausendfachen Drangsalen des gegenwärtigen Lebens, und daß du dich durch dieses Unglück dennoch nicht besserst, gerade so, als ob ein Gefesselter noch Missethaten verübte. Dir aber hat Gott Größeres versprochen als das Paradies, aber es dir noch nicht gegeben, auf daß du in der Zeit des Kampfes nicht sorglos werdest; doch hat er es dir auch nicht verborgen, damit du den Mühsalen nicht erliegest. Adam hat nur eine Sünde begangen und dadurch den Tod über Alle gebracht; wir aber begehen täglich zahllose Sünden. Wenn nun Jener durch eine einzige Sünde sich ein so großes Übel zugezogen und den Tod (in die Welt) gebracht hat: was werden wir nicht zu leiden haben, die wir beständig in Sünden leben und statt des Paradieses den Himmel erwarten? Diese Rede ist hart und betrübt die Zuhörer; Das weiß ich aus Dem, was ich selber fühle; denn mein Herz ist unruhig und bebt; und je mehr ich einsehe, daß die Lehre von der Hölle gegründet ist, desto mehr ergreift mich Furcht und Zittern. Allein es ist nothwendig, Dieses zu sagen, damit wir nicht in die Hölle kommen. Du erhältst nicht das Paradies, nicht Bäume, nicht Pflanzen, sondern den Himmel und himmlische Güter. Wenn nun Derjenige, welcher weniger empfangen hat, ohne Schonung verurtheilt wurde, um so mehr werden wir, die wir mehr gesündiget haben und zu höhern Gütern berufen sind, die härteste Strafe erdulden. Bedenke nun, wie lange unser Geschlecht wegen einer Sünde dem Tode unterworfen ist. Mehr als fünftausend Jahre sind verflossen, und der Tod hat noch nicht aufgehört wegen der einen Sünde. Auch können wir nicht sagen, daß Adam die Propheten gehört, daß er Andere vor sich gehabt, die wegen ihrer Sünden gestraft worden, und daß er dadurch abgeschreckt und durch dieses Beispiel hätte klüger werden sollen: er war damals der Erste und allein, und dennoch wurde er gestraft; du aber kannst nichts Ähnliches vorschützen, da du nach so vielen Beispielen schlimmer geworden, da du, eines solchen Geistes gewürdigt, nicht nur einer, zweier oder dreier, sondern unzähliger Sünden dich schuldig gemacht hast.

Darauf darfst du nicht sehen, daß die Sünden in ganz kurzer Zeit begangen werden, und darfst nicht wähnen, es werde darum auch die Strafe nur kurze Zeit dauern. Siehst du nicht, daß oft Menschen wegen eines Diebstahls, eines Ehebruches, wegen eines kurzen Frevels — ihr ganzes Leben in Gefängnissen und in Bergwerken — stets mit Hunger und tausendfachem Tode kämpfend — zubringen müssen? Und Niemand befreit sie, Niemand sagt, das Verbrechen sei nur augenblicklich gewesen, und deßwegen dürfe die Strafe auch nur so lange dauern als der Frevel.


II.

Ja, sagst du, so geht es bei den Menschen; aber Gott ist ja barmherzig. Nun, nicht einmal die Menschen strafen so aus Grausamkeit, sondern aus Liebe; und auch Gott, obgleich er barmherzig ist; denn groß wie seine Barmherzigkeit ist auch seine Gerechtigkeit. Sagst du also, daß gütig sei, so sprichst du eben dadurch einen triftigern Grund zu unserer Bestrafung aus, weil wir uns gegen einen solchen Herrn versündigen. Darum spricht auch Paulus: „Es ist schrecklich, in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen.“140

