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Die Botschaft der Pfeile

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Ich hatte das College abgeschlossen, ohne eine Liebe oder einen Beruf gefunden zu haben. Die Erwachsenen, die ich kannte (die so oft versuchen die Leere in der Seele durch ökonomische Lösungen zu füllen), sagten mir, es sei an der Zeit für mich, Fuß zu fassen und ein verantwortliches Leben zu führen. Ich dagegen hatte das Gefühl, dass ich gerade erst angefangen hatte, rastlos zu sein. Ich empfand, dass ich nirgendwo richtig hingehörte oder auch nur hingehören wollte; dass, was immer auch meine Familie und meine Freunde für eine Geschichte gefunden hatten, um darin zu leben, meine eigene Geschichte zu einer sinnlosen Folge von Kapiteln ohne Handlung geworden war, außer der, dass ich eben irgendwie die Tage herumbrachte. Es war eine Sehnsucht nach der Landschaft jener Sommerabende vor langer Zeit, die mich an jenem Tag wieder zu der Brücke lockte. Es war eine Hoffnung, dass ich an dem Ort, den ich als Junge so sehr geliebt hatte, klarer sehen würde.

Dort stand ich nun an jenem Novembertag und blickte hinab auf einen kleinen braunen Bach, gesäumt von leblosen grauen Bäumen und schmutzig braunem, herabgefallenem Laub. Selbst das Wasser floss lustlos über die Hindernisse aus Blättern und Zweigen, als wäre es von seiner endlosen Bewegung erschöpft. An vielen Stellen staute es sich vor den Dämmen aus winterlichem Unrat, ohne groß dagegen anzukämpfen. Ein paar Hundert Meter rechts von mir stand unser altes Farmhaus, jetzt unbewohnt und mit einem großen Loch im Dach. Die Scheunen und Schuppen und Pferche, die ihm seine Daseinsberechtigung gegeben hatten, waren verschwunden. Wo einst der Mais in seiner geordneten Wildheit gestanden hatte, wuchs jetzt nur Unkraut wild durcheinander. Die Trostlosigkeit des Ganzen wurde in dem Schweigen jener abwesenden Augustsänger greifbar.

Ich erinnere mich, wie ich einen scharfen Schmerz in der Brust spürte, den ich mit kaltem Zorn zum Schweigen brachte. Was für ein Narr war ich doch all diese Jahre gewesen, dass ich der Sommerbotschaft dieses Ortes Glauben geschenkt hatte. Hier hatte ich bei helllichtem Tag vor mir, was offensichtlich schon immer die Realität gewesen war. Es war an der Zeit, dass ich aufhörte an eine Lüge zu glauben. Die geheimnisvolle Liebe, der geheimnisvolle Liebhaber, die in meiner Kindheit zu mir gekommen waren, waren nichts als Trug.

Heute weiß ich, dass ich an jenem Tag den letzten Pfeil in mein Herz bohrte und ihn glatt hindurchschob. Ich tat es, um die Tränen der Trauer in meinem Inneren zu ersticken, die mich sonst beharrlich daran erinnert hätten, dass da etwas war, das ich verloren hatte. Doch die Heimsuchung verließ mich auch an jenem Tag auf der Brücke nicht. Erst Jahre später verstand ich, dass ich selbst es war, der sie erstickt hatte – oder zumindest hatte ich es versucht. Hätte ich meinen Tränen über den Verlust, den ich empfand, freien Lauf gelassen, so wäre der Lockruf jenes lange vergangenen Sommers geblieben. Doch indem ich einen Damm der Verhärtung errichtete gegen den Schmerz, den ich innerlich spürte, verweigerte ich mich der Heimsuchung und deutete sogar noch die Botschaft des Herbstes falsch: etwas Verlorenes, das wiederkommt.

Irgendwann stehen wir alle vor derselben Entscheidung – was fangen wir mit den Pfeilen an, die uns getroffen haben? Oder vielleicht sollten wir besser sagen, wozu haben sie uns zu bringen versucht? Wie auch immer sie zu uns kommen, ob durch einen Verlust, den wir als Verlassenheit empfinden, oder durch eine tiefe Verletzung, durch die wir uns misshandelt fühlen, ihre Botschaft ist immer dieselbe: Töte dein Herz. Scheide dich von ihm, vernachlässige es, fliehe vor ihm oder verwöhne es mit irgendeinem Betäubungsmittel (unseren diversen Süchten). Denken Sie daran, wie Sie mit der Not umgegangen sind, die Ihr Herz durchbohrt tat. Wie sind die Pfeile zu Ihnen gekommen? Wo sind sie gelandet? Sind sie noch da? Was haben Sie infolgedessen getan?

