Читать книгу Hereinspaziert! - Johannes Reimer - Страница 21
2.7Dialogisches Dasein
ОглавлениеGegenseitiges Vertrauen entsteht nicht über Nacht. Aber wenn es einmal entstanden ist, dann entstehen Beziehungen, die das Gespräch ermöglichen. Und das Gespräch ist die Grundlage für jede erfolgreiche Evangelisation. Wer Menschen dient, wer mit den Menschen lebt, ihre Nöte, Bedürfnisse und Sorgen teilt, wer nach Lösungen im Alltag der Menschen sucht und diese hier und da findet, der verschafft sich Chancen zum Gespräch. Loewen sprach an dieser Stelle vom Prinzip der Reziprozität und Partnerschaft,65 dem Willen und der Bereitschaft beider Seiten, voneinander und miteinander lernen zu wollen – und das in gegenseitiger Akzeptanz und Respekt. Wie sonst sollten Menschen mit uns über die tiefsten Bedürfnisse ihres Herzens reden, wenn sie uns nicht vertrauen? Und wie sollen Menschen uns verstehen, wenn wir nicht Worte und Vorstellungen, Bilder und Symbole benutzen, die ihnen bereits vertraut sind?66 Das Gespräch ist eine natürliche Folge eines gesellschaftstransformativen Dienens.
Evangelisation verlangt nach Hörern, die bereit sind zu hören. Wo niemand hört, da kann man auch nicht evangelisieren. „Niemandem kann man nicht predigen“ – diese Worte Rudolf Bohrens stehen gerade und vor allem für die evangelistische Predigt. Wer findet aber Hörer, wenn nicht derjenige, der Vertrauen bei den Menschen gefunden hat und gelernt hat, mit ihnen über ihre Alltagsnöte zu reden? Evangelisation geht somit Hand in Hand mit einer gewissen Gesprächskompetenz des Evangelisten und der evangelisierenden Gemeinde. Sie setzt einen eingeleiteten Dialog mit den Menschen voraus. Ein solcher Dialog beginnt mit den praktischen Fragen des Lebens, im Vollzug des Dienstes und geht schließlich zu existenziellen Themen weiter. Wer mit den Menschen, die man evangelisieren will, nicht redet, kann sie auch nicht evangelisieren. Wer aber mit ihnen im Dialog steht, hat große Chancen, sie auch mit der Botschaft von der Erlösung in Christus zu konfrontieren. Freilich ist unter Gespräch mehr gemeint als eine einmalige Unterhaltung. Dialog setzt einen Prozess voraus, der die Bereitschaft wachsen lässt, voneinander hören und lernen zu wollen. Kommunikation ist niemals ein Monolog. Wer jedoch in einen Dialog einsteigt, der wird sich dem anderen auch persönlich offenbaren müssen. Loewen sieht sogar jedes Zeugnis als prinzipiell dialogisch festgelegt.67 Wer Menschen gewinnen will, wird sie zuerst für sich selbst gewinnen müssen. Oder wie Loewen es sagt: „Wer andere kennenlernen will, der sollte sich selbst ihnen zu erkennen geben.“68
Für eine evangelisierende Gemeinde bedeutet das, sich bewusst in der Gemeinwesenarbeit und ihren Initiativen zu engagieren. Hier sind alle Akteure im sozialen Raum im Gespräch miteinander. Der Dialog über brennende Themen des Alltags läuft schon. Ist die Gemeinde kompetent und hat sie einen Beitrag zur Lösung konkreter Probleme im Gemeinwesen, so wird sie gehört, gefragt und herzlich eingeladen, bei der Umsetzung lebensrelevanter Fragen mitzumachen. Gelingt die Umsetzung, so öffnen sich bald schon Türen, um auch eigene und sogar spirituelle Akzente im Gemeinwesen zu setzen. Was sonst würde man von einer Kirche denn erwarten?