Ertraget doch, ich bitte euch, das Feuer meiner Worte; denn ich hoffe, daß ihr daraus einigen Trost schöpfen werdet. Welcher Mensch kann so strafen wie Gott gestraft hat? Er ließ die Fluth hereinbrechen und raffte das ganze Menschengeschlecht dahin; und bald darauf ließ er wieder Feuer vom Himmel regnen und vertilgte Alle durchs Feuer. Welche menschliche Strafe gleicht dieser? Und siehst du nicht, daß sie, so zu sagen, ewig währt? Viertausend Jahre sind vorüber, und die Strafe der Sodomiten dauert immer noch fort. Denn gleichwie seine Barmherzigkeit groß ist, so ist es auch seine Strafgerechtigkeit. Hätte er Beschwerliches und Unmögliches geboten, so könnte wohl Mancher die Härte der Gesetze vorschützen; da nun aber seine Gebote leicht sind, wie können wir uns verantworten, wenn wir auch so nicht darauf achten? Du kannst nicht fasten, nicht jungfräulich leben? Und doch kannst du es, wenn du nur willst, und Diejenigen, welche es konnten, strafen uns Lügen. Und doch war Gott gegen uns nicht so streng: er hat Dieses nicht befohlen und nicht zum Gesetze gemacht, sondern es der freien Wahl eines Jeden anheim gestellt; aber im Ehestande keusch leben kannst du, und vor der Trunksucht dich hüten. Das kannst du. Dein ganzes Vermögen kannst du nicht weggeben? Und doch kannst du es, wie Diejenigen beweisen, die es gethan haben. Allein Gott hat Das nicht geboten, sondern nur befohlen, nicht zu rauben und mit den Gütern den Armen zu helfen. Wenn aber Jemand sagt: ich kann mich mit einer Frau nicht begnügen, so irrt er und täuscht sich selber, und es beschämen ihn Diejenigen, welche ohne Weib ein keusches Leben führen. Wie? sage nur, kannst du dich des Fluchens und des Lästerns nicht enthalten? Und doch ist es beschwerlicher, solche Sünden zu begehen, als sich ihrer zu enthalten. Wie unverzeihlich ist es nun, wenn wir nicht einmal Das befolgen, was so leicht und bequem ist?

Aus all dem Gesagten geht nun klar hervor, daß die Strafe ewig ist. Weil aber Einige glauben, die Worte Pauli seien dieser Behauptung entgegen, wohlan, so laßt uns dieselben zur Untersuchung vornehmen. Nach den Worten: „Wenn Jemandens Werk, das er darauf gebaut hat, besteht, so wird er Lohn empfangen geht aber Jemandens Werk in Feuer auf, so wird er Schaden leiden“ — fährt er fort: „er selbst wird gerettet werden, jedoch so, wie durch Feuer.“ Was sollen wir nun dazu sagen? Erwägen wir vorerst, was dieser Grund sei, was das Gold, was die kostbaren Steine, was das Heu, was die Stoppeln. Daß Christus der Grund sei, hat er deutlich zu erkennen gegeben mit den Worten: „Denn einen andern Grund kann Niemand legen, als der gelegt ist, und dieser ist Jesus Christus.“ Das Gebäude sind, nach meiner Meinung, unsere Handlungen: obgleich Einige behaupten, Dieses sei in Bezug auf die Lehrer und Schüler und die heillosen Ketzereien gesagt. Jedoch diese Auffassung duldet der Zusammenhang nicht. Wenn nämlich Das der Sinn ist, wie geht das Werk zu Grunde, und wie wird der Bauende gerettet, obschon nur wie durch Feuer? Da sollte doch eher der Urheber (des Gebäudes) zu Grunde gehen; hier aber wird das Gebäude (der Schüler) härter bestraft. War der Lehrer Urheber des Bösen, so verdient er größere Strafe. Wie wird er nun gerettet werden? War er aber nicht der Urheber, sondern waren es die Schüler durch eigne Verkehrtheit, so verdient er durchaus keine Strafe; ja er darf nicht einmal seinen Lohn verlieren, da er gut gebaut hat. Wie sagt er also: „Der wird Schaden leiden“? Daraus erhellet, daß von Werken die Rede ist. Weil er nämlich die Absicht hat, den Blutschänder zu bestrafen, so schickt er sich jetzt schon weit ausholend dazu an. Denn er versieht es da, wo er über einen Gegenstand redet, sich schon im Verlaufe der Rede den Weg zu einem andern zu bahnen, zu dem er übergehen will. So bildet er durch die Rüge, daß sie bei ihren Mahlzeiten einander nicht erwarteten, den Übergang zur Rede über die Geheimnisse. Da es ihn nun drängt, gegen jenen Unzüchtigen zu sprechen, so fährt er nach seiner Rede über das Fundament (des Gebäudes) also fort:

16. 17. Wisset ihr nicht, daß ihr ein Tempel Gottes seid und der Geist Gottes in euch wohnt? Wenn aber Jemand den Tempel Gottes entheiligt, den wird Gott zu Grunde richten.