Aber es kann irreführend sein, wenn wir sagen, dass wir alle vor einer Entscheidung stehen, wenn wir von einem Pfeil durchbohrt werden. Das lässt den Prozess so rational erscheinen, als hätten wir die Möglichkeit, die Situation kühl einzuschätzen und uns logisch zu überlegen, wie wir reagieren. Doch das Leben ist nicht so – das Herz lässt sich nicht aus der Distanz managen (schon gar nicht, wenn wir jung sind, also in dem Alter, in dem uns die schmerzhaftesten Pfeile treffen). Das Ganze läuft eher ab wie ein Überfall, und unsere Reaktion kommt aus dem Bauch. Vielleicht kleiden wir sie nicht einmal in Worte. Unsere tiefsten Überzeugungen bilden sich ohne bewusste Anstrengung heraus, aber die Folge ist eine Verschiebung tief in unserer Seele. Es bildet sich eine innere Entschlossenheit, nie wieder in diese Lage zu geraten, nie wieder diesen Schmerz zu erleben. Das Ergebnis ist eine Grundhaltung gegenüber dem Leben, die wir oft als unsere Persönlichkeit bezeichnen. Wenn Sie aufmerksam auf Ihr Leben hören, erkennen Sie vielleicht allmählich, wie sehr es von den Pfeilen geformt ist, von denen Sie getroffen wurden, und von den inneren Überzeugungen, die Sie infolgedessen angenommen haben. Selbst unser geistliches Leben wird von den Pfeilen gefärbt und zum Teil gesteuert.

Meine eigene geistliche Reise mit Christus „begann“ (inzwischen habe ich gelernt, dass sie eigentlich lange vor meiner Geburt begann), als mir eines Morgens bei der Arbeit mein erstes Gebet seit meiner Kindheit entschlüpfte. Ich hatte wieder einmal die Nacht damit verbracht, nach irgendetwas oder irgendjemandem zu suchen; war durch Bars und Nachtklubs gestreift und einfach durch die Straßen gefahren, das Radio auf voller Lautstärke und unterstützt von ausreichend Alkohol und Drogen, um die Hoffnung bei meiner Suche nicht zu verlieren. Ich installierte gerade Rohre in einem Abflussschacht. Ich und die Männer, mit denen ich zusammenarbeitete, lebten mit einem Zynismus, der uns bei Tageslicht das verschaffte, was Alkohol und Drogen nachts für uns taten. So standen wir um vier Uhr morgens bis zur Brust im Abwasser und sagten mit schiefem Grinsen zueinander, jetzt seien wir so tief gesunken, wie es nur möglich sei, und von hier aus könnte es nur noch bergauf gehen.

Eines Morgens löste sich, fast ohne dass ich es wollte, ein Schrei aus der Tiefe meines Herzens: „Gott, hilf mir, denn ich bin verloren.“ Und Gott antwortete in jenen Jahren der „ersten Liebe“ mit einer überschwänglichen Treue. Ich fing an die Bibel zu lesen, und sie erwachte in meinen Händen und in meinem Herzen zum Leben. Ein Freund, den ich von der High School her kannte, kam vorbei und erzählte mir, er sei „Christ geworden“. Er lud mich ein, mit ihm zusammen Kurse am Philadelphia-Bibelcollege zu besuchen, und voll hungriger Freude und Erwartung saugte ich alles auf, was man uns dort lehrte. Abends hörten Ralph und ich uns einen Vortrag an oder saßen einfach bei einem Essen zusammen und unterhielten uns über Gott, das Leben, Mädchen und das überfließende Leben, von dem wir sicher waren, dass es vor uns lag. In jenem Herbst fuhr ich auf eine Freizeit in den Bergen von Pennsylvania und lernte ein langhaariges Mädchen kennen, dessen Herz erst kürzlich von Gott umworben und gewonnen worden war. Wir saßen stundenlang zusammen und redeten über unsere persönlichen Sehnsüchte und Ängste. Wir beteten sogar laut zusammen, was für mich etwas völlig Neues war.

