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2.5Evangelisation vor Ort

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Die Notwendigkeit einer Identifikation mit dem Adressaten führt zu der Annahme, dass Evangelisation eine kontextsensitive Vorgehensweise voraussetzt. Nur so kann das Evangelium in eine konkrete Kultur übersetzt werden.53 Inkarnation als das wesentlichste Merkmal der missionarischen Verkündigung, als „Missionsprinzip“54, macht die Evangelisation zu einer kontextualisierten Mission.55 Und damit stellt sich die Frage nach der Kontextualisierung des Evangeliums.

Jürgen Schuster definiert Kontextualisierung wie folgt: „Ziel der Kontextualisierung ist eine Begegnung von Menschen mit dem Evangelium, bei der das Evangelium ihnen Antwort bietet auf ihre spezifischen Fragen, anknüpft an ihrem Weltbild und ihren kulturellen Reichtum aufnimmt.“56 Mit anderen Worten: Im Prozess der Kontextualisierung suchen Evangelisten eine Botschaft, die auf die wirklichen Fragen der Menschen vor Ort Antwort bietet und eine Sprache, die von ihren Adressaten verstanden und angenommen wird. Für uns Evangelikale ist dabei wichtig, dass die Botschaft nicht beliebig ist, sondern sich am Evangelium Jesu Christi orientiert, wie es in der Heiligen Schrift offenbart worden ist.57 Hierbei spielt es keine Rolle, ob das Evangelium in Wort oder Tat verkündigt wird. Es muss verstanden werden, und dazu bedarf es manchmal nicht der Worte, sondern des Lebens. Schließlich ist ja auch die ewige Wahrheit Gottes nicht als verbales Konstrukt zu uns gekommen, sondern als Person des Sohnes Gottes. „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“, sagt Jesus (Joh 14,6). Wer ihn sieht, sieht das Leben. Konsequenterweise schreibt der Apostel Johannes in seinem ersten Brief, dass er nun an seine Hörer weitergibt, „(…) was wir gehört haben, was wir gesehen haben mit unsern Augen, was wir betrachtet haben und unsre Hände betastet haben, vom Wort des Lebens“ (1Joh 1,1). Dadurch kann eine wirkliche Gemeinschaft mit Gott entstehen (1Joh 1,4).

Evangelisation ist somit eine lokale Angelegenheit. Man kann nicht wirklich allgemein evangelisieren. Wer evangelisieren will, der wird sich seines „Evangelisationsfeldes“ bewusst werden müssen.58 Die Gute Nachricht ist da gut, wo sie auf konkrete Bedürfnisse der Menschen trifft. Der Kampf gegen das allgemeine Übel der Sünde, wie er seit Jahr und Tag in der evangelikalen Szene geführt wird, ist mehr als problematisch. Sünde darf man nicht abstrahieren. Sie kann als Prinzip nicht bekämpft werden. Ihre soziale Gestalt ist es, die ihr das greuliche Gesicht verleiht. Paulus ermutigt deshalb die Gemeinde immer wieder, konkrete Schuld zu bekennen und zu lassen. Er meint ganz konkrete Menschen, wenn er schreibt: „Wer gestohlen hat, wer gelogen hat, wer …“ (Eph 4,25–32). In unterschiedlichen Kulturen werden diese Übel recht unterschiedliche Erscheinungsformen haben und auch einen variierenden Umgang erfahren. So wäre in einer schamorientierten Kultur nichts schlimmer als der Verlust des Gesichts in der Gesellschaft. Eine gute Nachricht ist deshalb immer mit der Wiederherstellung der Ehre verbunden. Dagegen geht es in schuldorientierten Kulturen weniger um Ehre, sondern um Gesetzestreue. Hier ist die gute Nachricht: Die Unfähigkeit so zu leben, wie es wünschenswert erscheint, wird überwunden. Je nach Orientierung der Kultur wird die Botschaft entsprechend ausfallen müssen. Darüber hinaus spielen aber auch noch die lokalen wirtschaftlichen, sozialen oder auch weltanschaulichen Konditionen eine Rolle. Man wird doch nicht einem verdurstenden Menschen allein mit einer Predigt entgegen treten oder einem Menschen, der unter sozialer Kälte und Ablehnung leidet, allein mit einem Bibelwort. Wer die Lage der Menschen nicht berücksichtigt, der wird sie auch nicht gewinnen können.

Die Notwendigkeit einer kontextuellen Evangelisation macht verständlich, wieso die Ortsgemeinde von besonderer Bedeutung ist. Sie ist es, die den Kontext der Menschen am besten kennen sollte. Sie ist es, die unter den Menschen lebt, die sie erreichen möchte, und mit ihnen den gleichen kulturellen und sozio-politischen Raum teilt. Deshalb ist Evangelisation deshalb primär die Aufgabe der lokalen Gemeinde. Nicht die begnadeten Reiseevangelisten sind die primären Agenten der Evangelisation, nicht die speziell für diesen Dienst aufgebauten Missionswerke, sondern die Ortsgemeinde. Sie ist am besten dafür geeignet zu evangelisieren.

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