Dieses sagt er, um jetzt schon das Herz des Unzüchtigen durch Furcht zu erschüttern. „Wenn nun Jemand auf diesen Grund fortbaut, ob Gold, Silber, kostbare Steine, Holz, Heu, Stoppeln;“ denn nach dem Glauben muß das Aufbauen folgen. Darum sagt er auch anderswo: „Erbauet euch unter einander durch diese Worte!“141 Beim Baue wirken ja Baumeister und Schüler zusammen; darum sagt er: „Jeder sehe zu, wie er fortbaue!“


III.

Wenn aber Das vom Glauben gesagt sein soll, so ist Das unvernünftig; denn im Glauben müssen Alle gleich sein, weil es nur einen Glauben gibt; an Tugend aber können nicht Alle gleich sein; denn der Glaube ist nicht hier schlechter, dort besser, sondern bei Allen, die wahrhaft glauben, derselbe; im Leben aber können Einige eifriger, Andere träger, Einige vollkommener, Andere weniger vollkommen sein; Einige können größere, Andere geringere Tugenden üben; Einige können größere Fehler an sich haben. Andere kleinere. Darum spricht er von Gold, Silber, kostbaren Steinen, Holz, Heu, Stoppeln. — „Eines Jeden Werk wird offenbar werden.“ Hier redet er von den Werken: „Wenn Jemandens Werk, das er darauf gebaut hat, besteht, so wird er Lohn erhalten; geht aber Jemandens Werk in Feuer auf, so wird er Schaden leiden.“ Wenn nun aber von den Lehrern und Schülern die Rede wäre, so dürften Jene ihren Lohn nicht verlieren, woferne die Schüler nicht hören wollten. Darum spricht er: „Jeder wird seinen Lohn empfangen nach seiner Arbeit,“ — nicht nach dem Erfolge, sondern nach der Arbeit. Denn wie wäre es, wenn die Zuhörer nicht aufmerkten? Es ist also auch daraus einleuchtend, daß das Gesagte von den Werken gilt. Er will aber damit sagen: Wenn Jemand bei dem rechten Glauben ein schlecktes Leben führt, so wird ihm der Glaube Nichts nützen, er wird gestraft werden, da sein Werk in Feuer aufgeht, d. h. die Gewalt des Feuers nicht aushält. Wie, wenn Jemand mit goldenen Waffen gerüstet durch einen Feuerstrom schritte, er glänzender daraus hervorgehen würde, hingegen, wenn er mit Heu bedeckt Dieses versuchte, dadurch nicht nur nicht gerettet würde, sondern auch selbst zu Grunde ginge: so ist es auch mit den Werken. Er spricht hier nicht von den Feststehenden und Gerechten,142 sondern er will vielmehr dem Sünder Furcht einflößen und zeigen, daß er ohne Schutz sein werde; darum sagt er: „Er wird Schaden leiden.“ Siehe da eine Strafe! „Er selbst wird wohl noch gerettet werden, doch nur wie durch Feuer.“ Siehe da, die zweite! Er will damit sagen: Er wird nicht selbst zerstört und vernichtet werden, wie seine Werke, sondern im Feuer fortdauern. Er nennt also das eine Rettung, sagst du! Nicht so ganz einfach; darum setzt er hinzu: „Doch nur wie durch Feuer.“ Denn auch wir pflegen ja von dem Holze, welches nicht sogleich verzehrt und in Asche verwandelt wird, zu sagen: es bleibt im Feuer unversehrt. Wenn du nun vom Feuer hörst, so glaube ja nicht, daß die darin Brennenden vernichtet werden. Und wenn der Apostel diese Strafe eine Rettung nennt, so wundere dich nicht; denn er pflegt Das, was von übler Bedeutung ist, mit schönen Namen zu bezeichnen, und so auch umgekehrt. So scheint zum Beispiel der Ausdruck Gefangenschaft etwas Schlimmes zu bedeuten; aber Paulus bedient sich desselben, um etwas Gutes zu bezeichnen, da er spricht: „Gefangen nehmend jeden Verstand zum Gehorsam gegen Christus.“143 Und wiederum bezeichnet er eine schlimme Sache mit einem guten Ausdruck, wenn er sagt: „Die Sünde herrschte;“144 und doch bedeutet das Wort herrschen etwas Gutes. So drückt er auch hier durch das: „er wird gerettet werden“ nichts Anderes aus als die Steigerung der Strafe, wie wenn er sagte: „Er wird beständig der Strafe unterliegen.“