„Christ werden“ beseitigt jedoch noch nicht unbedingt das Dilemma der Pfeile, wie ich bald entdecken musste. Meine saßen immer noch tief in meinem Fleisch und ließen es nicht zu, dass einige der bösen Wunden in meinem Innern heilen konnten. Die Zwiespältigkeit, die sich daraus für mich ergab, färbte jeden Gedanken, jede Handlung und jede Beziehung jener wichtigen Jahre. Eines Tages saß ich auf Bitten meiner inzwischen Verlobten fünf Stunden lang am Ufer eines Sees und versuchte die Zweifel zu verstehen, die ich bezüglich unserer Heirat hatte. Am Ende dieses Tages war ich nicht schlauer, als ich es zu Anfang gewesen war. Ich hatte in dieser Phase meines Lebens niemanden, der mir hätte helfen können, die Ambivalenz zu verstehen, die durch die Botschaft der Pfeile entstand. Niemanden, der die wider-sprüchlichen Botschaften dieser beiden Offenbarungen (die der Romanze und die der Pfeile) in einer Geschichte zusammenzuweben verstand, die Raum für die Unwägbarkeiten des Lebens ließ, während mein Herz dennoch offen blieb für die Intimität der Romanze. So wurde ich selbst zum Autor meiner Geschichte und tötete das eine, um das andere unter Kontrolle zu bekommen. Ich löste meine Verlobung. Ich gab das Mysterium der Romanze auf für eine Geschichte, die viel vorhersagbarer war – nämlich die Einsamkeit.

Später ließ ich die Romanze mit einem anderen Mädchen wieder aufleben. Ginny wurde schließlich meine Frau, als ich achtundzwanzig war, aber die Pfeile blieben auch danach nicht aus, und ich erlebte das Ende meiner Zwanziger und den Anfang meiner Dreißiger in einer beständigen blinden Reaktion auf die beiden Offenbarungen, die um meine Seele wetteiferten. Ein altes, vertrautes Gefühl begann sich irgendwo in der Nähe meines Herzens bemerkbar zu machen; eine Einsamkeit, eine Leere, eine Art Schmerz und eine Sehnsucht nach etwas und jemandem, das oder die ich nicht ganz fassen konnte. Solche treulosen Gefühle setzten mir zu und ich fühlte mich von ihnen verraten, sodass ich sie unterdrückte und mich nur umso intensiver in das christliche Engagement und den Dienst für Gott stürzte. Ich fing an den Berufsberatungskurs in unserer Gemeinde zu unterrichten, wurde Pastor für die Singles und arbeitete mit unseren High-School-Schülern. Ginny und ich waren beide Lehrer und nutzten unsere Zeit im Sommer zu Einsätzen auf dem Missionsfeld in Mexiko und der Dominikanischen Republik.

Das waren alles gute Dinge, aber es gab einen Teil in mir, der sich einfach nicht heilen oder füllen oder befreien lassen wollte, oder was immer es war, worüber mein Herz einfach nicht zum Schweigen zu bringen war. Und da ich mir nie die Mühe machte, mir selbst über das, was ich fühlte oder glaubte, viele Fragen zu stellen (zumindest nicht die richtigen Fragen), durchlebte ich jene Jahre, angetrieben durch Agnostizismus und Resignation, in einem verworrenen Netz der Fantasie, das nichts mit dem gegenwärtigen Leben und der Realität zu tun hatte. Ich lebte in Reaktion auf eine Reihe von Ereignissen und Umständen, die ich nicht verstehen oder auch nur als Anhaltspunkt zu einem Verständnis nutzen konnte. Mir ging es so wie Forrest Gump, als er am Grab seiner lebenslangen Liebe Jenny stand. „Ich weiß nicht, ob jeder von uns ein Schicksal hat, oder ob wir einfach nur zufällig dahingleiten wie ein Blatt im Wind.“

Viele von Ihnen, die meine Geschichte lesen, werden darin eine innere Reise wiedererkennen, die sich ganz ähnlich anfühlt, auch wenn die Szenen Ihrer äußeren Geschichte ganz anders abgelaufen sein mögen. Und das Gefühl, Teil einer Großen Geschichte zu sein, eines Abenteuers mit Sinn und Ziel, wie es das christliche Leben ist, versickert allmählich nach jenen Jahren der ersten Liebe, was auch immer wir tun, um das zu verhindern. Statt einer Liebesaffäre mit Gott fühlt sich Ihr Leben immer mehr an wie eine Reihe immer wiederkehrender Verhaltensweisen, so als ob Sie immer und immer wieder dasselbe Kapitel eines Buches lesen oder denselben Roman schreiben. Die „Glinus“-Orthodoxie (Gläubig In Unserem Sinne), die wir auszuleben versuchen, reicht als Geschichte nicht aus, um den inneren Aufruhr und die Sehnsucht zu befriedigen, von denen unser Herz uns zu erzählen versucht. Irgendwie sind unser Kopf und unser Herz auf verschiedenen Straßen unterwegs, und keine davon fühlt sich wie das Leben an.

