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„Fort mit dem Schaden”

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Theodor Fontane hingegen, von den Schwestern in ihrem Vorwort nicht als Bruder, sondern ehrfurchtvoll als ,Altmeister‘ tituliert, ist der Berliner Küche gegenüber weitaus ungnädiger, ob vor oder nach dem Aufstieg zur Weltmetropole. Der im brandenburgischen Neu- ruppin geborene Publizist und Schriftsteller kam 1833 im Alter von 13 Jahren nach Berlin und die Stadt sollte, mit gelegentlichen Ausnahmen, bis zu seinem Tod 1898 sein Lebensmittelpunkt bleiben. Mit Berlin verband ihn eine Hassliebe, geprägt von seiner Ablehnung der kunstfeindlichen preußischen Ministerialbürokratie und dem Standesdünkel der Beamten und einem gleichzeitigen ironisch-liebevollen Spötteln bei der Beschreibung des Lebens in einer so plötzlich aufstrebenden Stadt.8

Für Fontane war Berlin durch seine Beförderung zur Reichshauptstadt nur formal zu einer Stadt von Weltrang geworden. Berlin sei nie eine Bürgerrepublik gewesen: Die feine Sitte, die Politesse habe sich hier nie entwickeln können, befindet er 1878 in seinem Fragment gebliebenen Essay mit dem Titel ,Berliner Ton’. 9 Er mokiert sich sowohl über Klein- und Spießbürger, die beim Öffnen einer Seltersflasche die Hand darüber halten, damit von der kostbaren Kohlensäure nichts entweiche,10 als auch über die Oberschicht, nach deren Aussagen man meinen könne, „Berlin spaziere an der Tete der Zivilisation.” 11

Auch die Berliner Restaurants kommen in Fontanes Berichten selten gut weg. So berichtet er im September 1859 in einem Brief an seine Frau Emilie von einem Abendessen in einer Kneipe in der Potsdamer Straße. Einen Hasenbraten von der Größe einer Hirschkeule habe man ihm vorgesetzt, „was in Berliner Restaurationen immer nur dann der Fall ist, wenn es in der Küche heißt: „Fort mit dem Schaden.” 12

Es scheint, als stoße Fontane sich an der Gier seiner Zeitgenossen nach Luxus, wenn er beschreibt, wie man Unter den Linden den Eindruck bekommen könnte, „als ob eine ganze Straße lang nur gegessen und getrunken würde” ,13 auch wenn er sich dem neuen mondänen Lebensstil der Hauptstadt selbst nicht ganz entziehen kann. So schreibt er 1894 seiner Tochter Martha, dass ihm zum 2. Male ein Hummergericht serviert worden sei: „Ich nahm mir einen kleinen Hummerschwanz, weil ich das erste Mal nur eine ganz kleine Schere gekriegt hatte.” 14 Lediglich „die Werderschen” werden mit einer gewissen Milde bedacht - jene Frauen aus dem westlich von Potsdam in der Havel gelegenen Ort Werder, denen Fontane täglich begegnete und die von ihren Kähnen aus Obst und Gemüse an die Städter verkauften. Dabei vermischt sich die sinnliche Erfahrung der angebotenen Früchte mit mehr oder weniger subtilen erotischen Phantasien beim Anblick der Bäuerinnen. „Weithin standen die Himbeer-Tienen [ein für Werder typischer Holzbottich zum Transport von Obst] am Trottoir entlang, nur unterbrochen durch hohe, kiepenartige Körbe, daraus die Besinge [Heidelbeeren], blauschwarz und zum Zeichen ihrer Frische noch mit einem Anflug von Flaum, hervorlugten. In Front aber, und zwar als besondere Prachtstücke, prangten unförmige verspätete Riesenerdbeeren auf Schachtel- und Kistendeckeln” , heißt es im 1887 erschienenen Roman ,Cecile’. 15


Das Cafe Kranzler im Neuen Kranzler-Eck des Architekten Helmut Jahn von 2000, Charlottenburg

Doch abgesehen von diesen romantisierenden Erinnerungen beklagt sich Fontane mit bissigem Spott über die Berliner Semmeln, an deren Qualität sich nur Fremde aus anderen Gegenden erfreuen könnten, über die Seltenheit guten Kaffees, dessen Fehlen seiner Meinung nach der Grund für die Hälfte der unternommenen Sommerreisen sei. Er moniert das Berliner Flaschenbier und den Zustand der Beefsteaks in teuren Restaurants, deren Wirte beleidigt seien, wenn man den Teller nicht leere und in Folge „Selbsttötung als Anstands- pflicht” verlangen würden. Deftige Worte, jedoch nicht ohne Hinweis auf die Ursache der Kritik: „Ich will hier auf die Mängel hinweisen nicht aus kindischer Tadelsucht” , schreibt Fontane, „sondern aus einem patriotischen Gefühl. Ich bin ein guter Berliner, Preuße, Deutscher, und einige halten mich für geeicht in diesem Punkte.”16

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