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Ernährungserziehungsarbeit
Оглавление1951/52 ließ das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten eine Studie mit dem Titel ,Erhebung über die Ernährungsverhältnisse in 25 Westberliner Haushalten mit Kindern‘ durchführen. 23 „Wir verfügen wieder über Lebensmittel in so großer Auswahl, daß das Kochen wieder Spaß macht” , heißt es dort, „unsere Wahl wird meist vom Geldbeutel her bestimmt.” Umso wichtiger sei es, das knappe Geld derart anzulegen, dass es der Gesundheit am zuträglichsten sei.24 Die Frage einer gesunden Ernährung wird somit an ökonomische Aspekte gekoppelt. Die Vergeudung von Lebensmitteln wird hier zwar nur als nebensächlicher Punkt angesprochen, sie wird aber bei der Versorgungsproblematik während der Berlinblockade von 1948/49 eine nicht zu vernachlässigende Rolle gespielt haben. Die Studie befasst sich schwerpunktmäßig mit Frühstück, Mittagessen und Abendessen und wertet sowohl Einkauf, Zubereitung und Verzehr, als auch den Kontext der Mahlzeiten (Alltag, Feiertage, Unterschiede im Jahreslauf) aus. Es ist eine wertvolle Dokumentation zeitgenössischer Ernährung innerhalb eines durch die Insellage Westberlins klar definierten Raumes. Aber auch abseits einer reinen Datensammlung lassen die Formulierungen und inhaltlichen Schwerpunkte der Studie interessante Einblicke zu. So wird beispielsweise der Anteil der süßen Hauptgerichte zum Mittagessen (beispielsweise Hefeklöße mit Backobst oder Pflaumenknödel) mit 8,1 Prozent gegenüber den Vorjahren (1950: 9,7 Prozent) als rückläufig angegeben. Eine Tatsache, die sowohl die Verdrängung regionaler Ernährungsmuster als auch eine steigende Wertigkeit und vor allem Verfügbarkeit von Fleisch sichtbar werden lässt. Auch politisch-ideologische Aspekte wurden sorgsam in den Text integriert. So wird betont, dass eine ganzjährige Versorgung mit Zitrusfrüchten wieder problemlos möglich sei, was auch als Hinweis auf die schwierigen Verhältnisse in Ostberlin zu lesen ist. Die Schulspeisung und die Speisung im Kinderhort schließlich, an denen die Kinder aus 22 der 25 Haushalte teilnahmen, zeigt, dass die Restauration der Kernfamilie aus Vater, Mutter und Kind noch nicht vollständig vollzogen war. Noch gebot die ungewisse Zukunft Berlins zumindest teilweise eine Versorgung durch die öffentliche Hand. Gegen Ende der Adenauer-Ära verschwand diese nahezu sozialistisch anmutende Gemeinschaftsversorgung fast vollständig und die Mahlzeiten kehrten - im übertragenen Sinn - in den ,Schoß der Familie‘ zurück.
Die Rolle der Hausfrau als pflichtbewusste Versorgerin der Familie wird im Text ganz explizit formuliert: „Auch die geplagte Berliner Hausfrau bemüht sich, den geselligen Charakter des Abendessens, das für viele Familien zum ersten Mal am Tage eine Stunde ruhigen Beisammenseins bedeutet, durch Abwechslung in Speisen und Getränken zu betonen und durch die liebevolle Herrichtung der Speisen zur Behaglichkeit beizutragen.” Das Gesamtergebnis der Studie ist hingegen wenig schmeichelhaft. „Zusammenfassend ist auch hier wieder festzustellen” , heißt es im Fazit, „daß besondere Zeichen einer gepflegten Kochkultur nicht anzutreffen waren.” 25 Die Berliner Küche sei nüchtern und praktisch, ernährungsphysiologisch nicht unzweckmäßig und ihre Protagonistinnen durchaus aufgeschlossen. Aber auch in den gepflegtesten Haushalten seien kaum kulinarische Feinheiten zu finden gewesen. Als Alltagsessen würden einfache Gerichte wie Pellkartoffeln, Quark und Leinöl, Hefeklöße mit Backobst, Pflaumenknödel, schlesisches Himmelreich (geräucherter Schweinebauch mit Backobst und Klößen) und Dampfnudeln bevorzugt. Brühe mit Eierstich, gebratenes Hähnchen mit Blumenkohl und brauner Butter, Kartoffelbrei und Schokoladenpudding mit Soße seien schon ein Feiertagsessen besonderer Art.