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Masse oder Klasse? Die Kritik an der Berliner Ernährung
ОглавлениеTagesgericht eines Restaurants in Mitte
Die Berliner Küche hat einen schlechten Ruf. Für diese Erkenntnis muss man kein neues Buch schreiben. Eisbein, Currywurst und Bulette, die am häufigsten genannten Berliner Spezialitäten, können mit den kulinarischen Raffinessen anderer europäischer Metropolen nur schwer mithalten. Darüber hinaus sind sie nicht auf Berlin beschränkt. Eisbein isst man, gekocht oder gegrillt auch in vielen anderen Regionen Deutschlands, die Currywurst ist dem Oberhausener ebenso wichtig wie dem Berliner und ein Hackfleischkloß, zu Hochdeutsch Frikadelle, ist gar ein internationales Phänomen. In den 20 Jahren nach der Wende hat sich Berlin wieder zu der Boomtown entwickelt, die die Stadt vor rund 100 Jahren schon einmal gewesen ist. Die desolate Haushaltslage, die hohe Arbeitslosigkeit und die damit teils einhergehende Verwahrlosung des öffentlichen Raums halten vor allem junge, kreative Menschen nicht davon ab, sich in Berlin an die Verwirklichung ihres eigenen Lebensentwurfs zu machen.
Angebot einer Bäckerei in Sittard, Niederlande
In kulinarischer Hinsicht ist Berlin jedoch kaum als Vorbild zu bezeichnen. Der Exporterfolg von Lebensmitteln und Gerichten aus Berlin ist dementsprechend eher mäßig. Berliner Spezialitätenhersteller wie Sarotti haben ihre Produktion längst nach auswärts verlagert und ein Blick in diverse überregionale Kochbücher liefert neben den auch im Ausland so genannten ,Berliner Pfannkuchen’ allenfalls noch ,Leber Berliner Art’ mit Apfelspalten.1 Eine schwierige Lage für die Souvenirbranche, die mit Ampelmännchen aus Weingummi und Marzipancurrywürsten auskommen muss. Auf der im Sonderheft ,Ernährung‘ der Stiftung Warentest abgebildeten Karte der deutschlandweiten Produkte geschützter Herkunft, klafft in und um Berlin ein großes weißes Loch, lediglich mit Spreewaldgurke und -meerrettich sowie Leinöl ist der Südwesten Brandenburgs vertreten.2
Fragment vom Bildfries der Berliner Gerichtslaube, Mitte 13. Jahrhundert, Märkisches Museum Berlin