Nun geht er weiter und spricht: „Wisset ihr nicht, daß ihr ein Tempel Gottes seid?“ Vorher hatte er gegen Diejenigen gesprochen, welche in der Kirche Spaltung verursachten; nun greift er auch den Unzüchtigen an, zwar nicht offen, sondern im Allgemeinen, indem er auf dessen sündhaftes Leben leise hindeutet und die Größe der Sünde aus der ihm zu Theil gewordenen Gnade beweist. Dann aber beschämt er auch die Andern durch Erwähnung eben jener empfangenen Gnaden. So benutzt er immer das Zukünftige wie das Vergangene, das Böse wie das Gute; das Zukünftige: „der Tag (des Herrn) wird es klar machen, weil er im Feuer wird offenbar werden;“ das Vergangene: „Wisset ihr nicht, daß ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnet?“

17. Wenn Jemand den Tempel Gottes entheiligt, Den wird Gott verderben.

Siehst du da die Heftigkeit der Rede? Jedoch ist das Gesagte nicht so hart, da noch keine bestimmte Person bezeichnet wird, und dadurch Alle in Furcht gerathen. „Den wird der Herr verderben“ — ist nicht Fluch, sondern Vorhersagung; „denn der Tempel Gottes ist heilig,“ der Unzüchtige aber ist ein Unheiliger. Damit nun die Rede nicht ihn allein zu treffen scheine, setzt er den Worten: „Der Tempel Gottes ist heilig,“ noch bei: „und der seid ihr.“

18. Keiner täusche sich selbst!

Auch Das geht den Blutschänder an, welcher sich einbildete, etwas Großes zu sein, und auf seine Weisheit stolz war. Damit es nun aber nicht scheine, als wolle er nebenher mit ihm zu hart verfahren, so lenkt er, nachdem er ihm Furcht und Angst eingeflößt, die Rede wieder auf den allgemeinen Vorwurf, indem er spricht: „Wenn Jemand unter euch sich einbildet, vor der Welt ein Weiser zu sein, Der werde zum Thoren, damit er ein Weiser werde.“ Dieses thut er aber mit großer Freimüthigkeit, indem er sie hinreichend bekämpft hat. Denn wie reich und vornehm auch Jemand sein mag, so ist er doch der Allerarmseligste, falls er ein Sklave der Sünde ist. Gleichwie nämlich ein Herrscher, der zum Sklaven wird, unglücklicher ist als alle Barbaren, so ist es auch mit der Sünde. Denn die Sünde ist barbarisch; schonungslos behandelt sie die Seele, die sich einmal dienstbar gemacht, zum Verderben Derjenigen, die sich ihr unterworfen.


IV.

Denn Nichts ist so unbesonnen, Nichts so unvernünftig, thöricht und ungestüm als die Sünde: Alles verkehrt, verwirrt und verdirbt sie, wohin sie nur kommt; sie bietet einen häßlichen Anblick, ist lästig und unerträglich. Und wenn ein Maler sie darstellen wollte, so würde er, meiner Ansicht nach, nicht irren, wenn er sie als halb Weib, halb Ungeheuer, als barbarisch, feuerspeiend, schwarz und wild hinstellte, so wie die heidnischen Dichter die Scylla beschreiben. Mit tausend Händen bemächtigt sie sich unserer Gedanken, schleicht sich unvermerkt ein und zerreißt Alles, gleich den Hunden, die heimlich beissen. Jedoch wozu bedarf es eines Bildes, da wir Diejenigen, die Solches thun, vorführen können? Welchen soll ich euch zuerst schildern? Den Geizigen und Räuber? Was ist frecher, was unverschämter und hündischer, als der Blick eines solchen? So schamlos ist kein Hund wie dieser, der Alle beraubt. Was ist verruchter als jene Hände? was unverschämter als jenes Maul, das Alles verschlingt und doch nicht satt wird? Sein Angesicht, seine Augen mußt du nicht als Menschenaugen betrachten; denn Menschenaugen blicken nicht also. Ein solcher sieht die Menschen nicht für Menschen an, den Himmel nicht als Himmel; er schaut nicht zum Herrn auf; er sieht nur überall Geld. Menschenaugen pflegen auf die Armen zu schauen und sich zu erbarmen; diese Räuberaugen sehen die Armen und werden wildzornig. Menschenaugen sehen fremdes Eigenthum nicht als das ihrige an, sondern betrachten sogar die eigene Habe als fremd; sie haben keine Begierde nach Dem, was Anderen gegeben ist, sondern theilen sogar ihr Eigenes Andern mit; diese hingegen sind erst zufrieden, wenn sie alles fremde Eigenthum an sich gerissen haben: ihr Blick ist nicht der eines Menschen, sondern der eines reissenden Thieres. Die Menschenaugen können ihren eigenen Leib nicht nackt sehen, — den Leib des Nebenmenschen nämlich sehen sie als den ihrigen an; diese hingegen, die Nimmersatten, können nicht voll werden, bis sie Alles nackt ausgezogen und in ihre Häuser geschleppt haben. Darum sollte man ihre Hände nicht einfach Thierkrallen nennen; sie sind ja reissender und schrecklicher als diese. Denn Wölfe und Bären lassen vom Fraße ab, sobald sie gesättiget sind; diese hingegen werden nimmer satt. Gott hat uns doch darum Hände gegeben, damit wir Andern helfen, und nicht, daß wir ihnen nachstellen. Wollten wir sie dazu gebrauchen, so wäre es besser, sie abzuhauen und ohne Hände zu sein. Es thut dir leid, wenn ein Schaf von einem Raubthier zerrissen wird; thust du nun Dasselbe gegen Deinesgleichen, kommt dir Das nicht als eine Missethat vor? Und wie willst du so noch ein Mensch sein? Menschlich nennen wir eine That, die voll Güte und Mitleid ist; was aber grausam und wild ist, nennen wir unmenschlich. Den Hauptzug des Menschen nehmen wir vom Erbarmen her und den des Thieres vom Gegentheil, indem wir immer sagen: Ist denn der Mensch ein Vieh oder ein Hund?

