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2.4Kultur der Hingabe

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Gemeinde-Evangelisation folgt dem Beispiel Jesu. Sie, die Gemeinde, ist gesandt, wie er gesandt wurde (Joh 20,21). In seiner Evangelisation findet sie ihren Meister und das Vorbild. Jesus beginnt seinen evangelistischen Einsatz auf der Erde, indem er den Menschen, die er zum Leben führen will, gleich wird. Er, das ewige Wort Gottes, Gott in Person, wurde Mensch, lebte unter den Menschen – und dann haben Menschen in ihm die Herrlichkeit Gottes erkannt (Joh 1,1–12). Freilich kostete das unseren Herrn alles, sogar sein Leben (Phil 2,6ff). Doch ermöglichte seine Hingabe erst Evangelisation.

So wie der Meister taten es auch seine Jünger. Paulus, der große Missionar und Evangelist der Urkirche, war bereit, den Juden ein Jude und den Griechen ein Grieche zu werden, damit er diese für den Glauben an Jesus gewinne (1Kor 9,19ff). Seine Identifikation mit den Heiden handelte ihm großen Ärger bei den Juden ein und schließlich lieferten diese ihn den römischen Behörden als Aufrührer aus. Gefängnis und schließlich Tod waren die Folgen. Identifikation mit den Menschen, die man für Jesus gewinnen möchte, ist nicht ohne Opfer zu haben. Jesus benutzt daher auch für seine Nachfolger die Bezeichnung Zeuge, griechisch martys (Apg 1,8), ein Begriff, dem wir das deutsche Wort Martyrium entlehnt haben.

Eine evangelisierende Gemeinde, wollte sie dem Vorbild Jesu treu bleiben, begibt sich in die Lebenswelt der Menschen, die sie für Gott gewinnen will. Sie wird sich in ihre Kultur hineindenken und sich dieser bewusst anpassen. Sie wird den „Juden ein Jude und den Griechen ein Grieche“, den Deutschen ein Deutscher und den Russen ein Russe werden. Evangelisation setzt grundsätzlich ein solches bewusstes Hingehen voraus. Theologisch gesprochen, reden wir an dieser Stelle von der Inkarnation und Inkulturation des Evangelisten in die Lebenswelt der Menschen.47 Wo die stattfindet, da wird der Evangelist sprachfähig und das Evangelium verständlich.

Eine solche Hingabe an die Menschen und ihre Kultur ist freilich nicht einfach. Sie erfordert die Bereitschaft, sich sowohl dem Fremden zu nähern als auch die liebgewonnene eigen Kultur aufzugeben. Ohne der „Hilfe von oben“ scheint der Prozess nicht zu gelingen. Jesus traute es seinen Jüngern nur zu, wenn diese den Heiligen Geist empfingen. „Ihr werden die Kraft des Heiligen Geistes empfangen“, sagte er, „und dann werdet ihr meine Zeugen sein in Jerusalem, in Judäa, Samarien und bis an das Ende der Welt“ (Apg 1,8). Man kann eine solche Hingabe an den fremden Kontext, an die fremde Lebenswelt nicht aus sich selbst heraus produzieren. Sie würde nicht lange durchhalten und sich bei den ersten Schwierigkeiten totlaufen. Es bedarf keines geringeren Beistandes als des Heiligen Geistes selbst, um sich so für die Menschen hinzugeben.48 Nur eine Gemeinde, die unter der Führung des Heiligen Geistes steht, wird letztendlich auch eine den Menschen zugewandte und hingegebene Gemeinde sein.

Die Hingabe an die Menschen, die man mit dem Evangelium vom Reich Gottes bekanntmachen will, setzt also voraus, dass man sich mit ihnen identifiziert. Und Identifikation verlangt nach ganz bestimmten Einstellungen, ohne die keine wirkliche Identifikation stattfinden kann. L. Lutzbetak, der sich eingehend mit der Identifikation des Missionars mit seinen Hörern beschäftigt hat, nennt drei solche Einstellungen:

1. Empathie, oder die Fähigkeit, sich der Gefühlswelt seines Adressaten zu nähern;

2. Anpassung des Inhalts und der Methode der Vermittlung der Guten Nachricht an lokal-kulturellen Setzungen, wo das ethisch und religiös verantwortbar ist;

3. Integration in die von der lokalen Kultur gesetzte Lebensweise. 49

Wer Menschen mit dem Evangelium erreichen will, der wird es demnach nur dann erfolgreich können, wenn er sich in ihre Kultur hineindenken und -fühlen kann und Wege und Mittel findet, die Botschaft des Evangeliums verständlich, als „einer von ihnen“ weiterzugeben. Gourdet schreibt dazu: „… Identifikation kann nur durch realistische Anteilnahme am Leben der Leute erreicht werden; nicht indem man für sie arbeitet, sondern mit ihnen.“50 So gesehen wird man sich als Evangelist nur dann den Menschen wirklich effektiv nähern können, wenn man bereit ist, sich ganz auf die Menschen und ihr Leben einzulassen51 und von und mit ihnen zu lernen. Ohne einen solchen unbedingten Lernwillen kann wahre Identifikation nicht werden.52

Identifikation mit dem anderen kann allerdings nicht meinen, dass man mit dem anderen völlig identisch wird. Das war auch Jesus nie. Er blieb wahrer Gott. „Er (…) hielt es nicht für einen Raub, Gott gleich zu sein“ (Phil 2,6) und identifizierte sich bewusst mit Gott, dem Vater. Wie er, so sind auch wir Christen in der Welt, jedoch nicht mehr von dieser Welt (Joh 17,11ff). Als Jünger Jesu bleiben die Christen bei aller Identifikation mit ihren Hörern anders. Die Gemeinde Jesu ist eine Kontrastgesellschaft zur Welt. Sie wird sich niemals in der Welt auflösen, es sei denn die Welt stellt sich ganz und gar unter die Herrschaft Gottes. Sie ist Zeichen und Gestalt des Reiches Gottes! Sie ist zwar in der Welt, aber doch niemals von der Welt! Dieses Anderssein gibt der Gemeinde das Recht und die Kraft, in der Welt zu evangelisieren.

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