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Die Göttliche Romanze

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Es gibt einen anderen Weg, einen, der in aller Tragik des Lebens „dem Teufel sein Recht gibt“, der aber auch die Hoffnung am Leben erhält, dass der eindringliche Ruf der Romanze ebenfalls keine Illusion ist. Kinder bieten uns kein schlechtes Vorbild, wenn wir versuchen über den Zynismus des Erwachsenenalters hinauszukommen, und so sollte es uns nicht überraschen, dass die meisten Kinder einen Weg gefunden haben, die beiden Botschaften miteinander zu versöhnen. Bevor die Skepsis (die wir irrtümlich als Reife bezeichnen) sich in uns breit macht, erspüren Kinder die wahre Geschichte als ein Märchen. Wenn Sie sich erinnern, sind die besten Märchen nicht romantisch im schlechten Sinne des Wortes. Sie sind realistisch, nur noch mehr als das. Da gibt es Menschenfresser und böse Zauberer und böse Stiefmütter, sicher. Aber sie bilden weder die ganze Geschichte noch auch nur ihren Kern. Da gibt es echte Helden und Heldinnen und eine Sache, für die man leben kann und für die es sich lohnt zu sterben. Da ist eine Aufgabe oder eine Reise, auf der tausend Gefahren lauern, und der Einsatz könnte nie höher sein.

Meine Söhne sind gerade in dem Alter, in dem Cowboys ihre größten Helden sind. Unsere Tage sind oft angefüllt mit Schießereien und Geschichten von wagemutigen Abenteuern. Als ich vor einigen Tagen den siebenjährigen Samuel abends ins Bett brachte, unterhielten wir uns über die Zukunft. Ich fragte ihn, was er tun wollte, wenn er erwachsen sei. Er sah mich mit großer Ernsthaftigkeit an und sagte: „Ich werde den Westen zurückbringen.“ In seinem Herzen wusste er, dass er zu großen Taten berufen ist. Auch unser Herz weiß das, wenn wir es nur zu uns reden lassen.

Das Faszinierende ist nun, dass diese Metapher große Ähnlichkeit mit der Art und Weise hat, wie die Bibel das Evangelium darstellt – als eine Göttliche Romanze. Wenn Sie das überrascht, dann ist das gut so, denn jede Erklärung, die den kühnen Anspruch erhebt, den Sinn des Lebens zu umfassen, sollte mindestens zwei Elemente besitzen: Sie sollte gewichtig genug sein, um beide Botschaften tragen zu können, und sie sollte ein bisschen überraschend sein. Wir leben schon so lange mit einem Christentum, das sich in Lehrsätzen erschöpft, dass uns seine wahre Bedeutung fast verloren gegangen ist. Wie Mary Stewart Van Leeuwen sagt:

Es hängt zum großen Teil von Ihrer Sicht der Bibel ab. Spielen Sie Belegtext-Poker mit dem ersten Buch Mose, den Evangelien und den Paulus-Briefen, während alles andere nur eine Art großes Mysterium dazwischen ist – außer vielleicht den Psalmen und den Sprüchen, die Sie für Ihre Andachten gebrauchen können? Oder sehen Sie die Bibel als ein kosmisches Drama – Schöpfung, Sündenfall, Erlösung, zukünftige Hoffnung – als dramatische Erzählungen, die Sie auf alle Bereiche des Lebens anwenden können?

(Interview in Prism)

Vor unserer modernen Ära betrachtete die Kirche jahrhundertelang das Evangelium als eine Romanze, ein klassisches Drama, dessen Themen in unsere eigenen Geschichten eingewoben waren und all die willkürlichen Szenen zu einem erlösenden Ganzen zusammenzogen. Doch unsere rationalistische Herangehensweise an das Leben, die nun schon seit Jahrhunderten die westliche Kultur beherrscht, hat uns das geraubt und einen Glauben übrig gelassen, der kaum mehr ist als eine bloße Weitergabe von Fakten. Der moderne evangelikale Glaube liest sich wie ein Steuerformular: Alles stimmt, die Daten sind alle da, aber es raubt einem nicht gerade den Atem. Der britische Theologe Alister McGrath mahnt, dass die Bibel nicht nur ein dogmatisches Quellenwerk ist: „Die Offenbarung auf Prinzipien oder Konzepte zu reduzieren heißt, das Element des Mysteriums, der Heiligkeit und des Wunderbaren in Gottes Selbstenthüllung zu unterdrücken. Grundsätze können aufklären und informieren; aber sie zwingen uns nicht in Ehrfurcht und Staunen auf die Knie, wie es Mose vor dem brennenden Busch oder den Jüngern in der Gegenwart des auferstandenen Christus erging“ (A Passion for Truth).