Am Ende spitzt sich diese Scheidung von Kopf und Herz in einer von zwei Richtungen zu. Wir können entweder unser Herz töten oder unser Leben in zwei Bereiche unterteilen, sodass unsere äußere Geschichte zum Schauplatz dessen wird, was wir sollen, und unsere innere Geschichte zum Schauplatz dessen, was wir brauchen, zu dem Ort, wo wir den Durst unseres Herzens mit dem erstbesten Wasser stillen, das zur Verfügung steht. Ich wählte den zweiten Weg. In dem, was ich für mein religiöses Leben hielt, machten sich Trockenheit und Zynismus breit, während ich mir „Wasser“ suchte, wo ich konnte: in sexuellen Fantasien, im Alkohol, im nächsten Essen im Restaurant, in Gewaltvideos am späten Abend, im Ansammeln von Wissen auf religiösen Seminaren – was immer mir half, die unersättliche Rastlosigkeit in meinem Inneren zu betäuben. Welchen Weg wir auch immer wählen – ein totes Herz oder die Trennung von Herz und Kopf – in jedem Fall gewinnen die Pfeile, und wir verlieren unser Herz.

Das ist die Geschichte, die wir alle auf die eine oder andere Weise erleben. Der lockende Ruf der Romanze und die Botschaft der Pfeile sind so radikal verschieden und scheinen sich so sehr gegenseitig auszuschließen, dass sie unser Herz in zwei Teile spalten. In jeder Hinsicht, in der die Romanze voller Schönheit und Wunder ist, sind die Pfeile ebenso mächtig in ihrer Hässlichkeit und Verheerung. Die Romanze scheint ein Leben der Ganzheit durch eine tiefe Verbindung mit dem großen Herzen hinter dem Universum zu versprechen. Die Pfeile verleugnen das und sagen uns: „Du bist allein. Es gibt keine Romanze, niemanden, der stark und freundlich ist und dich zu einem exotischen Abenteuer ruft.“ Die Romanze sagt: „Diese Welt ist ein wohlwollender Ort.“ Die Pfeile machen sich über solche Naivität lustig und warnen uns: „Pass bloß auf – die Katastrophe kann jeden Moment kommen.“ Die Romanze lädt uns ein zum Vertrauen. Die Pfeile schüchtern uns ein, bis wir uns nur noch auf uns selbst verlassen.

Es ist, als wären wir alle dazu bestimmt, einen Verlust des Herzens zu erleiden. Ich denke an zwei Ehepaare, die zu mir zur Eheberatung kamen, nicht weil ihre Beziehungen so zerrüttet waren, sondern weil beide Paare den Wunsch hatten, vor Gott und voreinander mit mehr Freiheit und Liebe zu leben. Hanna und Mike (die Namen wurden geändert) waren Anfang zwanzig und erst seit ein paar Monaten verheiratet. Hanna hatte vor ihrer Ehe ein schweres Leben gehabt und war ohne Kontakt zu ihrem wirklichen Vater von Stadt zu Stadt gezogen. Mike war ein Einzelgänger gewesen, bevor er Hanna kennen lernte, und hatte in der Einsamkeit die Wunden geleckt, die er durch seine Pfeile erlitten hatte. Beide liebten die freie Natur, und während ihre Liebe zueinander wuchs, freuten sie sich auf ein langes Leben in den Bergen mit Kindern, die noch geboren werden sollten. Ein Jahr nach ihrer Hochzeit sprach ich auf Hannas Trauerfeier. Der Krebs hatte ihr das Leben geraubt, bevor sie auch nur eine Chance gehabt hatte, dagegen anzukämpfen.

Sam und Leslie (die Namen wurden geändert) kamen in die Beratung, nachdem sie jahrelang in der Mission gearbeitet und dort viel Gutes bewirkt hatten. Sie waren noch jung, Anfang fünfzig, und sie wussten, dass es unverheilte Verletzungen zwischen ihnen gab, die sie daran hindern würden, die tiefere Intimität zu erleben, nach der sich beide für die kommenden Jahre sehnten. In einer Lebensphase, in der es viel leichter gewesen wäre, einfach beim Status quo zu bleiben, machten sie sich voller Mut und Hoffnung daran, an ihrer Ehe zu arbeiten. Sie freuten sich auf die kommende Zeit mit ihren Kindern und Enkelkindern und auf eine tiefere Intimität miteinander. Vor nicht langer Zeit stand ich an Leslies Grab, als Sam und die Kinder sich von ihr verabschiedeten. Auch Leslie war vom Krebs dahingerafft worden.

