Читать книгу Nachschlag Berlin - Johannes J. Arens - Страница 10
24 Mark pro Kuvert
Оглавление,Aus dem Privatleben der Kaiserfamilie‘ lautet der Titel eines Kapitels des albumartigen Buches ,Der Hof Wilhelm des Zweiten‘ von 1911. Selbstverständlich sei es nur wenigen Erdenbürgern vergönnt, das intime Familienleben des Kaisers aus eigener Anschauung kennen zu lernen, so der Verfasser, er verlasse sich in seinen Ausführungen jedoch auf einen „gut orientierten“ Gewährsmann. Was folgt ist eine detaillierte Beschreibung des kaiserlichen Tagesablaufs, der mit der gegenwärtigen Berichterstattung von Illustrierten wie ,Gala‘ oder ,Bunte‘ mithalten kann. Mit der Feststellung, dass die kaiserliche Küche ein Reich für sich sei, mit einer streng geregelten Verfassung, dem Hofmarschall unterstehend, nimmt der Autor zunächst Bezug auf spezifisch preußische Eigenschaften wie Disziplin und Kontrolle. In Aufbau und Hierarchie erinnere die Organisation der Küche an eine militärische Einheit, heißt es im Text, der erste Küchenmeister gebiete über zwei andere Küchenmeister, über 14 Mundköche, vier Süßbäcker und die 40 Leute des Unterpersonals, deren Zahl bei festlichen Gelegenheiten noch erheblich verstärkt werde. Die Versorgung des Kaisers und seiner Gattin wird zu einer Art Dauerkampfeinsatz.
Der Tagesablauf des Kaisers sah drei Hauptmahlzeiten vor. Den Tag begann Wilhelm II. mit einem warmen Fischgericht, einem warmen Fleischgericht mit Gemüse und Kartoffelpüree, dazu Tee, Kaffee und warmes Gebäck. Das Mittagessen, zweites Frühstück oder Luncheon genannt, wurde gegen halb zwei serviert und bestand aus Suppe, Fisch, Fleisch mit Gemüse, Braten mit Kompott und Salat, süßer Speise und Käsegebäck. Das Abendessen oder Souper umfasste eine kleinere Vorspeise sowie ein Fleischgericht mit frischen Gemüsen, Kompott und eine süße Speise. Als bedürfe diese Aufzählung höfischen Luxus einer Rechtfertigung, wird betont, dass an der Tafel des Kaisers, solange er im engeren Kreise speise, kein besonderer Aufwand betrieben werde. Lediglich bei den Diplomatendinners werde ein größerer Prunk entfaltet, die Gäste mit zwölf Gängen bewirtet, die mit 24 Mark pro Kuvert (Gedeck) veranschlagt werden. Nehme der Kaiser hingegen sein Mittagsmahl im Kasino eines seiner Regimenter ein, so achte er stets darauf, dass die von ihm verzehrten Speisen einen Gesamtpreis von 2,50 Mark nicht überschreiten. Auch auf Reisen, ob im Sonderzug oder mit der Hohenzollern, der kaiserlichen Yacht, werde das Menü stets vorher beim Hofmarschallamt eingereicht, welches den mitzuführenden Proviant bemesse und zur Verfügung stelle. Lediglich Gebäck werde telegraphisch auf einer Bahnstation bestellt.
Auch eine aktuelle Publikation beschreibt die Esskultur am Hof des letzten deutschen Kaisers nur bedingt von Genuss und Sinnlichkeit geprägt. Wilhelm verzehrt nicht viel in der Öffentlichkeit, heißt es in ,Die Tafelfreuden der Preußischen Könige‘ von 2005, „und was ihm serviert wird, verspeist er im Eiltempo.” 6 Seine Fähigkeiten als Gastgeber seien, trotz seiner Vorlieben für theatralische Inszenierungen, eher beschränkt gewesen. In der Beschreibung der persönlichen Präferenzen des Kaisers von 1911 wird die Fassade des höfischen Prunks noch ein Stück weiter verbürgerlicht: Wilhelm II. bevorzuge gebundene Suppen mit viel Reis, er habe auch gerne ein Stück Fleisch, dazu leichte Rheinweine. Bekannt sei außerdem die Vorliebe des Staatsoberhaupts für Pschorrbräu, das ihm sowohl an den Bierabenden im Schloss, in den Offizierskasinos und nach dem Dinner bei den Botschaftern vorgesetzt werde. Die einfachen Tafelgewohnheiten des Kaisers seien auf Hofmarschall von Liebenau zurückzuführen, heißt es fast entschuldigend im Text, der in der Jugend von Wilhelm II. darüber gewacht habe, dass der Etat des Prinzen nicht überschritten werde.