Denn die Menschen helfen der Armuth ab, vermehren sie aber nicht, — auch ihr Mund ist der Rachen eines wilden Thieres, ja noch weit ärger als dieser; denn sie sprechen Worte, die mehr Gift und Mord verbreiten als die Zähne jener Raubthiere. Und will Jemand Alles durchgehen, so wird er leicht finden, wie die Grausamkeit die Menschen zu Thieren macht. Und untersucht man ihre Gesinnung, so wird man sie nicht bloß Thiere, sondern sogar Teufel nennen müssen; denn sie sind voll Grausamkeit und Haß gegen ihren Nebenmenschen: da ist keine Liebe zum Himmel, keine Furcht vor der Hölle, keine Scheu vor den Menschen, kein Erbarmen, kein Mitleid, sondern Unverschämtheit, Ausgelassenheit und Verachtung alles Zukünftigen; die Strafgerichte Gottes sind ihnen Fabeln und seine Drohungen lächerlich. So ist die Seele der Geizigen beschaffen. Wo sollen wir sie nun hinsetzen, da sie innerlich Teufel und äusserlich schlimmer sind als wilde Thiere? Daß sie aber schlimmer sind als wilde Thiere, erhellet daraus: die Thiere sind Das von Natur aus; diese aber, die von Natur etwas Mildes haben, suchen sich gegen die Natur die Art der Raubthiere anzueignen. Ferner haben auch die Teufel die feindlich gesinnten Menschen zu Gehilfen, und wenn sie diese nicht hätten, so wären ihre Nachstellungen gegen uns großentheils fruchtlos; diese hingegen trachten auch ihre Mitkämpfer mit Schmach zu bedecken und zu besiegen. Auch führt der Teufel Krieg mit dem Menschen und nicht mit Teufeln, die seines Gleichen sind; dieser sucht Freunde und Verwandte auf alle Weise zu mißhandeln, und ehrt nicht einmal die Bande der Natur.

Ich weiß, daß Viele ob dieser Reden gegen uns aufgebracht sind; ich aber bin ihnen darum nicht abhold, sondern ich beweine und beklage Solche. Und wenn sie mich auch schlagen sollten, so würde ich es gerne ertragen, falls sie nur jene thierische Rohbeit ablegten. Denn nicht wir allein, sondern auch der Prophet schließt Solche mit uns von aller menschlichen Verwandtschaft aus mit den Worten: „Der Mensch, da er in Ehre war, merkte nicht darauf, sondern wurde gleich den vernunftlosen Thieren.“145 Laßt uns daher doch einmal Menschen werden und zum Himmel aufblicken und wieder aufnehmen und uns aneignen unser Ebenbild,146 auf daß wir auch die zukünftigen Güter erlangen durch die Gnade und die Menschenfreundlichkeit unseres Herrn Jesus Christus, dem mit dem Vater und dem heiligen Geiste sei Ruhm, Herrschaft und Ehre jetzt und allezeit und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

Homilien über den ersten Brief an die Korinther

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