Welche Schlussfolgerung bleibt für Mike und Sam? Mike öffnete sein Herz, nur um alles zu verlieren, genauso wie er befürchtet hatte. Sam hoffte sein Leben mit Leslie zu Ende zu leben, seine Familie und die Früchte all seiner Jahre im Dienst zu genießen, nur um jetzt allein in die vor ihm liegenden Jahre gehen zu müssen. Die Pfeile treffen uns an den empfindlichsten Stellen in unserem Herzen, bei den Dingen, die uns am wichtigsten sind. Die tiefsten Fragen, die wir jemals stellen, beziehen sich direkt auf die größten Bedürfnisse unseres Herzens, und die Antworten, die uns das Leben gibt, formen unser Bild von uns selbst, vom Leben und von Gott. Wer bin ich? Die Romanze flüstert uns zu, dass wir jemand Besonderes sind, dass unser Herz gut ist, weil es für jemanden geschaffen wurde, der gut ist. Die Pfeile sagen uns, dass wir Dutzendware sind, wertlos, sogar finster und verdreht, schmutzig. Wo ist das Leben zu finden? Die Romanze sagt uns, dass das Leben aufblühen wird, wo wir es in Liebe und großmütiger Hingabe verschenken. Die Pfeile sagen uns, dass wir uns an das bisschen Leben, das es vielleicht gibt, klammern müssen, indem wir unsere Welt manipulieren und immerzu aufpassen, dass uns niemand in den Rücken fällt. „Gott ist gut“, sagt uns die Romanze. „Du kannst das Wohlergehen deines Herzens ihm überlassen.“ Die Pfeile schießen zurück: „Gib niemals die Kontrolle über dein Leben aus der Hand“, und sie schießen mit solcher Autorität, ganz anders als die sanften Mahnungen der Romanze, dass wir am Ende dazu getrieben werden, ihnen auf irgendeine Weise zu folgen. Der einzige Weg scheint darin zu bestehen, dass wir unsere Sehnsucht nach der Romanze abtöten, genauso wie wir unser Herz gegen jemanden verhärten, der uns verletzt. Wenn ich nicht so viel will, denken wir, dann bin ich nicht so verwundbar. Statt den Pfeilen zu begegnen, bringen wir die Sehnsucht zum Schweigen. Das scheint unsere einzige Hoffnung zu seinen. Und so verlieren wir unser Herz.

Welche dieser Botschaften ist wahr? Wenn wir versuchen an der Romanze festzuhalten, was sollen wir dann mit unseren Wunden und den furchtbaren Tragödien des Lebens anfangen? Wie können wir unser Herz lebendig erhalten angesichts solch tödlicher Pfeile? Ist es möglich, dass Mike es jemals wieder riskiert, sein Herz zu öffnen und zu lieben? Kann Sam jemals wieder dem Gott, dem er so lange gedient hat, vollkommen vertrauen? Wie viele Verluste kann ein Herz ertragen? Wenn wir die Wunden verleugnen oder versuchen sie herunterzuspielen, verleugnen wir einen Teil unseres Herzens, und was uns bleibt, ist ein flacher Optimismus, der häufig auf die Forderung hinausläuft, die Welt solle besser sein, als sie ist. Nehmen wir dagegen die Pfeile als das letzte Wort über das Leben hin, so verzweifeln wir, und auch das ist ein Weg, das Herz zu verlieren. Wenn wir die Hoffnung verlieren, hat das dieselbe Wirkung auf unser Herz, wie wenn wir aufhören zu atmen. Wenn es nur jemanden gäbe, der uns helfen könnte, unsere tiefsten Sehnsüchte mit unseren größten Ängsten zu versöhnen!

In meinen Dreißigern wusste ich nicht, dass der Eine, der auf mein „religiöses Gebet“, das ich mit Mitte zwanzig gesprochen hatte („Gott, hilf mir, denn ich bin verloren“), geantwortet hatte, derselbe war, der vor so langer Zeit im Zauber der Sänger und selbst in der rauen Kälte jenes Novembertages um mich geworben hatte. Hätte ich es gewusst, so wären die Jahre meiner Religiosität mit viel mehr Freude und Verwirrung, Trauer und Hoffnung, Geduld und Spontaneität, Überzeugung und rückhaltloser Liebe erfüllt gewesen, als es der Fall war. Ich hätte mit einer festen Zuversicht gelebt, dass die Pfeile nicht das letzte Wort sind. Aber ich hatte mit dem Verlust meiner Familie als Junge auch meine eigene Geschichte verloren, und damit auch jedes Bewusstsein einer Großen Geschichte, die die beiden Botschaften, die mein Herz kennen gelernt hatte, miteinander versöhnen konnte.

Ganz leise wirbst du um mein Herz

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