Könnte es sein, dass unser Leben tatsächlich einen Sinn ergibt, alles daran – das Gute und das Schlechte? Jene tiefen Sehnsüchte, die uns überraschen, wenn wir ein bestimmtes Lied im Radio hören oder unseren Kindern zuschauen, wenn sie sich unbeobachtet fühlen, sagen uns etwas über das Leben, was wirklich wahrer ist als die Botschaft der Pfeile. Es scheint zu schön um wahr zu sein, und das sollte erst recht unseren Argwohn wecken, dass es doch wahr sein könnte. Wie Chesterton in Orthodoxie berichtet, hatte er „immer geglaubt, dass bei der Welt Zauberei im Spiel war; jetzt kam mir der Gedanke, ob es nicht vielleicht auch einen Zauberer gab. … Ich hatte immer im Leben vor allem eine Erzählung gesehen; und wo eine Erzählung ist, da gibt es auch einen Erzähler.“

Dem Teil der Geschichte zufolge, in den Gott uns Einblick gewährt hat, ist der Lockruf, den wir verspüren, sein Aufruf an uns, auf eine Reise zu gehen. Die Auferweckung unseres Herzens erfordert, dass die Göttliche Romanze wahr ist, und das ist genau das, was uns die Bibel sagt. Wie Frederick Buechner uns in seinem wunderbaren Buch Telling the Truth: The Gospel as Tragedy, Comedy and Fairy Tale in Erinnerung ruft, ist die Welt des Evangeliums die Welt des Märchens, mit einer beachtenswerten Ausnahme:

Es ist eine Welt der Magie und des Mysteriums, der tiefen Finsternis und des flackernden Sternenlichts. Es ist eine Welt, in der schreckliche Dinge geschehen, aber auch wunderbare Dinge. Es ist eine Welt, in der das Gute gegen das Böse kämpft, die Liebe gegen den Hass, die Ordnung gegen das Chaos, in einer großen Auseinandersetzung, in der es oft schwer fällt genau zu wissen, wer auf welche Seite gehört, weil der Schein immer wieder trügt. Doch trotz all dieser Verwirrung und Wildheit ist es eine Welt, in der die Schlacht letzten Endes zu Gunsten der Guten ausfällt, die glücklich leben bis in alle Ewigkeit, und in der auf lange Sicht alle, die Guten wie die Bösen, unter ihrem wahren Namen bekannt werden. … Das ist das Märchen des Evangeliums, das sich natürlich in einem entscheidenden Punkt von allen anderen Märchen unterscheidet, nämlich darin, dass es für sich in Anspruch nimmt wahr zu sein, dass es nicht nur „einmal war“, sondern seither immer wieder geschehen ist und bis heute immer wieder geschieht.

Lassen Sie uns gemeinsam das Drama erkunden, das Gott schon vor Anbeginn der Zeit zu weben begonnen und das er auch in unser Herz hineingelegt hat. Wer sind die Hauptfiguren in dieser Großen Geschichte? Was ist die Handlung? Wo kommen wir darin vor? Wenn wir nun die älteste Geschichte in der Welt, diese immer wieder junge Geschichte, neu entdecken, treten wir eine Reise an in das Herz Gottes und in Richtung auf die Wiederherstellung unseres eigenen Herzens. Denn vielleicht wäre Gott allein Grund genug, für die Romanze offen zu bleiben, wenn wir wüssten, dass er über unsere Sicherheit wacht. Und an dieser Stelle erleben wir eine große Furcht und Verwirrung.

Ganz leise wirbst du um mein Herz

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